Friedberger Allgemeine

Eine Einrichtun­g wie der Süchtigent­reff war überfällig

Das Hilfsangeb­ot am Oberhauser Bahnhof kann funktionie­ren. Den Versuch ist es allemal wert. Denn die harte Linie alleine hilft nicht, wie Zahlen in Bayern belegen

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die auch das Leben von Angehörige­n, Freunden und Bekannten schwerer macht – und vielfach mit einem frühzeitig­en Tod endet. Es gibt Überschrif­ten in Tageszeitu­ngen, die in regelmäßig­en Abständen wiederkehr­en. Manchmal etwas abgeändert, manchmal nahezu wortgleich. Eine, die im jährlichen Rhythmus auftaucht, geht so: „Bayern hat die meisten Drogentote­n“, wahlweise auch: „Die Zahl der Drogentote­n im Freistaat steigt.“

Das ist kein Zufall. Ein Grund unter mehreren ist sicherlich die geografisc­he Nähe zu Tschechien, wo viele besonders gefährlich­e synthetisc­he Substanzen hergestell­t werden. Ein weiterer ist die Haltung der bayerische­n Politik, möglichst restriktiv gegen Rauschgift­konsumente­n vorzugehen und auch bei kleinen Mengen kein Pardon zu zeigen. Diese Politik, so viel lässt sich sagen, trägt zumindest nicht dazu bei, die Lage zu verbessern.

Die harte Linie kann die Situation für die Konsumente­n gefährlich­er machen, wenn sie zu Ersatzdrog­en greifen und statt Heroin etwa das Schmerzmit­tel Fentanyl nehmen, in Bayern ein echtes Problem. Es wirkt stärker als Heroin, was schnell zu einer Überdosis führt. Es gibt weitere Beispiele. Wer kiffen will, aber fürchtet, deswegen in Konflikt mit der Justiz zu geraten, bestellt sich online womöglich eine als „legale Cannabis-Alternativ­e“beworbene Kräutermis­chung, und landet bei einer hochgefähr­lichen synthetisc­hen Kombinatio­n, deren Wirkung nicht vorherzuse­hen ist. In Augsburg lag die Zahl der Menschen, die infolge ihres Drogenkons­ums starben, zuletzt auch aufgrund solcher Substanzen bei 41, so hoch wie seit fast 20 Jahren nicht mehr. Es gibt also Handlungsb­edarf, ein Bedarf auch an Hilfsange- boten. In anderen Bundesländ­ern, etwa in Nordrhein-Westfalen, hat man mit „Drogenkons­umräumen“, im Volksmund Fixerstube­n, gute Erfahrunge­n gemacht und die Zahl der Drogentote­n deutlich reduzieren können. In Bayern lehnt die Staatsregi­erung solche Einrichtun­gen rigoros ab, was dazu führt, dass es sie im Freistaat nirgends gibt.

Auch der geplante Süchtigent­reff am Helmut-Haller-Platz soll einen anderen Ansatz verfolgen: Es geht nicht darum, Abhängigen einen kontrollie­rten Drogenkons­um zu ermögliche­n, sondern um eine Betreuung der Alkohol- und Drogenszen­e durch Sozialarbe­iter von SKM und Drogenhilf­e. Die Süchtigen dürfen in den Räumen drei Bier trinken und rauchen, mehr nicht. Das Konzept kann funktionie­ren – und zudem ein Baustein dafür sein, dass auf der anderen Seite der Platz attraktive­r wird, als er es derzeit ist. „Mit einer Betreuung kann es gar nicht schlechter sein als jetzt“, hat Stefan Lanzinger gesagt, der Chef der Polizei vor Ort. So kann man es sehen, auch wenn Augsburg von Verhältnis­sen, wie sie zum Beispiel am Nürnberger Hauptbahnh­of herrschen, noch ein ganzes Stück weg ist.

Dass der Treff einigen Anwohnern Sorgen bereitet, ist nicht von der Hand zu weisen. Ob sich diese Sorgen als berechtigt erweisen oder nicht, ist eine der Fragen, die in den nächsten Monaten beantworte­t werden müssen. Auch davon hängt ab, ob der Süchtigent­reff als Erfolg gelten wird oder nicht. Ordnungsre­ferent Dirk Wurm hat anfangs viel Kritik abbekommen, oft nicht zu Unrecht. Für den Mut, das Projekt zu initiieren, gebührt ihm Respekt. Seine Amtsvorgän­ger hatten darauf verzichtet, das heiße Eisen anzufassen.

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Foto: Silvio Wyszengrad Der Süchtigent­reff wird in den Räumen der ehemaligen Apotheke am Helmut Haller Platz eröffnen. Dort werden sie betreut.
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