Wenn Essen zum Problem wird
Über 3000 junge Menschen in Augsburg leiden an Bulimie. Wenn sie nach einem Klinikaufenthalt zurück nach Hause kamen, waren sie bislang auf sich alleine gestellt – und damit oft chancenlos. Wie sich dies nun ändern könnte
Allein in Augsburg leiden über 3000 junge Menschen an Bulimie und Magersucht, manche sterben daran. Um ihre Heilungschancen zu verbessern, gibt es nun ein neues Angebot vom SOS-Kinderdorf Augsburg: Ambulant Betreutes Wohnen für Menschen mit Essstörungen.
Katy M. hat schon mit 17 ihr Einser-Abitur gemacht. Sie setzte sich ständig unter Druck, forderte stets Höchstleistungen von sich. Als dann die Ehe der Eltern in die Brüche ging, nahm sie in kurzer Zeit 20 Kilogramm ab. Seelische Probleme markieren immer den Beginn einer Magersucht.
Katys Traum vom Studium platzte jäh. Sie hatte sich in einen lebensgefährlichen Gewichtsbereich ge- Statt an der Uni fand sie sich in einer Fachklinik für Essstörungen wieder. Nach der Entlassung kam sie im Alltag nicht zurecht, vereinsamte zusehends, traute sich fast nicht aus dem Haus, aß immer weniger. Ein herber Rückfall und ein erneuter Klinikaufenthalt folgten.
„Klinken haben bei uns angerufen und gefragt, ob wir uns nicht intensiver um die Patientinnen nach der Entlassung kümmern könnten“, berichtet Sonja Schöpf, die Leiterin vom SOS-Kinderdorf Augsburg. So entstand das neue Angebot Ambulant Betreutes Wohnen (ABW) für Menschen mit Essstörungen. Ähnliche Angebote gibt es bereits für Menschen mit anderen psychischen Erkrankungen, die ebenfalls vom Bezirk Schwaben finanziert werden. Die Sozialpädagogin und Familientherapeutin Carmen Frauenholz von Schneewittchen, der Beratungsstelle bei Essstörungen vom SOS-Kinderdorf Augsburg, kümmert sich nun um die inzwischen 22-jährige Katy M., die in ihrer eigenen Wohnung lebt. Es ist ein mühsamer Weg, wieder zurück ins Leben zu finden und wieder ein Stück Normalität herzustellen: zusammen einkaufen gehen, kochen, Essenspläne einhalten, Kontakte knüpfen und pflegen, Freude am Leben gewinnen und letztendlich wieder ein Selbstwertgefühl aufbauen. Katy muss umsetzen, was sie in der Klinik gelernt hat. Wenn es nur so einfach wäre…
Durch die Alltagsbegleitung solhungert. len das Essverhalten und die Psyche stabilisiert werden. Das Ambulant Betreute Wohnen vom SOS-Kinderdorf Augsburg bietet Unterstützung, um zu einem selbstbestimmten und eigenständigen Alltag zurückzufinden.
„Die Magersucht kann alles zerstören, deshalb ist ein breites Spektrum an Hilfeangeboten äußerst wichtig“, weiß Carmen Frauenholz, die seit 20 Jahren Menschen mit Essstörungen mit Einzelberatungen und Gruppenangeboten unterstützt. Jetzt wird durch die Alltagsbegleitung im häuslichen Umfeld das Hilfeangebot erweitert. Das ist auch dringend notwendig: Immerhin stirbt jede sechste Magersüchtige an ihrer Krankheit.