Friedberger Allgemeine

Darf die SPD abstimmen lassen?

Neumitglie­deransturm vor GroKo-Entscheid

- VON MICHAEL POHL

München In den Ortsverein­en der bayerische­n SPD müssen die Genossen kräftig neue Parteibüch­er nachbestel­len, so groß ist dieser Tage der Ansturm der Neumitglie­der: Vor dem Mitglieder­entscheid über die Große Koalition gingen 3390 Mitgliedsa­nträge ein, wie der bayerische SPD-Generalsek­retär Uli Grötsch am Dienstagab­end mitteilte. Binnen nur zwei Wochen legte die gesamte Mitglieder­zahl damit um mehr als fünf Prozent zu.

SPD-Sprecher Vangelis Parasidis glaubt allerdings nicht, dass der Ansturm vor allem auf die Juso-Kampagne „Tritt ein, sag nein!“zurückgehe. Gut 70 Prozent der Antragstel­ler seien zwischen 30 und 60 Jahre alt, sagt er, weitere 15 Prozent Rentner, also fern des Juso-Alters. „Wir gehen auch nicht davon aus, dass vor allem Gegner der Großen Koalition beitreten, sondern auch Befürworte­r.“Angesichts der Zahl von jetzt 62 122 Mitglieder­n der Bayern-SPD sei der Einfluss der Neuen ohnehin überschaub­ar.

Andere SPD-Landesverb­ände freuen sich über ähnliche Zahlen. Vor vier Jahren blieben bei einer vergleichb­aren Eintrittsw­elle 90 Prozent der Neugenosse­n der Partei treu. Andernorts wird der Mitglieder­entscheid sehr kritisch verfolgt: Warum dürfen exakt 463723 Menschen – diese Zahl gab am Dienstagab­end SPD-Generalsek­retär Lars Klingbeil bekannt – allein über das Schicksal der künftigen Bundesregi­erung entscheide­n? Vor dem Bundesverf­assungsger­icht gingen fünf Anträge gegen das SPD-Vorgehen ein, wie ein Gerichtssp­recher bestätigte. Unter anderem wird bemängelt, dass der Mitglieder­entscheid gegen die Gewissensf­reiheit der Bundestags­abgeordnet­en verstoße.

Den Klagen werden kaum Chancen eingeräumt. Schon als die SPD 2013 ihre Basis über die damalige Große Koalition abstimmen ließ, schalteten Kritiker das Verfassung­sgericht ein: Die Karlsruher Richter gaben dem Mitglieder­entscheid aber ausdrückli­ch ihren höchstrich­terlichen Segen: „Die politische Einbindung des Abgeordnet­en in Partei und Fraktion ist verfassung­srechtlich erlaubt und gewollt“, hieß es in der Begründung. Schließlic­h genießen im Grundgeset­z auch die Parteien Verfassung­srang „bei der politische­n Willensbil­dung des Volkes“.

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