Hauskäufer leiden unter Streit der Vorbesitzer
Eine junge Familie erwirbt in Bergheim ein Haus, doch sie kann es seit Jahren nicht richtig nutzen. Ein Mieter gibt das Erdgeschoss nicht frei, obwohl er dort offensichtlich gar nicht lebt. Die Betroffenen hadern mit dem Rechtsstaat
Sie dachten damals, vor rund drei Jahren, sie hätten einen Glücksgriff gemacht. Florian Bissinger und seine Frau hatten gerade einen Sohn bekommen. Sie wollten im Stadtteil Bergheim bleiben. Dort, wo sie aufgewachsen sind. Als dort ein Haus nach dem Tod des Besitzers von den Erben verkauft wurde, griffen sie zu. Es sollte das neue Zuhause ihrer kleinen Familie werden. Weil ein Sohn des verstorbenen Mannes noch einen Mietvertrag für das Erdgeschoss hatte, zogen sie zunächst in die kleinere Wohnung im Dachgeschoss. Dort leben sie bis heute. Der Umzug ins Erdgeschoss liegt seit zwei Jahren auf Eis. Die Bissingers konnten den Mietvertrag mit dem Sohn des Vorbesitzers bisher nicht auflösen. Und das, obwohl er offensichtlich gar nicht in der 120-Quadratmeter-Wohnung lebt.
Seit zweieinhalb Jahren beschäftigt der Fall die Gerichte. Das Vertrauen der Bissingers in den Rechtsstaat hat seither schwer gelitten. Das Haus, um das es in dem Streit geht, liegt am Ortsrand von Bergheim, Ausgburgs ländlichstem Stadtteil. Der Garten grenzt direkt an Wiesen. Scheinbar eine Idylle. Bei genauerem Hinschauen wirkt die Erdgeschosswohnung des Hauses verlassen. Die meisten Vorhänge sind zugezogen, Rollläden teils heruntergelassen. Von außen zu erkennen ist eine dicke Staubschicht, die sich auf Möbel gelegt hat. In der Küche stapeln sich Kassettenhüllen auf der Arbeitsfläche. Ein Kinderzimmer sieht so aus, als sei es vor Jahren verlassen und nicht mehr genutzt worden. Schon im Jahr 2009 ist der Stromzähler für die Wohnung abgebaut worden, seither ist sie nicht mehr am Stromnetz.
Eigentlich würden die Bissingers hier gerne wohnen. Ebenerdig, damit sie im Sommer draußen sitzen können. Ihr Sohn und ihre Tochter, die mittlerweile noch auf die Welt kam, könnten im Garten spielen. Doch der Sohn des früheren Hausbesitzers gibt diese Wohnung nicht frei. Er wehrt sich mit allen rechtlichen Mitteln gegen die Kündigung. Das Problem der Bissingers: Es gibt einen alten Vertrag, der dem Sohn extrem günstige Mietkonditionen gewährt. Für die rund 120 Quadratmeter große Wohnung muss er nur 300 Euro Miete bezahlen, die Nebenkosten sind dabei bereits eingeschlossen. Der Vertrag entstand im Zuge eines Rechtsstreits zwischen dem Vater und dem Sohn. Ihr Verhältnis war offenbar zerrüttet. Auf Drängen des Gerichts wurde ein ungewöhnlicher Vergleich geschlossen. Dem Sohn wurde ein zeitlich unbefristetes Mietverhältnis gewährt – für 300 Euro im Monat. Gleichzeitig verpflichteten sich Va- ter und Sohn, keinen persönlichen Kontakt mehr miteinander aufzunehmen, obwohl sie weiter im selben Haus lebten. Und sie legten fest, vor einer künftigen Klage zwingend erst ein Mediationsverfahren abzuhalten. Das ist eine außergerichtliche Schlichtung, bei der ein Kompromiss gesucht wird.
Die Bissingers kündigten den Mietvertrag regulär. Und sie strengten eine Klage an, als der Sohn des Vorbesitzers die Kündigung nicht akzeptierte. In erster Instanz vor dem Amtsgericht bekam die Familie im Sommer 2016 auch noch recht. Doch dann, Ende Dezember 2016, kippte das Landgericht in der nächsten Runde dieses Urteil. Auch die Bissingers seien als neue Hausbesitzer an den alten Vergleich gebunden, befanden die Richter des Landgerichts. Sie müssten zuerst ein Mediationsverfahren abhalten.
Das ist inzwischen nachgeholt. Es war ein kurzer Termin. Es war von vorneherein klar, dass es keine Einigung geben wird. Danach reichten die Bissingers erneut ihre Klage beim Amtsgericht ein – und warten seither auf eine Entscheidung. Der Prozess verzögerte sich um viele Monate, weil sich der Sohn des ExHausbesitzers vor den Gerichtsterminen immer wieder kurzfristig krankmeldete. Zudem wechselte zwischenzeitlich auch die zuständige Richterin.
Erst Ende vorigen Jahres erschien der Mieter dann doch noch zu einem Termin im Gerichtssaal. Er gab an, er wohne weiter in der Wohnung. Und es sei ihm aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich, umzuziehen. Er sei herzkrank. Die Bissingers aber beteuern, dass der Mieter die Wohnung nur sporadisch aufsuche. „Er kommt alle zwei bis drei Tage“, sagt Florian Bissinger. „Immer nur in der Nacht, und immer nur für ein paar Minuten.“Sie sind überzeugt, dass er in Wirklichkeit woanders wohnt.
Auch den Zugang zum Garten will er ihnen verwehren, trotz gekündigtem Mietverhältnis. Weil sie den Garten jedoch pflegten, um ihn
Weil sie den Garten pflegten, wurden sie angezeigt
nicht verwildern zu lassen, hatte der Sohn des früheren Hausbesitzers die Bissingers angezeigt, wegen Hausfriedensbruchs. Das Verfahren wurde eingestellt. Eine Privatklage des Mannes scheiterte ebenfalls. Eigentlich sind die Bissingers als Vermieter auch dafür verantwortlich, dass in der Wohnung Rauchmelder installiert werden. Das ist seit diesem Jahr gesetzlich vorgeschrieben. Doch der Mann weigert sich, die Rauchmelder einbauen zu lassen.
Für die Familie ist die Hängepartie auch zu einer finanziellen Belastungsprobe geworden. Da ist zum einen der offene Rechtsstreit, der bislang schon tausende Euro gekostet hat. Außerdem entgehen ihnen Mieteinnahmen, die sie erzielen könnten. Wie lange das noch so weitergeht, ist unklar. Noch im Januar gibt es erneut einen Prozesstermin am Amtsgericht. Aber selbst wenn die Richterin ihnen dort wieder recht geben sollte, wird der Mieter wohl erneut in die nächste Instanz gehen. Das kann dauern. Florian Bissinger sagt: „Wir fühlen uns im Stich gelassen.“» Kommentar Verfahren lange dauert. Und Krankmeldungen von Beteiligten hat die Justiz zunächst ja auch gar nicht zu verantworten. In der Justiz selbst hat man sich ohnehin an lang dauernde Verfahren gewöhnt. Doch Bürger, die vielleicht nur einmal im Leben mit der Justiz in Kontakt kommen, fühlen sich machtlos und im Stich gelassen, wenn sie das Gefühl haben, ihr Anliegen kommt nicht voran – unabhängig davon, wie ein Rechtsstreit am Ende für sie ausgeht.