Wo bleibt der Winter?
Bisher ist es eher warm als weiß. Für die Natur ist das aber kein Grund zur Sorge. Und der Schnee kann noch kommen, wahrscheinlich schon bald
Aichach Friedberg Die Temperaturen spielen Frühling und ans Schlittenfahren ist nicht zu denken. Vom Himmel fällt höchstens kalter Regen, nicht weicher Schnee. War das schon der Winter oder kommt er noch? Um das zu beantworten, sei es noch viel zu früh, meint der Meteorologe Klaus Hager. Denn den meisten Schnee gebe es für gewöhnlich erst im Februar. Das Thermometer zeigt aktuell nur ein Grad Celsius über dem saisonalen Durchschnitt an, nichts Außergewöhnliches also. Überhaupt, so Hager, seien in den vergangenen 15 Jahren die Temperaturen in dieser Jahreszeit nur leicht gestiegen. Und generell beginne der Winter inzwischen etwas später, dauere dann aber auch ein bisschen länger. Wer sich also jetzt schon freut, dass er dem Schneeräumen entronnen ist, sollte sich seiner Sache nicht allzu sicher sein und die Schaufel lieber griffbereit halten.
Stürme wie am Jahresanfang beunruhigen Hager nicht, sie seien in dieser Jahreszeit durchaus üblich. Das bestätigt Wolfgang Sailer, Leiter des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. „Unseren stabilen Wäldern werden sie nicht gefährlich“, fügt er hinzu. Trotz etwas Windbruch werde nicht mehr gefällt als sonst. Und während sich viele Menschen über Regen und Feuchtigkeit beschweren, freut sich Sailer: „Die Böden speichern das Wasser bis zum Frühling und bieten dann ausgezeichnete Voraussetzungen für die Bäume. So gestärkt sind sie zum Beispiel gut gegen den Borkenkäfer gewappnet, der 2016 so viel Schaden angerichtet hat.“Nur mit dem Fällen müsse man sich aktuell noch zurückhalten, erklärt Sailer, weil die schweren Maschinen am besten auf hart gefrorenem Untergrund fahren. Dann hinterlassen sie keine tiefen Furchen und verdichten den Boden nicht so sehr.
Auch der Kreisvorsitzende des Bayerischen Bauernverbands, Reinhard Herb, wünscht sich einige Wochen Frost. Denn ohne diesen über- stehen die ungeliebten Schädlinge den Winter allzu gut. Die Winterfeuchte hingegen lässt ihn ebenfalls sehr positiv auf das neue Jahr blicken, und Zeit für kaltes Wetter bleibt schließlich noch mehr als genug. Wintersorten wie Wintergerste und -weizen gedeihen problemlos, einer guten Ernte stehe nichts im Wege.
Die Pflanzenwelt genießt also ganz offensichtlich die bisher milde Jahreszeit. Doch auch die Tiere vermissen den Schnee nicht. Derzeit fänden zum Beispiel Vögel noch viel Nahrung auf den Feldern, weiß Gerhard Mayer vom Landesbund für Vogelschutz. Wer ein Futter- häuschen aufgestellt hat, muss auf den großen Andrang also noch etwas warten. Unbeeindruckt von den Klagen über einen zu warmen Winter, führt Mayer aus, seien aber die Zugvögel wie gewohnt in wärmere Gefilde entschwunden. Aus dem deutlich kälteren Nord- und Osteuropa hingegen wären bereits wie jedes Jahr einige Gastvögel eingetroffen, für die hier der Süden beginnt. „Gerade jetzt kann man zum Beispiel viele Saatkrähen auf den Äckern um Friedberg beobachten, die im April in den Osten zurückfliegen werden“, führt Mayer aus. Auch Bussarde habe er schon gesehen, die ebenfalls für ein paar Mo- nate dem frostigen Wetter ihrer Heimat entflohen sind.
Auf die Bienen, die in den vergangenen Jahren durch Insektizide und Milbenbefall viel gelitten haben, hat der laue Winter ebenfalls wenig Auswirkungen. Karl-Heinz Waldmüller, Vorsitzender des Imkervereins Friedberg, weiß, dass sie sich eher an Tageslänge und Sonnenstand orientieren als an der Temperatur.
Daher sind sie derzeit nur wenig aktiver als gewöhnlich. Sie verbrauchen zwar etwas mehr Futter, die Vorräte sollten aber dennoch ohne Hilfe des Imkers ausreichen. Auch die gefürchtete Varroamilbe macht Waldmüller aktuell wenig Sorgen: Sie vermehrt sich ausschließlich während der Brutzeit der Bienen und hat somit keinen Vorteil von den derzeitigen höheren Temperaturen.
Dauerhaft wärmeres Wetter könnte allenfalls jenen Tieren gefährlich werden, die einen Winterschlaf halten. Igel zum Beispiel laufen dann Gefahr aufzuwachen und verbrauchen dabei gefährlich viel von ihren Energiereserven. Zwar schlummern sie wieder ein, wenn es kälter wird. Ihr Winterspeck muss aber bis zum Frühjahr ausreichen. Erst dann finden sie wieder genügend Nahrung.