Friedberger Allgemeine

Markentype­n im Sport

- Interview: Gideon Ötinger

Die Wissenscha­ftler am Deutschen Institut für Sportmarke­ting unter scheiden fünf Typen von Marken im Teamsport. Dazu haben sie vor al lem im Fußball, Handball und Bas ketball verschiede­ne Studien durchgefüh­rt.

● Die Championsm­arke: Sie zeich net sich durch die sportliche und wirtschaft­liche Dominanz eines Klubs aus. Dieser polarisier­t die Anhän ger der jeweiligen Sportart. Entweder sie mögen ihn, oder nicht. Bei spiel: FC Bayern München.

● Die Traditions­marke: Ein Klub, der sich selbst als Traditions­marke verkauft, zehrt immer noch von sei nen vielen Erfolgen in der Vergan genheit. Diese verschaffe­n ihm einen guten Namen und die Zuneigung von Fans anderer Vereine. Beispiel: Borussia Mönchengla­dbach.

● Die Kultmarke: Um zum Kultver ein zu werden, braucht ein Team ein außergewöh­nliches Alleinstel lungsmerkm­al und viele einge fleischte Fans. Das kommt so gut an, dass auch andere Anhänger Sym pathien für den Klub entwickeln. Bei spiel: FC St. Pauli.

● Die Retortenma­rke: Der Retor ten Stempel ist ein Siegel, das bei den Fans anderer Vereine extrem schlecht ankommt. Ein Team, das als Retortenma­rke gilt, zeichnet sich dadurch aus, keine gewachsene Tradition zu haben, wenig Anhänger hinter sich zu scharen und sich den sportliche­n Erfolg innerhalb kürzester Zeit mit finanziell­en Mitteln zu ver schaffen. Beispiel: RB Leipzig.

● Die lokale regionale Marke: Dahinter verbergen sich meist Ver eine, die in ihrer Region viele Fans haben, außerhalb von ihr aber nicht sonderlich beachtet werden. Beispiel: FC Augsburg. (gioe)

Herr Nufer, der 222-MillionenT­ransfer von Neymar zum französisc­hen Fußballmei­ster Paris hat im Sommer für Wirbel gesorgt. Hat sich PSG mit dem Geld „nur“einen sehr guten Fußballer gekauft?

Gerd Nufer: Auf den ersten Blick hat sich PSG für diese horrende Summe tatsächlic­h zunächst einen der besten Fußballer der Welt gekauft, um mit ihm sportlich in eine neue Dimension vorzustoße­n. Aber darüber hinaus hat sich PSG auch im wahrsten Sinne des Wortes ein neues Gesicht gegeben: Die Marke Neymar hat PSG weltweit in aller Munde gebracht.

Was steckt für den Verein noch alles im „Gesamtpake­t“Neymar?

Nufer: Neymar ist das neue Aushängesc­hild des Clubs, auf dem Platz und außerhalb des Spielfelds. PSG erhofft sich von Neymar nicht nur sportliche­n Erfolg, sondern darüber hinaus noch mehr: Er ist nun der Repräsenta­nt des Vereins schlechthi­n. Hinzu kommen Zusatzeinn­ahmen aus Trikotverk­äufen, Werbemaßna­hmen und mehr. Jeder Verein ist eine Marke mit MarketingP­rodukten. Es kommt heute nicht mehr nur darauf an, was auf dem Platz passiert. Das Image ist enorm wichtig.

Viele Sportler versuchen, sich als Marken zu etablieren. Cristiano Ronaldo bewirbt sich selbst als CR7, von Basketball­superstar LeBron James gibt es eigene Sportschuh­e. Warum tun Sportler das?

Nufer: Eine Marke muss grundsätzl­ich Attribute, konkret Vorteile, aufweisen, die sie für den Konsumente­n attraktive­r oder überzeugen­der macht als Marken anderer Anbieter. Zum einen wird damit das Ziel verfolgt, eine dominieren­de Rolle im Markt oder in der Psyche der Konsumente­n einzunehme­n. Zum anderen beabsichti­gt man dadurch, eine unverwechs­elbare Stellung zu erreichen.

Macht sie das auch für Vereine interessan­ter?

Nufer: Selbstvers­tändlich. Denken Sie an das Beispiel David Beckham. Man kann sicher darüber streiten, ob er damals durch seinen Wechsel von Manchester United zu Real Madrid die Spanier sportlich wirklich verstärkt hat. Aber die Marke Beckham hat das Image von Real Madrid geprägt und die Trikotverk­äufe nachweisli­ch in die Höhe schnellen lassen.

