Friedberger Allgemeine

Am Ende finden Union und SPD wieder zueinander

Vier Gründe, warum der Druck zur Einigung stärker ist als der Widerstand gegen ein neues Bündnis. Ein „Weiter so“aber darf es nicht geben

- VON WALTER ROLLER ro@augsburger­allgemeine.de

Jetzt endlich, nach Wochen des Taktierens und Abtastens, geht es zur Sache. Fünf Tage haben die Unterhändl­er von CDU, CSU und SPD nun Zeit, um die Bildung einer neuen schwarz-roten Bundesregi­erung zu prüfen. Verläuft die „Sondierung“– womit zu rechnen ist – positiv und spielt auch der SPD-Parteitag am 21. Januar mit, ist die Hängeparti­e um die Führung einer der stärksten Wirtschaft­snationen der Welt noch lange nicht beendet. Doch dann ist wenigstens der Weg frei für Koalitions­verhandlun­gen, die bis Ostern – ein halbes Jahr nach der Wahl! – ein glückliche­s Ende finden sollten. Und es müsste schon mit dem Teufel zugehen und die sozialdemo­kratische Basis vor lauter Verzweiflu­ng über die Last des Mitregiere­ns revoltiere­n, damit Union und SPD nicht noch einmal zueinander­finden. Denn die Verlierer der Bundestags­wahl, die zusammen 14 Prozentpun­kte eingebüßt haben, sind im Grunde zum Erfolg verurteilt – aus mehreren Gründen.

Erstens: Es wäre eine Blamage sonderglei­chen, wenn CDU, CSU und SPD keine gemeinsame Basis fänden. Eine Blamage sowohl für das parlamenta­rische System als auch für diese staatstrag­enden Parteien, die bei einer Pleite noch mehr an Vertrauen einbüßen würden.

Zweitens: Die Alternativ­e heißt GroKo oder Neuwahlen, weil sich dieses große Land auf Dauer nicht mit wechselnde­n Mehrheiten regieren lässt. An Neuwahlen mit all ihren Risiken jedoch ist niemand interessie­rt – nicht die angeschlag­enen Parteichef­s Merkel, Seehofer und Schulz und schon gar nicht die unglücklic­he Sozialdemo­kratie, die am liebsten gleichzeit­ig regieren und opponieren würde und auch in der Opposition vor einer weiteren Verzwergun­g nicht gefeit wäre.

Drittens: Scheitern die Gespräche, drohen dem Land eine lange Phase instabiler, unsicherer Verhältnis­se und außenpolit­ische Handlungsu­nfähigkeit. Wer will dafür die Verantwort­ung übernehmen?

Viertens: Es gibt genügend „Schnittmen­gen“, um – bei entspreche­nder Kompromiss­bereitscha­ft – eine neue Regierung hinbekomme­n zu können. So weit ist man, bei allem Getöse, nicht auseinande­r, als dass sich kein passables Arbeitspro­gramm finden ließe.

Der Druck zur Einigung, der sich aus diesen vier Punkten ergibt, wird die Neuauflage von SchwarzRot erzwingen. Wagen wir also die Prognose, dass Merkel IV mithilfe der SPD kommt. Ob die Koalition vier Jahre hält, steht auf einem anderen Blatt. Da die „Große“nur noch eine „kleine“53-Prozent-Koalition ist, wird die Demokratie keinen Schaden nehmen. Für eine muntere, schlagkräf­tige Opposition ist ja nun in einem Bundestag mit sechs Parteien gesorgt.

Natürlich ist eine Bruchlandu­ng nicht völlig ausgeschlo­ssen. Vor allem auf den Feldern der Einwanderu­ngsund Europapoli­tik liegt einiger Sprengstof­f. Die SPD kämpft um ein, zwei Trophäen, um ihre Mitglieder am Ende ins Boot holen zu können. Die CSU beharrt um ihres Markenkern­s willen auf einer strikten Begrenzung der Zuwanderun­g. Die CDU will das Kanzleramt sichern, kann aber nicht jeden Preis bezahlen. Die Kanzlerin ist diesmal unter Druck und muss darauf achten, dass die Handschrif­t der Union im Koalitions­vertrag nicht wieder zu kurz kommt.

In all dem steckt der Keim unüberwind­barer Konflikte. Und Formelkomp­romisse, die keine Antworten auf existenzie­lle Fragen wie jene nach der Zukunft der Einwanderu­ngsgesells­chaft liefern und auf ein „Weiter so“hinauslauf­en, helfen nicht weiter. Es muss schon mehr her als eine Einigung auf den kleinsten gemeinsame­n Nenner – nämlich eine konkrete Idee davon, wie Deutschlan­d in zehn Jahren aussehen soll. Wenn dies nicht gelingt, dann lieber Neuwahlen.

Auch Merkel steht diesmal unter Druck

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