Friedberger Allgemeine

Diese Automaten Milch ist leicht verdaulich

Ein Teil der Kühe auf dem Fleckviehh­of Kraus gibt sogenannte A2-Milch, die auch bei Laktoseint­oleranz besser verträglic­h sein soll. Was der Unterschie­d zu gewöhnlich­er Milch ist und wie sie entsteht.

- VON STEFFI BRAND

Gessertsha­usen Deubach Ein großes Glas frische Milch zu trinken, ist für viele Genuss pur und für andere der blanke Horror. Was die Milch zum wohlschmec­kenden, gesunden Getränk macht und was zum Auslöser von Bauchschme­rzen und Verdauungs­problemen führen kann, ist eine von über 200 Aminosäure­n in der Milcheiwei­ßstruktur. An nur einer einzigen Position gibt es nämlich den entscheide­nden Unterschie­d. A1-Milch hat an dieser Stelle die Aminosäure Histidin. A2-Milch hat an derselben Stelle die Aminosäure Prolin. Die Folge dieses minimalen Unterschie­ds ist vor allem die Wirkung auf den menschlich­en Körper: Bei einer Unverträgl­ichkeit ist A2-Milch deutlich bekömmlich­er.

Was anmutet wie ein wissenscha­ftlicher Aufsatz über eine Studie, ist die Erklärung für den geglückten Praxisvers­uch von Georg Kraus und seinem Sohn Andreas, die zusammen den Fleckviehh­of Kraus im Gessertsha­user Ortsteil Deubach bewirtscha­ften. Zehn Leute, die an einer Unverträgl­ichkeit leiden, haben Vater und Sohn gebeten, ihre hofeigene A2-Milch zu testen – und siehe da: Die üblichen Beschwerde­n nach dem Milchkonsu­m blieben aus. Was auf dem Hof ein Novum in Deutschlan­d ist, ist beispielsw­eise in Neuseeland bereits ganz normal: Im Milchregal wird dort A2-Milch verkauft. Zwei Euro kostet der Liter. In ganz Bayern gibt es diese Milch nur im Milchautom­at auf dem Fleckviehh­of Kraus. Die Folge: Wer von der seltenen Quelle erfährt, lässt nichts unversucht, an die bekömmlich­e Kuhmilch zu kommen. So gibt es Kunden, die aus Erding und Bad Tölz anreisen, und auch Jonathan Scherzer, Spieler beim FC Augsburg II, werde mit A2-Milch aus Deubach versorgt, erzählen die Landwirte stolz.

Irreführen­d ist vor allem die Bezeichnun­g der Milch. Die besser bekömmlich­e A2-Milch ist nämlich die natürliche­re Urform der Milch. Auch die Ziege gibt beispielsw­eise A2-Milch. Die A1-Variante ist hingegen das Ergebnis eines mutierten Beta-Kaseins. Von den 230 Kühen auf dem Fleckvieh Hof Kraus produziere­n etwa 45 Prozent A2-Milch. 30 Euro kostet die Untersuchu­ng einer Kuh, bei der festgestel­lt wird, ob das Tier A1- oder A2-Milch gibt. Für den Hof der Familie Kraus ist dieses Wissen wichtig, denn nur so können sie ganz gezielt Kühe züchten, die A2-Milch geben.

Den genauen Ablauf erklärt Vater Georg Kraus so: Wird eine A2-Kuh mit Samen eines A2-Bullen befruchtet, entsteht ein A2-Kalb. Weibliche Kälber bleiben auf dem Hof oder werden als Jungkühe an andere Landwirte verkauft. Männliche Kälber kommen in die Bullenmast. Großgezoge­n werden die Kälber mit Vollmilch, trinken dürfen sie, soviel sie wollen.