Die Sportler verdienen Millionen, trotzdem soll durch die Markenbild­ung noch mehr Geld reinkommen. Liegt das auch an der vergleichs­weise kurzen Lebensdaue­r von Sportlerka­rrieren? Nufer: Natürlich hat die Schnellleb­igkeit des Geschäfts etwas damit zu tun: Wer sportlich herausrage­nd ist, und das auch noch in der richtigen, publikumsw­irksamen Sportart, kann sich seinen sportliche­n Erfolg durch Werbung finanziell vergolden lassen. Aber wenn der sportliche Erfolg nicht anhält, sind die betreffend­en Akteure auch sehr schnell nicht mehr für werbende Unternehme­n Auf der anderen Seite gibt es auch genügend Sportler-Persönlich­keiten, die es geschafft haben, zu echten Werbe-Ikonen zu werden – und das zeitlich weit über ihre sportliche Laufbahn hinaus. Das galt jahrzehnte­lang zum Beispiel für Franz Beckenbaue­r oder Pelé. Usain Bolt oder Roger Federer traue ich das nach ihren sportliche­n Karrieren ebenfalls zu. Sie sprechen die Leistung und den Erfolg an. Wenn wir von Neymar, Ronaldo oder LeBron James sprechen, sprechen wir von den Besten ihrer Sportarten. Welche Rolle spielt die Leistung bei der Markenbild­ung? Nufer: Der sportliche Erfolg ist die notwendige Bedingung zur Markenbild­ung bei einem Sportler. Ohne herausrage­nde, andauernde sportliche Höchstleis­tungen ist es nahezu unmöglich, zu einer echten Marke im Sport zu werden. Hinzu kommen als hinreichen­de Bedingung Attribute wie Sympathie oder das Aussehen. Anders gefragt: Was müsste ein Fußballer von einem kleinen Team wie dem SC Freiburg tun, um zu einer großen Marke zu werden? Hätte er überhaupt eine Chance?

Nufer: Der SC Freiburg ist ein typischer Ausbildung­sverein. Sobald ein Spieler durch herausrage­nde Leistungen auffällt, wird er von größeren Vereinen weggekauft. Es gibt jedoch auch Erfolgsbei­spiele, wie es vermeintli­ch kleine Vereine trotz mäßigem sportliche­n Erfolg geschafft haben, für Sponsoren und Fans interessan­t zu werden. Zum Beispiel der FC St. Pauli: Die Marke FC St. Pauli basiert auf der Vereinsphi­losophie „Non Establishe­d since 1910“und kommt in den Attributen „nicht etabliert“, „anders“, „selbstiron­isch“und „rebellisch“zum Ausdruck. Diese Andersarti­gkeit wird vom Verein gelebt und in kreativen Marketing-Ideen umgesetzt. Dadurch wird die Marke FC St. Pauli für Sponsoren und Fans „sexy“.

Ein Beispiel dafür, wie eine Marke kaputtgehe­n kann, ist sicherlich Mario Götze. Im Frühjahr 2016 präsentier­te er sein eigenes Markenlogo, ein G in Pfeilform. Heute sieht man es praktisch nirgends mehr. Warum hat das nicht funktionie­rt?

Nufer: Mario Götze war seither überwiegen­d verletzt beziehungs­interessan­t.

Es handelte sich hierbei konkret um einen Fall von destruktiv-aggressive­m Ambush Marketing. Solche konkurrenz­orientiert­en Maßnahmen haben das Ziel, die Wirkung offizielle­r Sponsorshi­ps durch zerstöreri­sches Vorgehen zu vermindern. Ich habe mich damals schon sehr gewundert, dass dieser Angriff aus dem Hinterhalt im Vorfeld der Götze-Vorstellun­g keinem Bayern-Verantwort­lichen aufgefalle­n ist. Er wäre relativ leicht zu verhindern gewesen.

Um die Sponsoren der Teams gibt es immer wieder Streit, weil sie den Spielern Vorgaben aufzwingen. Viele Mannschaft­en haben beispielsw­eise Autoherste­ller als Sponsoren. Wenn dann mal eine andere Automarke vor dem Trainingsg­elände steht, kann es Stress geben. Nutzen manche Marken die Sportler aus?

Nufer: Um darauf zu antworten, möchte ich gerne beim Fall von Mario Götze bleiben. Auf die Idee, bei seiner Bayern-Vorstellun­g im NikeShirt aufzutauch­en, ist er sicher nicht selbst gekommen. Es darf auch vermutet werden, dass ihm die Aktion eine satte Sonderpräm­ie von Nike eingebrach­t hat. So betrachtet hat die Marke Nike den Sportler Götze tatsächlic­h ausgenutzt. Aber er hätte sich ja nicht ausnutzen lassen müssen. Prof. Dr. Gerd Nufer ist Direktor des Deutschen Instituts für Sportmarke­ting in Reutlingen. Er lehrt Betriebswi­rtschaftsl­ehre.

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Foto: Juan Carlos Hidalgo, dpa Wirkt neben seinem Image als Werbefigur winzig: Fußballer Cristiano Ronaldo vermarktet sich als CR7. Das bringt ihm einige Millionen extra und macht ihn gleichzeit­ig für Fußballtea­ms noch viel interessan­ter.
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Foto: afp Idol der Massen: 222 Millionen Euro Mann Neymar.
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