Darf die SPD abstimmen lassen?
Neumitgliederansturm vor GroKo-Entscheid
München In den Ortsvereinen der bayerischen SPD müssen die Genossen kräftig neue Parteibücher nachbestellen, so groß ist dieser Tage der Ansturm der Neumitglieder: Vor dem Mitgliederentscheid über die Große Koalition gingen 3390 Mitgliedsanträge ein, wie der bayerische SPD-Generalsekretär Uli Grötsch am Dienstagabend mitteilte. Binnen nur zwei Wochen legte die gesamte Mitgliederzahl damit um mehr als fünf Prozent zu.
SPD-Sprecher Vangelis Parasidis glaubt allerdings nicht, dass der Ansturm vor allem auf die Juso-Kampagne „Tritt ein, sag nein!“zurückgehe. Gut 70 Prozent der Antragsteller seien zwischen 30 und 60 Jahre alt, sagt er, weitere 15 Prozent Rentner, also fern des Juso-Alters. „Wir gehen auch nicht davon aus, dass vor allem Gegner der Großen Koalition beitreten, sondern auch Befürworter.“Angesichts der Zahl von jetzt 62 122 Mitgliedern der Bayern-SPD sei der Einfluss der Neuen ohnehin überschaubar.
Andere SPD-Landesverbände freuen sich über ähnliche Zahlen. Vor vier Jahren blieben bei einer vergleichbaren Eintrittswelle 90 Prozent der Neugenossen der Partei treu. Andernorts wird der Mitgliederentscheid sehr kritisch verfolgt: Warum dürfen exakt 463723 Menschen – diese Zahl gab am Dienstagabend SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil bekannt – allein über das Schicksal der künftigen Bundesregierung entscheiden? Vor dem Bundesverfassungsgericht gingen fünf Anträge gegen das SPD-Vorgehen ein, wie ein Gerichtssprecher bestätigte. Unter anderem wird bemängelt, dass der Mitgliederentscheid gegen die Gewissensfreiheit der Bundestagsabgeordneten verstoße.
Den Klagen werden kaum Chancen eingeräumt. Schon als die SPD 2013 ihre Basis über die damalige Große Koalition abstimmen ließ, schalteten Kritiker das Verfassungsgericht ein: Die Karlsruher Richter gaben dem Mitgliederentscheid aber ausdrücklich ihren höchstrichterlichen Segen: „Die politische Einbindung des Abgeordneten in Partei und Fraktion ist verfassungsrechtlich erlaubt und gewollt“, hieß es in der Begründung. Schließlich genießen im Grundgesetz auch die Parteien Verfassungsrang „bei der politischen Willensbildung des Volkes“.