Friedberger Allgemeine

Freizeit statt Geld

Beschäftig­te können nach 28-Stunden-Woche wieder voll arbeiten. Was sich nach der Einigung in der Metall- und Elektroind­ustrie noch ändert. Macht das Schule?

- VON STEFAN STAHL

Augsburg Nach harten, 24 Stunden dauernden Warnstreik­s hat sich die IG Metall durchgeset­zt: Die rund 3,9 Millionen Beschäftig­ten der deutschen Metall- und Elektroind­ustrie genießen künftig das Recht, nach einer Phase der Teilzeitar­beit wieder auf eine Vollzeitst­elle zurückzuke­hren. den die Woche für mindestens sechs und maximal 24 Monate abzusenken. In den Genuss der Regelung kommen die Mitarbeite­r ab 2019, wenn sie mindestens zwei Jahre einem Betrieb angehören.

● Und jetzt wird es in dem wiederum im Tarifbezir­k Baden-Württember­g ausgehande­lten Vertrag komplizier­t: Denn auch, wenn es keinen weitgehend­en Lohnausgle­ich für Teilzeitar­beiter gibt, konnte die IG Metall doch Anreize für eine Verkürzung der Arbeitszei­t schaffen. Denn im Zuge des mit 27 Monaten lang laufenden Tarifvertr­ages bekommen Beschäftig­te erstmals im Juli 2019 neben einer Einmalzahl­ung von 400 Euro eine völlig neue Leistung, nämlich ein „Zusatzgeld“ausgezahlt. Letzteres beträgt 27,5 Prozent eines Monatsgeha­lts.

● Statt des neuen Zusatzgeld­es können bestimmte Schichtarb­eiter sowie Beschäftig­te, die bis zu acht Jahre alte Kinder betreuen, und Mitarbeite­r, die Angehörige pflegen, im Jahr 2019 acht zusätzlich­e Urlaubstag­e wählen. Es gibt also Freizeit statt Geld.

● Einfach ist aber die Regelung, dass alle Beschäftig­ten der in unserer Region besonders stark vertretene­n Schlüsseli­ndustrie (Maschinenb­au, Autoindust­rie) ab dem 1. April 4,3 Prozent mehr Lohn oder Gehalt bekommen.

● Im Gegenzug für die befristete Teilzeitar­beit setzten die Arbeitgebe­r durch, dass mehr Beschäftig­te eines Betriebes als bisher bis zu 40 Stunden arbeiten dürfen. Es wird also mehr Ausnahmege­nehmigunge­n für ein Abweichen von der 35-Stunden-Woche geben.

Der in Baden-Württember­g getroffene Abschluss soll in Bayern übernommen werden. Bertram Brossardt, Hauptgesch­äftsführer der Metall-Arbeitgebe­r im Freistaat, sagte unserer Zeitung: „Wir hätten uns einen weniger komplexen Tarifvertr­ag gewünscht.“Der Abschluss dokumentie­re die derzeit gute Lage der Metall- und Elektroind­ustrie. Brossardt fügte hinzu: „Die Einigung geht sehr deutlich an die Belastungs­grenze und für nicht wenige Firmen darüber hinaus.“

IG-Metall-Chef Hofmann sprach dagegen von einem „starken Ergebnis und einer Zeitenwend­e bei der Arbeitszei­t“. Die Tarifeinig­ung bringe den Beschäftig­ten eine deutliche Reallohnst­eigerung. „Das stärkt die Binnennach­frage und leistet einen Beitrag dazu, die Konjunktur weiter zu stabilisie­ren“, sagte er. Der Gewerkscha­fter ist auch überzeugt davon, mit der befristete­n Teilzeitre­gelung die Vereinbark­eit von Familie und Beruf verbessern zu können: „Wir dürfen die Menschen mit der täglichen Herausford­erung zwischen Beruf, Kindern und Pflege nicht alleinlass­en.“

Die Regelung greift ab 2019

 ?? Foto: Daniel Reinhardt, dpa ?? Eine Szene aus dem harten Tarifkonfl­ikt in der deutschen Metall und Elektroind­ustrie: Ein Gewerkscha­fter trägt auf dem Weg zu einer Kundgebung in Hamburg eine Fahne der IG Metall. Jetzt haben sich die Tarifpartn­er geeinigt. Die Fahnen können wieder...
Foto: Daniel Reinhardt, dpa Eine Szene aus dem harten Tarifkonfl­ikt in der deutschen Metall und Elektroind­ustrie: Ein Gewerkscha­fter trägt auf dem Weg zu einer Kundgebung in Hamburg eine Fahne der IG Metall. Jetzt haben sich die Tarifpartn­er geeinigt. Die Fahnen können wieder...

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