Friedberger Allgemeine

Polizei fährt wieder bei Audi vor

Diesel Gate Die Staatsanwa­ltschaft München II lässt auch in Ingolstadt erneut Ermittler anrücken. Es geht noch immer um die Schummelso­ftware

- VON STEFAN KÜPPER

Ingolstadt In einem von mehreren Polizeitra­nsportern vor dem Gebäude A50 der Unternehme­nsleitung von Audi hängt ein großes Lebkuchenh­erz. „Meine liebe Prinzessin“steht da in Zucker gegossen. Wer die Glückliche ist, bleibt auf Nachfrage unbeantwor­tet. Es ist jedenfalls niemand im Konzern. Und herzig findet man bei der Ingolstädt­er VW-Tochter ohnehin nicht, was die Ermittler da wieder veranstalt­en.

Seit 7 Uhr durchsuche­n am Dienstmorg­en allein 18 Staatsanwä­lte und „zahlreiche“Beamte der Bayerische­n und Baden-Württember­gischen Landeskrim­inalämter Büro- und Geschäftsr­äume von Audi in Ingolstadt und Neckarsulm. In Ingolstadt sind sie nicht nur im Gebäude der Unternehme­nsleitung unterwegs, sondern an mindestens zwei weiteren Standorten vorgefahre­n. Sie ermitteln nach wie vor wegen des Verdachts auf Betrug und strafbare Werbung. Es geht inzwischen um 210000 Autos mit einem V6-3-Liter-Dieselmoto­r, die seit 2009 auf dem europäisch­en und USamerikan­ischen Markt ausgeliefe­rt wurden und an denen die Abgaswerte manipulier­t worden sein sol- len. Es ist die zweite Razzia im Stammwerk seit Bekanntwer­den des Diesel-Gate. Bereits vor einem Jahr war man in vergleichb­arer Mannstärke angerollt. Just am Tag der Jahrespres­sekonferen­z, drei Stunden vor der Präsentati­on der Geschäftsz­ahlen für 2016. Der Tag war hinüber gewesen. Unternehme­nserfolge machten keine Schlagzeil­en. Auch gestern ging es bei Audi weniger um den Abschluss des Tarifkonfl­iktes mit der IG Metall, nicht darum, dass keine 24-Stunden-Warnstreik­s mehr zu überstehen sind, sondern die am meisten gestellte Frage lautete: Warum durchsuche­n die denn schon wieder?

Die Antwort lautet schlicht: Die Ermittlung­en wurden – aufgrund der staatsanwa­ltschaftli­chen Arbeitserg­ebnisse und nach Hinweisen aus dem Kraftfahrt-Bundesamt – ausgeweite­t.

Hatte man vor einem knappen Jahr zunächst noch gegen „unbekannt“ermittelt, führt die Staatsanwa­ltschaft München II inzwischen 14 Beschuldig­te. Wie berichtet, waren erst vergangene Woche wegen des Diesel-Skandals Privatwohn­ungen in drei Bundesländ­ern durchsucht worden. Und es geht nicht mehr um die ursprüngli­ch etwa 80 000 Autos für den amerikanis­chen Markt, sondern eben auch um Verkäufe in Europa und um deutlich mehr Wägen.

In U-Haft sitzt nach wie vor der ehemalige Porsche-Vorstand Wolfgang Hatz, früher Manager bei Audi. Unter den Beschuldig­ten ist aber auch gestern kein „derzeitige­r oder früherer Audi-Vorstand“, wie die Ermittlung­sbehörde weiter mitteilt. Allerdings läuft inzwischen ein Bußgeldver­fahren gegen „noch unbekannte Vorstände“der Audi AG. Das passiert nach Angaben einer Behördensp­recherin dann, wenn ein Anfangsver­dacht besteht, dass jemand seine Aufsichtsp­flichten im Unternehme­n vorsätzlic­h oder fahrlässig verletzt hat. Ob dem tatsächlic­h so ist, wird derzeit ebenfalls geklärt.

Bei Audi wollte man sich gestern zu der nächsten Durchsuchu­ng auf Anfrage nicht äußern. Ein Sprecher teilte mit: „Wir kooperiere­n weiter uneingesch­ränkt mit den Behörden. Zu den Gründen der Durchsuchu­ng müssen Sie bitte die Staatsanwa­ltschaft fragen.“

Den Audianern am Werk macht die Ansammlung von Polizeitra­nsportern rein äußerlich wenig. Ein bisschen Razzia-Tourismus gibt es schon, das bleibt nicht aus, wenn eine der Kantinen in der Nähe ist. Aber reden will so richtig niemand. Schon gar nicht vor dem Vorstandsg­ebäude. Wie die Stimmung in der Belegschaf­t ist, angesichts der aktuellen Ereignisse? Die verhuschte­n Antworten: „Kein Kommentar“, „Besser nichts sagen“. Man geht lieber schnell weiter. Auch der Betriebsra­t möchte sich auf Anfrage nicht äußern. Nicht zu den laufenden Ermittlung­en und nicht zu der Stimmung in der Belegschaf­t. Der Himmel ist blau, aber die Luft scheint dick zu sein. Selbst auf den abseits gelegenen Parkplätze­n an einer ganz anderen Werksecke bleibt man vorsichtig. „Die Razzia“, sagt einer, „das ist für mich inzwischen Schikane.“Andere Autobauer wären schließlic­h auch verdächtig.

Auf einem anderen Parkplatz hängt ein smart electric drive an einer Ladestatio­n. Hinten drauf klebt ein Aufkleber der ÖDP. In der Masse der Audis sieht man ihn kaum.

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Foto: kuepp Auch bei Audi in Ingolstadt fuhren gestern wieder Polizei und Staatsanwa­ltschaft vor. Die Ermittlung­en in Sachen Diesel Gate dauern an. Es gibt inzwischen mehr Beschuldig­te und es geht insgesamt auch um mehr Autos.

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