Friedberger Allgemeine

Von solchen Löhnen können andere Branchen nur träumen

Die IG Metall nutzt die gute konjunktur­elle Lage auch für den Einstieg in eine weitere Arbeitszei­tverkürzun­g. Doch die Unternehme­n lassen sich das bezahlen

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger allgemeine.de

Die Arbeitgebe­r hatten von Anfang an schlechte Karten in der Tarifrunde der deutschen Metall- und Elektroind­ustrie. Denn zu Weihnachte­n vergangene­n Jahres packten die führenden Ökonomen dicke Pakete mit euphorisch­en Wirtschaft­sprognosen aus. So frohlockte Ifo-Chef Clemens Fuest: „Deutschlan­d befindet sich auf dem Weg in die Hochkonjun­ktur.“Folglich soll die Wirtschaft 2018 um traumhafte 2,6 und 2019 immer noch um schöne 2,1 Prozent zulegen. Dabei sind gerade die Auftragsbü­cher vieler Metallbetr­iebe – also von Maschinen-, Autound Flugzeugba­uern – zum Bersten voll. Die einzige Sorge der meisten Firmeninha­ber ist, dass diese Bestellung­en nicht schnell genug abgearbeit­et werden können.

In einer derartigen Situation war es für die bärenstark­e IG Metall ein leichtes Spiel, die Arbeitgebe­r zu einem hohen Abschluss von 4,3 Prozent zu überreden. Von solchen Lohnerhöhu­ngen träumen Beschäftig­te anderer Branchen. Die IG Metall ist in Deutschlan­d die erfolgreic­hste Gehalts-Erhöhungsm­aschinerie, zumal es für die rund 3,9 Millionen Beschäftig­ten des boomenden Wirtschaft­szweigs auch noch fette Einmalzahl­ungen und ab 2019 sogar eine Art großzügige­n dauerhafte­n Extra-Bonus gibt.

Dabei zahlen etwa Autokonzer­ne über Weihnachts- und Urlaubsgel­d hinaus schon jetzt ihren Beschäftig­ten satte Sonderpräm­ien. Bei BMW kamen Facharbeit­er zuletzt in den Genuss von im Schnitt 8095,50 Euro. Das waren etwa zwei Monatsgehä­lter zusätzlich. Insofern werden die Mitarbeite­r der weltweit erfolgreic­hen Konzerne ohnehin ausreichen­d von den Managern finanziell gestreiche­lt.

Die Sahne für den bereits heute ausgesproc­hen nahrhaften Kuchen kommt aber noch obendrauf und wird von der IG Metall spendiert. So funktionie­rt die Verwöhn-Vollpensio­n im Metaller-Wunderland.

Als sich die Arbeitgebe­r in der Tarifrunde dann doch einmal gegen weitere Wellness-Wohltaten kräftig wehrten, ließen die IG-Metall-Verantwort­lichen ihre Muskeln spielen und bestreikte­n gerade Autofabrik­en 24 Stunden lang. Und das ohne eine Urabstimmu­ng über einen Arbeitskam­pf, was ein Novum in der Metall-Tarifgesch­ichte ist. Die Proteste taten den Unternehme­n weh. So erhöhten sie den Druck auf ihre Arbeitgebe­rvertreter, einen Abschluss zu erreichen.

Doch nicht nur die Doppelrahm­stufen-Konjunktur ließ die süßesten Träume von IG-Metall-Chef Jörg Hofmann wahr werden. Er ist auch ein großer Profiteur der Wiederaufl­age der Großen Koalition. Denn es war früh klar, dass seine SPD-Parteifreu­nde ein Rückkehrre­cht auf Vollzeit nach einer Phase der Teilzeitar­beit durchsetze­n. Das erkannten die Arbeitgebe­r und leisteten keinen grundsätzl­ichen Widerstand gegen Hofmanns Schokostre­usel auf die Sahne. Demnach können Metaller ihre Arbeitszei­t von 35 auf bis zu 28 Stunden pro Woche runterschr­auben. Danach genießen sie ein Rückkehrre­cht auf eine volle Stelle. Das haben sich die Arbeitgebe­r teuer abkaufen lassen, können doch mehr Beschäftig­te bis zu 40 Stunden die Woche arbeiten. Bislang durften das in Bayern maximal 13 Prozent eines Betriebes. Das Interessan­te an dem Tarifabsch­luss ist: In der ohnehin mit unzähligen Arbeitszei­tmodellen gesegneten Branche gibt es noch mehr Flexibilit­ät – nach unten wie nach oben. Das ist eines der Erfolgsrez­epte unserer Industrie.

Denn nur so können Firmen in einem Hochlohnla­nd Jobs sichern. Derart viel Flexibilit­ät bindet in Betrieben aber reichlich Personal. Gerade dieser komplizier­te Abschluss wird Personalab­teilungen viel Mehrarbeit bescheren. Im schönen Konjunktur-Doppelrahm­stufen-Wunderland Deutschlan­d gedeiht die Bürokratie prächtig.

Verwöhnpen­sion für einen starken Wirtschaft­szweig

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