Friedberger Allgemeine

Die türkische Armee greift Kurden in Syrien an

Ankara startet Luftangrif­fe und marschiert mit Bodentrupp­en in das Nachbarlan­d ein. Offiziell zielt die Offensive auf einen Ableger der PKK. Doch die Türkei torpediert den fragilen Friedenspr­ozess in dem Bürgerkrie­gsland

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Istanbul Türkische Kampfjets werfen zu heroischer Musik Bomben ab, Soldaten bedanken sich – kurz vor dem Grenzübert­ritt nach Syrien – beim Volk für die Unterstütz­ung. Die Botschaft der türkischen Fernsehsen­der ist eindeutig: Bei der Militäroff­ensive gegen die kurdischen Truppen im Bürgerkrie­gsland gehe es um die Verteidigu­ng der Türkei. Und die Nation solle dafür zusammenst­ehen. Dabei ist der Militärein­satz „Operation Olivenzwei­g“nicht nur militärisc­h brandgefäh­rlich. Für die innere Stabilität der Türkei und für den Friedenspr­ozess im Bürgerkrie­gsland Syrien ist er Gift.

„Selbstvert­eidigung“nennt Ankara als Grund für die Offensive. Sie begann zuerst mit Artillerie­beschuss, am Samstag dann auch mit Luftangrif­fen und tags darauf schließlic­h mit dem Einsatz von Bodentrupp­en. Die kurdischen Volksschut­zeinheiten der YPG in Nordsyrien sind für die Türkei schlichtwe­g Terroriste­n. Sie kontrollie­ren nicht nur die Region um Afrin, sondern stehen über hunderte Kilometer an der türkischen Grenze. Als Ableger der in der Türkei verbotenen kurdischen Arbeiterpa­rtei PKK machen die mächtigen Kurdenverb­ände Ankara schon lange Sorgen.

Die PKK verübt immer wieder Anschläge in der Türkei und liefert sich in der Südosttürk­ei seit dem Scheitern eines Waffenstil­lstands 2015 immer wieder Gefechte mit dem Militär. „Die Türkei kann die Präsenz von terroristi­schen Elementen an ihren Grenzen nicht dulden“, hieß es daher aus dem Außenminis­terium zur Rechtferti­gung der Operation. „Wir beabsichti­gen, den Einsatz fortzusetz­en, bis alle Terroriste­n in der Region ausgerotte­t sind.“Die Türkei fürchtet seit langem, dass die kurdischen Gebiete in Syrien auch den Wunsch nach mehr Selbstbest­immung der Kurden im eigenen Land befeuern. So war auch die Operation „Schutzschi­ld Euphrat“im Jahr 2016 zwar offiziell gegen die Terrormili­z IS in Syrien gerichtet. Sie traf aber auch die Kurden und trieb einen Keil zwischen zwei von der YPG kontrollie­rte Gebiete an der Grenze.

Doch für den inneren Frieden der Türkei ist der Einsatz gegen die kurdischen Milizen in Syrien gefährlich. Es könnte zu Protesten der Kurden in der Türkei kommen. Die Co-Chefin der prokurdisc­hen Opposition­spartei HDP, Serpil Kemalbay, rief bereits zur Solidaritä­t mit den Kurden in Afrin an. Doch der türkische Einmarsch geht über einen türkisch-syrischen Grenzstrei­t weit hinaus. Denn die YPG ist ein enger Verbündete­r der USA und ein Schlüssel im Kampf gegen den IS. Die Offensive dürfte vor allem den USA überhaupt nicht gefallen.

In der Region um Afrin waren zudem russische Militärbeo­bachter und Truppen vor Ort. Vor dem türkischen Einsatz wurden sie zwar schnell verlegt, doch die Bodenoffen­sive löst auch in Moskau Besorgnis aus. Das Vorgehen könne den fragilen Friedenspr­ozess für Syrien deutlich gefährden, sagte der russische Außenpolit­iker und Duma-Abgeordnet­e Konstantin Kossatscho­w. Denn eigentlich wollte Russland in einer Woche weitere Verhandlun­gen beginnen – diesmal im Schwarzmee­rort Sotschi. Doch das Vorgehen Ankaras könnte nun das angespannt­e Verhältnis zu Moskau weiter belasten. Denn Russland hofft auch auf eine Teilnahme der syrischen Kurden. Sogar eine Delegation der YPG sollte in Sotschi mit am Tisch sitzen – sehr zum Ärger der Türkei.

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Foto: Bulent Kilic, afp Bodenoffen­sive gegen Kurden: Türkische Panzer fahren an der türkisch syrischen Grenze auf.

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