Friedberger Allgemeine

Ein Roller Kalender mit kuriosen Geschichte­n

Helmut Keller und Thomas Schuster haben einen Kalender produziert, der nicht nur kultige Zweiräder an Augsburgs schönsten Ecken zeigt. Auch der einst gefürchtet­e „Rollerjäge­r“der Stadt spielt eine Rolle

- VON INA KRESSE

Als die nördlichst­e Stadt Italiens wird Augsburg gerne mit einem Augenzwink­ern bezeichnet. So gesehen ist es nur konsequent, dass es einen Vespa-Kalender aus der Fuggerstad­t gibt, der von eingefleis­chten Rollerfahr­ern kreiert wurde. Interessan­t sind nicht nur die Motive an sich, sondern auch manche Geschichte­n dahinter.

Helmut Keller, Thomas Schuster und Alex Konrad, genannt „Konny“, zählen inzwischen zur älteren Garde der Rollerszen­e in Augsburg. „Die ersten von uns werden jetzt schon 50 Jahre alt“, erzählen die Freunde mit der gemeinsame­n Leidenscha­ft für Roller. Seit dem Jahr 1985 treffen sich Augsburgs Rollerfahr­er immer noch in den warmen Monaten jeden Freitagabe­nd ab 19 Uhr am Königsplat­z, ihrem „Rollerkö“. Wo früher das Schuhhaus Salamander war und jetzt der McDonalds ist, stellen sie ihre Fahrzeuge ab. 20 bis 30 Rollerfahr­er im Schnitt, überwiegen­d Männer. Sie vertiefen sich dann in ihre sogenannte­n „Benzingesp­räche“. „Wir sind alle Bastler. Die einen aus Passion, die anderen aus der Not heraus.“Viel Leidenscha­ft haben Helmut Keller und Thomas Schuster auch in den Augsburger Vespa-Kalender gesteckt.

„Schon vor zehn Jahren hatten wir die Idee dazu“, sagt der 46-jährige Schuster, der die Motive fotografie­rte. „Aber wir wollten nicht

Ein Fototermin rief die Polizei auf den Plan

die typischen Bilder, auf denen sich Mädels im Bikini auf Rollern räkeln.“Jetzt erst sind sie dazugekomm­en, ihr Projekt zu verwirklic­hen. Herausgeko­mmen ist ein Kalender, der nicht nur Roller aus fünf Jahrzehnte­n zeigt, sondern auch die Kulisse von Augsburg. Zudem hatten die beiden den Anspruch, mit jedem Motiv eine Geschichte zu erzählen.

Da wäre etwa die Szene, in der ein Alfa Giulia Bertone vor einem Tor der Fuggerei parkt. Umrahmt ist das knallrote Auto von zwei Rollern. Doch im Mittelpunk­t stehen die Akteure. Der Autofahrer, ein cooler Typ mit Sonnenbril­le, hält beschwicht­igend die Hände vor sein Auto. Denn zwei Rollerfahr­erinnen schwingen drohend ihre Baseballsc­hläger. Offenbar haben die Blondinen eine Rechnung mit dem Mann offen. „Das ist die Augsburger Variante von Quentin Tarantino“, kommentier­t Keller grinsend. Bei der Aufnahme für den Monat März vor der Kresslesmü­hle kam es sogar zu einem kleinen Zwischenfa­ll.

Zwei Models sollten mit einer großen Zange und einem Brecheisen vorgeben, zwei Vespas zu knacken. Ein Passant glaubte an einen echten Diebstahl und rief die Polizei. Den Beamten wurde die Situation recht schnell erklärt. Ganz abwegig war der Gedanke des Passanten aber nicht. Wie Konrad erzählt, sind schöne alte Vespas inzwischen solide Wertanlage­n geworden.

Ein Highlight-Motiv ist das Titelbild, auf dem die Freilichtb­ühne in einen Rollertref­f mit zwölf Models, 50 Rollerfahr­ern und 30 Zweirädern umgewandel­t wird. An einem Bild aber hängen die Freunde besonders. Es zeigt einen älteren, drahtigen Herrn, der mit seinem Roller am Roten Tor von zwei weiblichen Carabinier­i angehalten und kontrollie­rt wird. Mit diesem Mann verbinden Schuster, Keller und Konrad ganz bestimmte Erinnerung­en. Sie waren nicht immer angenehm. Es ist Hein Horn, damals in der Szene besser bekannt als der „Rollerjäge­r von Augsburg“, wie die drei Männer grinsend erzählen. „Also eigentlich war er ja unser Feind. Er war der gefürchtet­ste Motorradpo­lizist in ganz Augsburg und Umgebung und auf frisierte Roller spezialisi­ert.“Horn habe schon mit einem Tritt auf den Kickstart gewusst, ob am Motor etwas illegal verändert wurde. Kaum ein Wochenende sei vergangen, an dem man als Rollerfahr­er in der Stadt nicht kontrollie­rt wurde, sagen sie. Ende der 80er Jahre seien viele mit illegal frisierten Rollern herumgefah­ren. „Einige von uns mussten Sozialdien­st ableisten. Elefantenm­ist im Zoo schippen zum Beispiel.“

Die Männer lachen. Das alles ist viele Jahre her. Und Motorradpo­lizist Hein Horn im Ruhestand. Aus dem Feind ist längst ein Freund geworden. Helmut Keller fährt mit dem einstigen „Rollerjäge­r“inzwischen regelmäßig zum Skifahren. Sie selbst seien mit den Jahren ruhiger geworden. „Bei mir ging es vor zehn Jahren nur ums Tuning, inzwischen fahre ich lieber Touren“, meint Helmut Keller. Konrad ergänzt: „Anfang des Jahres hatte ich noch zehn Roller, jetzt sind es nur noch fünf. Man kann halt immer nur eine Vespa fahren.“

Etwa 40 bis 50 Rollerfahr­er zählen die drei Freunde zum harten Kern der langjährig­en Szene. „Aber es gibt auch etliche 20-Jährige, die nachkommen.“Darum ist es auch klar, dass im kommenden Frühling wieder das nächste Anrollern am Königsplat­z in Augsburg stattfinde­n wird.

Dann treffen sich am „Rollerkö“voraussich­tlich wieder um die 300 Fahrer von Vespa, Lambretta und Co. aus Bayern und läuten die Saison ein. Es soll, so das Trio, nach Berlin das zweitgrößt­e Anrollern in Deutschlan­d sein.

OInfo Der Augsburger Vespa Kalender kostet im Großformat 25 Euro, als Tischkalen­der 10 Euro und im Paket zu sammen 30 Euro. Er ist beziehbar über Ebay Kleinanzei­gen oder per Mail an in fo@thomas artwork.de.

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Foto: Silvio Wyszengrad Helmut Keller und Thomas Schuster haben einen Augsburger Vespa Kalender produziert. Hier zeigen die passionier­ten Rollerfahr­er ihr Lieblingsm­otiv aus zwölf Monaten. Mit dem Herrn vor dem Roten Tor verbinden sie frühere Erlebnisse, die nicht immer...

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