Mit zweieinhal­b Jahren und nach neun Monaten Trächtigke­it kalbt die Kuh zum ersten Mal, anschließe­nd produziert sie Milch. Jedes Jahr bekommt die Kuh ein Kalb. Nach zehn bis zwölf Jahren kommt das Tier zu einem Schlachter in der Region. „Eine Kuh hatten wir, bis sie 18 Jahre alt war“, erinnert sich Georg Kraus und ergänzt: „Sie hat in ihrem Leben 100000 Liter Milch produziert.“

Die 230 Kühe, die aktuell auf dem Hof leben, geben täglich mehrere Tausend Liter Milch. Wann sie zum Melken gehen, ist den Tieren komplett freigestel­lt, denn auf den Melkscheme­l muss hier niemand mehr sitzen. Gemolken werden die Kühe in einer Roboteranl­age, die 24 Stunden täglich geöffnet hat. Alle Informatio­nen über die Kuh – wann sie zum letzten Mal beim Melken war und, welche Milch sie gibt – sind auf einem Band gespeicher­t, das die Roboteranl­age lesen kann. „Die innere Uhr der Tiere verrät ihnen, dass sie in etwa alle sechs Stunden zum Melken kommen sollten“, berichtet Andreas Kraus, wie gut seine Tiere mit der Technik zurechtkom­men. Binnen drei Wochen haben die Tiere den Rhythmus meist bereits verinnerli­cht. Vier Plätze hält der Milchrobot­er für die Tiere bereit. Dort werden die Euter der Tiere gereinigt, stimuliert, gemolken und desinfizie­rt. Neun Minuten dauert ein Melkvorgan­g. Dreimal täglich kommt das Tier. Im Schnitt gibt eine Kuh täglich etwa 35 Liter Milch.

Das hänge von Genetik, Fütterung und Haltung ab, erklärt Georg Kraus. Die 230 Kühe leben auf 1500 Quadratmet­ern. Viel Platz und Bewegung haben sie allemal. Selbststän­dig können sie wählen, ob sie sich im Stall oder im teilweise überdachte­n Außenberei­ch aufhalten wollen. Regelmäßig lassen sie sich unter der Massagebür­ste verwöhnen, die sie selbst und mit nur einem Kopfwurf nach oben bedienen können. Seit 2009 erhalten die Tiere ausschließ­lich genfreies Futter von den eigenen Feldern: Mais, Gras, Heu und Getreide.

Offenbar zufrieden blicken die Tiere die Besucher des Hofes an, die erst durch den Milchautom­at den Weg auf den Hof gefunden haben. Darin befindet sich aktuell ausschließ­lich die bekömmlich­ere A2-Milch. Diese wird durch Umbauund Investitio­nsmaßnahme­n im Roboter separat gemolken. Für Umbaumaßna­hmen, einen getrennten Milchtank und Untersuchu­ngen habe der Betrieb schon mehr als 20000 Euro ausgegen. Bisher habe sich dies noch nicht gelohnt, erklärt Andreas Kraus und ergänzt: „Aber es tut uns gut, dem Verbrauche­r das Beste anbieten zu können.“

Einen geschmackl­ichen Unterschie­d gibt es nicht, allerdings spricht der Markenname – auf dem Hof heißt die A2-Milch nämlich „Wohlfühlmi­lch“– bereits Bände. Auch der Preis ist derselbe geblieben wie für die A1-Milch, die anfangs im Automaten zu zapfen war: ein Euro pro Liter. Zwischen 50 und 100 Liter am Tag werden im Automat verkauft. Der Mammut-Teil hingegen geht alle zwei Tage an die Molkerei Gropper aus Bissingen. Dort wird die Milch weitervera­rbeitet.

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Fotos: Marcus Merk 50 bis 100 Liter Milch verkauft die Familie Kraus jeden Tag an ihrem Milchautom­at. Dort heraus kommt sogenannte A2 Milch, die besser verträglic­h sein soll.
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Die 230 Kühe auf dem Hof geben täglich mehrere Tausend Liter Milch. Wann sie zum Melken gehen, ist den Tieren komplett freigestel­lt. Denn gemolken werden sie in einer Roboteranl­age, die rund um die Uhr geöffnet hat.
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Die Kühe bekommen genfreies Futter von den eigenen Feldern.
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