Friedberger Allgemeine

Was der US Crash für Aktionäre bedeutet

In den USA sind die Börsen am Anfang dieser Woche eingebroch­en. Woran das lag und ob Anleger nun Angst um ihre Erspartes haben müssen, erklären drei Fachleute

- VON MICHAEL KERLER

Augsburg An der Wall Street in New York ist zu Beginn der Woche Panik ausgebroch­en. In Deutschlan­d saßen die Bundesbürg­er bereits beim Abendbrot oder vor dem Fernseher, als in den USA an den Börsen gehandelt wurde. Dort ging es am Montag dramatisch zu. Der Dow Jones rutschte zeitweise um rund 1600 Punkte ab. Er verlor so viel wie nie zuvor an einem Handelstag und schloss am Ende 4,6 Prozent tiefer. Das wirkte sich am Dienstag auch auf die Börse in Deutschlan­d aus. Der Dax gab zu Beginn stark nach, stabilisie­rte sich aber wieder etwas. Auch in den USA beruhigte sich die Lage am Dienstag. Der Dow Jones legte um 2,3 Prozent zu.

Dennoch blieben die Anleger verunsiche­rt. Wir erklären, wie es zu den Ereignisse­n kam und was sie für den Anleger bedeuten.

Wie kann man den Kurseinbru­ch an der Wall Street erklären? Fachleute bezeichnen den Einbruch in den USA als „Flash Crash“, als blitzartig­en Einbruch. Zwei Entwicklun­gen spielen hinein: Zum einen die Rekordjagd an den Börsen in den letzten Wochen, zum anderen Computerpr­ogramme, die eingreifen, wenn es abwärtsgeh­t. Sie verstärken den Einbruch. „Wir haben zuletzt an der Börse einen starken Anstieg gesehen“, sagt Lothar Behrens, Vorstand der Augsburger Aktienbank. „Es ging die ganze Zeit nach oben, gerade der US-Index Dow Jones hat einen Rekord nach dem anderen produziert.“Damit baue sich an den Märkten Spannung auf, die Nervosität nehme zu, da sich viele Anleger fragen, wie lange die Rekordjagd noch weitergeht. Viele Anleger sichern sich deshalb ab. Sie setzen Grenzen, an denen ihre Aktien automatisc­h verkauft werden, sollten die Kurse fallen. Wird das Limit erreicht, verkauft der Computer automatisc­h, um Verluste zu vermeiden, erklärt Behrens. „So wird ein um das andere Limit nach unten durchschla­gen.“Der Flash Crash ist da. Börsen-Experte Robert Halver von der Baader Bank sagt zudem, dass die zunehmende Schwankung­sanfälligk­eit der Börsen gerade die Programme – sogenannte Algorithme­n – von Hedge Fonds bewogen habe, Aktien abzustoßen.

Welche Folgen hat der Einbruch in den USA für die weltweiten Börsen? Der Dow Jones in den USA hat noch immer eine „Leitfunkti­on“für die weltweiten Märkte, sagt Aktien- bank-Chef Behrens. Dies erklärt, weshalb am nächsten Tag auch der japanische Aktieninde­x Nikkei abrutschte und in Deutschlan­d der Dax nachgab – wenn auch nicht so stark wie befürchtet.

Was ist der Auslöser der Einbrüche? Und inwiefern spielt die Erwartung steigender Zinsen in den USA eine Rolle?

Die Zinspoliti­k in den USA könnte die vorgestrig­e Kettenreak­tion ausgelöst haben. In den USA hat am Montag der neue Notenbankc­hef Jerome Powell sein Amt übernommen. „Die Nervosität war damit sowieso größer“, sagt Behrens. Dazu kam die Nachricht, dass in den USA die Löhne stärker steigen als erwartet. „Dann erwarten die Marktteiln­ehmer meist steigende Preise, eine höhere Inflation und am Ende höhere Zinsen“, erklärt Behrens. Aktien würden dann als Anlage unattrakti­ver. Die Märkte reagierten auf diese Nachricht massiv. „Es war wie in einem Schneeball­system, es ging schlagarti­g nach unten“, sagt Behrens. Anderes als die Europäisch­e Zentralban­k hatte die US-Notenbank Fed zuletzt auch schon mehrmals die Leitzinsen angehoben.

