Opfer von Gewalttaten schämen sich
Der Verein Weißer Ring betreut auch im Landkreis Geschädigte von Straftaten. Wie dort Betroffene unterstützt werden
Aichach Friedberg Eine Frau deckt für ihren Ehemann zum Abendessen den Esstisch. Sie legt eine Tischdecke auf, stellt Teller und Besteck darauf und kocht für ihren Gatten. Doch sie versäumt, Servietten zu holen. Weil sie diese vergessen hat, schlägt sie der Mann zur Strafe. So tut er es immer, wenn ihm etwas nicht gefällt. Dieser Fall von häuslicher Gewalt ist nur erfunden. Trotzdem weiß Daniela Schwab vom Weißen Ring: „Solche schlimmen Dinge passieren jeden Tag und überall.“
Der Weiße Ring ist ein gemeinnütziger Verein, der Menschen unterstützt, die Opfer von Straftaten wurden. Er hilft ihnen, mit den Folgen umzugehen. Daniela Schwab betreut seit fünf Jahren als Außenstellenleiterin Betroffene aus dem Landkreis Aichach-Friedberg. „Am häufigsten habe ich mit häuslicher Gewalt oder sexuellem Missbrauch zu tun. Aber es waren auch schon Angehörige von Mordopfern dabei“, erzählt die 39-Jährige.
Wer als Opfer Hilfe sucht, kann sich telefonisch oder per E-Mail anonym an den Weißen Ring wenden. Das Angebot ist kostenlos. Nach dem ersten Kontakt trifft sich Daniela Schwab mit den Betroffenen bei ihnen zu Hause oder in einem Café. Ein Büro gibt es beim Weißen Ring nicht. Die Seelsorger suchen die räumliche Nähe zu den Menschen. Daniela Schwab sagt: „Sie haben wirklich andere Sorgen, als einen weiten Weg zu uns zu fahren.“Manchmal sind bei den Treffen auch Angehörige oder Freunde dabei. „Viele Opfer schämen sich“, sagt sie. „Sie denken, sie sind an der Situation selbst schuld, und haben kaum Selbstvertrauen.“
Beim ersten Treffen schildern die Betroffenen, was sie erlebt haben. „Ich will Verständnis für ihre Sorgen zeigen“, erklärt Daniela Schwab. Nach und nach verweist sie dann an weitere Stellen, die den Menschen in ihrer schwierigen Situation helfen können. Sie vermittelt beispielsweise an Frauenhäuser, empfiehlt, einen Anwalt einzu-
schalten, oder holt einen Therapeuten mit ins Boot.
Gerade wenn Kinder betroffen sind, sucht sich Daniela Schwab
Unterstützung. Sie arbeitet dann mit ihrer Kollegin vom Weißen Ring, Michaela Heinicke, oder speziellen Psychologen zusammen. Daniela Schwab sagt: „Ich spreche nie mit den Kindern über das, was sie erlebt haben. Da kann man sehr schnell sehr viel falsch machen.“
Daniela Schwab ist aber nicht nur für die Menschen da und hilft ihnen, die schlimmen Erlebnisse zu bewältigen. Sie kümmert sich auch um finanzielle Unterstützungen. Entscheidet sich eine Frau etwa, ihren gewalttätigen Mann zu verlassen, organisiert sie zum Beispiel den Umzug oder kauft neue Möbel.
Leiden die Betroffenen vor allem unter seelischen Folgen, können sie sich in Aichach auch an den sozialpsychiatrischen Dienst der Caritas wenden. Er arbeitet bei Opfern von Gewaltverbrechen mit dem Weißen Ring zusammen. Konrad Gamperling ist der Leiter des Dienstes und sieht es „positiv, dass die unterschiedlichen Stellen zusammenarbeiten“. Er verweist vor allem dann an Daniela Schwab, wenn Betroffene eine Entschädigung beantragen wollen und Hilfe bei den Unterlagen brauchen.
Auch Daniela Schwab ist froh, wenn der sozialpsychiatrische Dienst der Caritas Menschen zu ihr schickt. Denn viele Menschen leben am Existenzminimum, weil ihnen schreckliche Dinge passiert sind. Sie würden in einer Spirale gefangen sein. Sie sagt: „Ohne Hilfe, egal ob seelsorgerisch oder finanziell, würden die Opfer da niemals rauskommen.“
Mit dem Wort „Opfer“hat Daniela Schwab aber manchmal ihre Probleme. Viele Menschen würden andere mit „Du Opfer!“beschimpfen und bloßstellen. Damit wird der Begriff ins Lächerliche gezogen. Sie sagt: „Viele Menschen haben gar keine Vorstellung, wie schlimm es ist, wirklich ein Opfer zu sein.“ O Kontakt Wer aus dem Landkreis Aichach Friedberg kommt und Hilfe sucht, kann sich direkt an Daniela Schwab vom Weißen Ring unter der Telefon nummer 0151/55164810 wenden.