Persönliche Glücksmomente in der großen Masse
Auch abseits der Siegerinnen und Sieger werden Erfolgserlebnisse gefeiert. Warum die Organisatoren ins Schwitzen geraten
Gersthofen Lange stand er auf der Kippe, der Gersthofer Silvesterlauf. Vor allem Hinrich Habenicht ist es zu verdanken, dass nach der 50. Jubiläumsauflage auch eine 51. Veranstaltung stattfand. Der Präsident des TSV Gersthofen hatte den ältesten Volkslauf Deutschlands zur Chefsache erklärt und die Organisationsleitung übernommen. Belohnt wurde der TSV Gersthofen mit idealem Laufwetter. Nachdem es die Tage zuvor noch geschneit und geregnet hatte, herrschten am letzten Tag des Jahres 2017 fast frühlingshaft milde Temperaturen und die Strecke war frei von Schnee und Eis. Auch da hatte es kurz vorher nochmals Aufregung gegeben. Die aufgrund einer Flurbereinigung neu angelegten Wege waren von der Stadt Augsburg noch nicht abgenommen und so erfolgte die Freigabe der Baufirma kurz vor Weihnachten nur auf eigene Gefahr. „Da sind wir ganz schön ins Schwitzen gekommen“, räumte Bürgermeister Michael Wörle ein: „Beim Schneeräumen hätte es Probleme geben können.“Alles ist gut gegangen. Insgesamt waren 1618 Teilnehmer am Start, davon 1347 im Schüler- und Hauptlauf. „Die letzten Tage waren zwar anstrengend, aber die Idee, den Silvesterlauf nicht sterben zu lassen, war richtig“, zog Hinrich Habenicht ein erstes Fazit.
Auch sportlich blieb alles beim Alten, denn mit Cornelia Griesche (Telisfinanz Regensburg), die zum fünften Mal in Folge gewann, und Yossief Tekle (LG Reischenau-Zusamtal) in einer fantastischen Zeit von 29:31 Minuten setzten sich Vorjahressieger durch. Mit Felix Luckner hatte die LGRZ, ein Zusammenschluss der Leichtathletik-Abteilungen des TSV Dinkelscherben und des TSV Zusmarshausen, sogar einen weiteren Läufer in den TopFünf. Tekle und Luckner liefen zu- sammen mit Thomas Fischer (17.) mit dem Sieg in der Mannschaftswertung sogar der TG Viktoria Augsburg den Rang ab. Zudem gewann Sarah Bischoff bei der weiblichen Jugend und Altmeister Franz Herzgsell die Wertung M65.
„Es war Gott sei Dank kein Schnee“, konnte sich aber insbesondere Yossief Tekle nicht so wirklich freuen. Der Asylbewerber aus Eritrea hat noch immer keinen Reisepass. Den würde der ehemalige Berglauf-Weltmeister der Junioren dringend benötigen, um bei den deutschen Meisterschaften oder bei internationalen Rennen im Ausland an den Start gehen zu können. „Ich weiß nicht, woran es liegt“, so der 25-Jährige, der momentan eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann in einem Sportgeschäft absolviert. Auch sein Trainer Franz Herzgsell kann nur den Kopf schütteln: „Die Ausländerbehörde ist sehr vorsichtig wegen des Familiennachzuges, dabei hat Josef doch gar keine Familie. Und der Deutsche Leichtathletik-Verband hat einen Leistungsnachweis gefordert, damit er außer Konkurrenz an der deutschen Meisterschaft teilnehmen kann.“
Wenn die dominierenden Sieger wie Yossief Tekle oder Cornelia Griesche, die in der voll besetzten Sportarena mit frenetischem Applaus begrüßt wurden, längst geduscht sind, laufen nicht weniger strahlend diejenigen beim Gersthofer Silvesterlauf ins Ziel, die vor allem das Durchhalten und Ankommen wie einen Sieg feiern. Die Zeit ist da völlig unwichtig. Das ganz persönliche Glücksgefühl am letzten Tag eines Jahres lässt die Ankommenden strahlen. Oftmals genießen sie das Erfolgserlebnis zu zweit oder in der Gruppe. So kamen Iwona Sauerwein aus Gersthofen und Sevim Mayer aus Metzingen als einer der letzten in der Sportarena an. Hand in Hand liefen die beiden Frauen über die Ziellinie und strahlten fast noch mehr als die eigentliche Siegerin.
Mit der Startnummer 40 war Bülent Güney am Start. Der Gersthofer hatte am Vortag seinen 40. Geburtstag gefeiert und sich dabei sehr zurückgehalten. Aufgrund einer Erkältung musste er an der Lechbrücke aufgeben. „Ich habe nicht mehr richtig atmen können und deshalb nicht durchgezogen. Ich musste ja schließlich am Abend bei meiner Geburtstagsfeier anwesend sein“, nahm er es mit Humor.
Sehr verwundert war Zielrichter Karl Winkler, als plötzlich ein junger Mann mit einer Frauen-Startnummer einlief. „Ich bin für meine erkrankte Mama gelaufen“, erklärte ihm der 13-jährige Simon Sohr aus dem Neusässer Ortsteil Schlipsheim. Er dürfte neben Tim Baumann aus Adelsried (Jahrgang 2007) einer der jüngsten gewesen sein, die die 9,7 Kilometer absolviert haben. Ältester Teilnehmer war der 73-Jährige Hans Paluszynski (FT Jahn Landsberg).
Verwundert reagierten die vielen Zuschauer an der Strecke, als plötzlich ein Feuerwehrmann in voller Montur auftauchte. Mit Helm und Pressluftatmer auf dem Rücken kam Steve Roidl von der Feuerwehr Wertingen knapp vor der Gersthofer Feuerwehrmann Anton Langenmeir ins Ziel. Auch die Teletubbies, längst Stammgäste in Gersthofen, oder die „Seilschaft“des Deutschen Alpenvereins Sektion Augsburg, die durch Kletterseile miteinander verbunden waren, erregten Aufmerksamkeit.
Strahlende Gesichter gab es auch beim Flitzilauf, den diesmal 166 Starterinnen und Starter in Angriff. „Es hat Spaß gemacht“, sprach die „Flitzimaus“Alicia Raupach für die Nachwuchsathleten, von denen einige von Mama oder Papa an der Hand geführt oder gar getragen wurden. Aber man kann gar nicht früh genug anfangen, bei einer derartigen Kultveranstaltung dabei zusein. „Es ist toll, dass alle wieder nach Gersthofen gekommen sind“, freute sich Bürgermeister Michael Wörle und richtete ein großes Dankeschön an Hinrich Habenicht und sein Team für die geleistete Arbeit: „Viele Dinge, die man nicht sieht, laufen das ganze Jahr.“
IBei uns im Internet viele Bilder vom 51. Gersthofer Silvest erlauf finden Sie unter www.friedberger allgemeine.de