Am Ende finden Union und SPD wieder zueinander
Vier Gründe, warum der Druck zur Einigung stärker ist als der Widerstand gegen ein neues Bündnis. Ein „Weiter so“aber darf es nicht geben
Jetzt endlich, nach Wochen des Taktierens und Abtastens, geht es zur Sache. Fünf Tage haben die Unterhändler von CDU, CSU und SPD nun Zeit, um die Bildung einer neuen schwarz-roten Bundesregierung zu prüfen. Verläuft die „Sondierung“– womit zu rechnen ist – positiv und spielt auch der SPD-Parteitag am 21. Januar mit, ist die Hängepartie um die Führung einer der stärksten Wirtschaftsnationen der Welt noch lange nicht beendet. Doch dann ist wenigstens der Weg frei für Koalitionsverhandlungen, die bis Ostern – ein halbes Jahr nach der Wahl! – ein glückliches Ende finden sollten. Und es müsste schon mit dem Teufel zugehen und die sozialdemokratische Basis vor lauter Verzweiflung über die Last des Mitregierens revoltieren, damit Union und SPD nicht noch einmal zueinanderfinden. Denn die Verlierer der Bundestagswahl, die zusammen 14 Prozentpunkte eingebüßt haben, sind im Grunde zum Erfolg verurteilt – aus mehreren Gründen.
Erstens: Es wäre eine Blamage sondergleichen, wenn CDU, CSU und SPD keine gemeinsame Basis fänden. Eine Blamage sowohl für das parlamentarische System als auch für diese staatstragenden Parteien, die bei einer Pleite noch mehr an Vertrauen einbüßen würden.
Zweitens: Die Alternative heißt GroKo oder Neuwahlen, weil sich dieses große Land auf Dauer nicht mit wechselnden Mehrheiten regieren lässt. An Neuwahlen mit all ihren Risiken jedoch ist niemand interessiert – nicht die angeschlagenen Parteichefs Merkel, Seehofer und Schulz und schon gar nicht die unglückliche Sozialdemokratie, die am liebsten gleichzeitig regieren und opponieren würde und auch in der Opposition vor einer weiteren Verzwergung nicht gefeit wäre.
Drittens: Scheitern die Gespräche, drohen dem Land eine lange Phase instabiler, unsicherer Verhältnisse und außenpolitische Handlungsunfähigkeit. Wer will dafür die Verantwortung übernehmen?
Viertens: Es gibt genügend „Schnittmengen“, um – bei entsprechender Kompromissbereitschaft – eine neue Regierung hinbekommen zu können. So weit ist man, bei allem Getöse, nicht auseinander, als dass sich kein passables Arbeitsprogramm finden ließe.
Der Druck zur Einigung, der sich aus diesen vier Punkten ergibt, wird die Neuauflage von SchwarzRot erzwingen. Wagen wir also die Prognose, dass Merkel IV mithilfe der SPD kommt. Ob die Koalition vier Jahre hält, steht auf einem anderen Blatt. Da die „Große“nur noch eine „kleine“53-Prozent-Koalition ist, wird die Demokratie keinen Schaden nehmen. Für eine muntere, schlagkräftige Opposition ist ja nun in einem Bundestag mit sechs Parteien gesorgt.
Natürlich ist eine Bruchlandung nicht völlig ausgeschlossen. Vor allem auf den Feldern der Einwanderungsund Europapolitik liegt einiger Sprengstoff. Die SPD kämpft um ein, zwei Trophäen, um ihre Mitglieder am Ende ins Boot holen zu können. Die CSU beharrt um ihres Markenkerns willen auf einer strikten Begrenzung der Zuwanderung. Die CDU will das Kanzleramt sichern, kann aber nicht jeden Preis bezahlen. Die Kanzlerin ist diesmal unter Druck und muss darauf achten, dass die Handschrift der Union im Koalitionsvertrag nicht wieder zu kurz kommt.
In all dem steckt der Keim unüberwindbarer Konflikte. Und Formelkompromisse, die keine Antworten auf existenzielle Fragen wie jene nach der Zukunft der Einwanderungsgesellschaft liefern und auf ein „Weiter so“hinauslaufen, helfen nicht weiter. Es muss schon mehr her als eine Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner – nämlich eine konkrete Idee davon, wie Deutschland in zehn Jahren aussehen soll. Wenn dies nicht gelingt, dann lieber Neuwahlen.
Auch Merkel steht diesmal unter Druck