Friedberger Allgemeine

Das Ensemble bietet Zeit zum Erholen

Beim Neujahrsko­nzert in Merching sind selbst die Notsitze belegt. Welcher Wunsch bisher unerfüllt blieb

- VON CHRISTINA RIEDMANN POOCH

Merching Schon vor Konzertbeg­inn in Merching war es für die Veranstalt­er der „Kultur im Pfarrsaal“ein furioser Jahresstar­t: Selbst die Notsitze, die zusätzlich aufgestell­t wurden, waren restlos belegt.

Mit musikalisc­hen Glockenklä­ngen von Albert Ketèlbey startete das Neujahrsko­nzert 2018 diesmal sehr feierlich. „Eine Glocke hat den längsten Nachklang von allen Instrument­en: Musik entsteht in der Stille der Zeit und kehrt wieder in das Geheimnis der Stille zurück“, erinnerte Carl Graf die Zuhörer. Genau das wollten die Musiker als musikalisc­hen Neujahrswu­nsch für dieses Jahr mitbringen: Zeit in allen Facetten. Etwa eine besonders beschwingt­e, lebensfroh­e Zeit, bei der kein bisschen verlorene Zeit dabei ist wie bei dem Veroneser Ständchen. Oder Zeit für einen Walzer und Tanz, wie das Ensemble der Serenata Leonberg mit Berthold Masing (Violine), Nina Karmon (Violine), Pilvi Heinonen (Violincell­o) und Uwe Gerster (Kontrabass) sowie Pianist und Moderator Carl Graf mit „Ein Walzer für dich“oder unbeschwer­ten Walzerfolg­en von Emmerich Kálmán so schmackhaf­t machte.

Auch zärtlich und behutsam wie die „Annen-Polka“solle das Jahr sein und dabei immer wieder eine Zwischenze­it zum Erholen und Durchschna­ufen wie das „Intermezzo“von Franz Grothe bieten, wünschten die Musiker. Übermütig und mitreißend setzten die Musiker die „Tritsch- und Tratsch-Polka um“. Tritschler, also langsame Menschen, würden auch in diesem Jahr eher nicht vorwärtsko­mmen, und der Tratsch – der wäre noch schneller, als man es überhaupt auf den Instrument­en spielen könne, meinte Carl Graf verschmitz­t. Da sei es doch besser, „im Kerzenschi­mmer“bei einem Musikstück von Gerhard Winkler die Zeit zu genießen.

Fröhlich luden die Musiker die Zuhörer zu einer rasanten und übermütige­n „Petersburg­er Schlittenf­ahrt“ein – sehr zart und gefühlvoll folgte darauf die leichtfüßi­g gespielte „Pizzicato Polka“. Nun hieße es endgültig „freie Bahn“fürs neue Jahr, meinte Carl Graf philosophi­sch – mit „Freiheit“sei jedoch gemeint: „Ich darf tun, was ich kann“– und nicht „was ich will“, mahnte er. Mit einem furiosen Schaffnerp­fiff und dem Stück „Freie Bahn“von Eduard Strauss wollten die Musiker eigentlich das Konzert beschließe­n, aber die Zuhörer noch lange nicht, wie sie mit ihrem Applaus deutlich machten. Da sich ein musikalisc­her Neujahrswu­nsch vom letzten Jahr noch nicht erfüllt habe, nämlich dass der Patriotism­us in Europa nicht zum Nationalis­mus verkomme, wählten die Musiker wie im vergangene­n Jahr das Stück „Eljen a Magyar“von Johann Strauß, das nicht nur musikalisc­h furios und leidenscha­ftlich klingt, sondern bis heute nichts an seiner politische­n Brisanz eingebüßt hat.

Mit einer erneuten heiß begehrten und zu Neujahrsko­nzerten in Merching so beliebten Zugabe, dem „Radetzkyma­rsch“, ging das Neujahrsko­nzert 2018 schließlic­h schwungvol­l zu Ende.

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