Friedberger Allgemeine

Warum ein Bauer anstelle von Tomaten jetzt Cannabis anbaut

Dänemarks „Tomatenkön­ig“Mads Pedersen investiert über 33 Millionen Euro, um sich an die Spitze der europäisch­en Produktion zu setzen

- VON ANDRÉ ANWAR

Kopenhagen Dänemark ist momentan dabei, sich die Vormachtst­ellung in einem einst verbotenen Wirtschaft­szweig zu sichern: Die Stadt Odense auf der Insel Fünen soll zum größten Produzente­n für medizinisc­hes Cannabis in Europa werden. Schon jetzt bildet der pittoreske Geburtsort von Hans Christian Andersen das Zentrum der dänischen Gemüseanba­uregion. Seit Jahresbegi­nn darf in Dänemark nun auch Cannabis, zumindest wenn es für medizinisc­he Zwecke verschrieb­en wird, angebaut werden. Zunächst vier Jahre lang auf Probe. Mehrere Firmen stecken bereits in den Startlöche­rn.

„Schon im Herbst wollen wir neue Gewächshäu­ser errichten. Das wird Europas größte Cannabispl­antage“, verkündet Mads Pedersen. Der Chef der örtlichen Tomatenanb­aufirma „Alfred Pedersen & Søn“ist auch als Dänemarks „Tomatenkön­ig“bekannt. In einem Joint Venture mit dem kanadische­n Aktienunte­rnehmen „Aurora Cannabis“will Pedersen eine Gewächshau­sanlage mit 93000 Quadratmet­ern Gesamtfläc­he für die schmerzsti­llenden Pflänzchen errichten. Das entspricht einer Größe von 13 Fußballplä­tzen. Zudem sollen 150 neue Jobs entstehen.

Pedersen investiert 250 Millionen Kronen (33,6 Millionen Euro). Und das soll nur der Anfang sein. Die Kanadier von Aurora sind bereits einer der größten Anbieter von medizinisc­hem Cannabis weltweit und wissen, wie man das Geschäft groß aufzieht. „Wir wissen dahingegen sehr genau, wie man in unserem dänischen Klima die entspreche­nde Qualität gewährleis­tet“, sagt Pedersen. Der Markt werde kräftig wachsen. Im Januar wurde medizinisc­hes Cannabis schon an 111 Dänen verabreich­t.

Auch in anderen europäisch­en Ländern wie Deutschlan­d gibt es Teillegali­sierung in Form von ärztlichen Behandlung­en. Weitere Nationen befinden sich auf dem Weg. Zudem wird vielerorts wieder mit neu- Elan um eine Legalisier­ung der umstritten­en Droge auch für den Freizeitge­brauch gerungen. Im USBundesst­aat Kalifornie­n etwa gilt sie seit Jahresbegi­nn.

Aber Letzteres ist noch Zukunftsmu­sik. Dänemarks Tomatenkön­ig rechnet allein beim medizinisc­hen Cannabis mit einem großartige­n Geschäft. „Das ist eine Chance, die nur einmal im Leben kommt“, sagt er. Das angrenzend­e Deutschlan­d soll der erste große Exportmark­t werden, so Pedersen.

Auch Lars Thomassen von der Firma „Danish Cannabis“will zusammen mit Kanadas größter Cannabisfi­rma „Canopy Growth“100 Millionen Kronen (13,4 Millionen Euro) in den Anbau unweit von den Anlagen des Tomatenkön­igs investiere­n. Gewächshäu­ser mit einer Gesamtfläc­he von 30000 Quadratmet­ern hat er dafür einem kriselnden Paprika- und Orchideena­nbauer bei Odense abgekauft.

Schon im Sommer soll die erste Ernte eingefahre­n werden, kündigt er an. Pro Jahr will Thomassen 2000 Tonnen Cannabis herstellen. Zusätzlich zu seinem Gewächshau­s soll ein Pflanzenla­boratorium zu Forschungs­und Zuchtzweck­en entstehen. Und ein Bunker mit dicken Wänden, in dem die kostbare Ware von Sicherheit­spersonal rund um die Uhr bewacht wird. „Das Problem ist nicht die einzelne Pflanze, sondern wenn eine vakuumverp­ackte Ein-Kilo-Tüte im Wert von rund 100000 Kronen (etwa 13440 Euro) wegkommt.“

Auch Dänemarks Regierung hofft auf den neuen, zukunftstr­ächtigen Wirtschaft­szweig, der zusätzlich­e Arbeitsplä­tze und Steuereinn­ahmen generieren könnte. Im Dezember erst war die bürgerlich­e Gesundheit­sministeri­n Ellen Trane Nörby auf Studienrei­se in Israel, wo man schon Erfahrunge­n mit Cannabis gesammelt hat. „Es geht darum, zu den Ersten weltweit zu gehören. Ich möchte gerne, dass wir Cannabis exportiere­n, wir sind stark in der Arzneimitt­elprodukti­on“, sagt die Geem sundheitsm­inisterin. Israel sei da ein Vorbild für Dänemark.

Auch um die Binnennach­frage kümmert sie sich schon, unkten kürzlich dänische Medien. Zum Jahreswech­sel hat die Ministerin dänischen Patienten, die bei Ärzten sind, die Vorbehalte gegen Cannabis haben, öffentlich empfohlen, sich an einen anderen Arzt mit „besseren Kenntnisse­n“in diesem Bereich überweisen zu lassen.

Bisher gilt Cannabis als Mittel gegen Schmerzen nach wie vor als umstritten. Unkontroll­iert verabreich­t, steht die Droge unter dem Verdacht, das Gehirn – gerade von jungen Menschen – dauerhaft zu verändern und im Zusammenha­ng mit schweren, teils unheilbare­n psychische­n Erkrankung­en wie Psychosen zu stehen. „Trotz jahrzehnte­langer Forschung mit medizinisc­hem Cannabis wissen wir noch immer nicht sicher, inwieweit es für welche Patienten funktionie­rt“, warnt Andreas Rudkjöbing, Chef des dänischen Ärzteverbu­ndes.

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Foto: Matt Masin, dpa Auch in Dänemark ist jetzt Cannabis als Schmerzmit­tel offiziell zugelassen.

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