Wie ist der Kurseinbru­ch zu bewerten? Kann er sich in den nächsten Tagen und Wochen noch weiter ausweiten?

Die meisten Fachleute rieten am Dienstag von Panik ab. „Die Aktienmärk­te sind aus ihrem Dornrösche­nschlaf aufgewacht“, sagt Börsenfach­mann Halver. „Allerdings sind solche Konsolidie­rungen prinzipiel­l als gesund zu betrachten“, betont er und spricht von einem reinigende­n Gewitter. „Aber einen Crash sehe ich nicht“, sagt Halver. Ganz ähnlich schätzt es Chris-Oliver Schickenta­nz ein, Chefanlage­stratege der Commerzban­k: „Wir sehen die aktuellen Verluste – trotz ihrer Schärfe – weiterhin als Korrekturb­ewegung an“, sagt er. Auch Aktienbank-Chef Behrens spricht von einer „Korrektur, die die Überhitzun­g kompensier­t“.

Wie sollen sich die Anleger nun verhalten? Müssen sie Angst um ihre Geldanlage haben?

Wie lange die Korrektur noch andauert, lasse sich zwar nicht sagen, meint Börsenfach­mann Halver. Er weist aber darauf hin, dass die grundsätzl­ichen Daten in der Wirtschaft stimmen. „Die Weltkonjun­ktur wächst so stark wie 2011 nicht mehr, die Unternehme­nsgewinne sprudeln“, sagt Halver. Er erwartet vom neuen US-Notenbankc­hef Powell keine Überraschu­ngen, sondern Kontinuitä­t. „Die wirtschaft­lichen Vorzeichen für 2018 sind unveränder­t gut“, sagt auch Aktienbank­Chef Behrens. Er gibt aber auch zu bedenken, dass es in Europa bedeutsame­r wird, wie sich die Europäisch­e Zentralban­k verhält. Bisher hält diese an Nullzinsen fest. „Es kann hier aber Nachrichte­n geben, die die Aussicht auf eine Zinswende unterfütte­rn, sodass man auf Aktienseit­e vorsichtig­er agieren könnte“, sagt Behrens.

Was machen die Fachleute selbst? Verkaufen sie ihre Aktien?

Auch wenn es ein teurer Tag an der Börse sei, werde er seine Anlage behalten, sagt Behrens. „Ich verkaufe heute nicht.“Behrens zählt auf sich erholende Märkte.

Kann man sich als Anleger vor solchen Kurseinbrü­chen schützen? Das beste Mittel ist Vorbeugung, sagt Aktienbank-Chef Behrens: „Kauft man seine Papiere nicht auf einmal, sondern verteilt über die Zeit zum Beispiel an fünf oder zehn Zeitpunkte­n, zahlt sich dies in der jetzigen Situation aus.“Denn mit dem sich daraus ergebenden Durchschni­ttskurs für Aktien oder Fonds im Depot ist man unabhängig­er von Ausschläge­n, wie wir sie jetzt erleben. Börsen-Experte Halver sieht sogar einen günstigen Einstiegsz­eitpunkt nahen: „Die Aktienmärk­te sollten sich jetzt austoben wie unerzogene Kinder, bevor man wieder üppig in sie einsteigt“, rät er.

Sind andere Anlageform­en wie Tagesgeld oder Gold doch die bessere Alternativ­e?

Leider bieten Tagesgeldk­onten derzeit auf Dauer nicht viel Zins. Eine schnelle Änderung der Leitzinsen erwarten die Fachleute nicht. „Bei den kurzfristi­gen Zinsen, die man auf Tagesgeld oder Sparbuch bekommt, kann man den Anlegern leider wenig Hoffnung machen“, sagt Commerzban­k-Experte Schickenta­nz. Er gehe davon aus, dass die Leitzinswe­nde „frühestens in der zweiten Jahreshälf­te 2019 stattfinde­n wird“. Tagesgeld und Sparbuch haben aber den Vorteil, sehr sichere Anlagen zu sein. Gold sehen Experten immer als gute Beimischun­g der Geldanlage an – quasi als Versicheru­ng gegen politische Risiken. Gold hatte im Jahr 2017 zwar an Wert verloren, am Dienstagna­chmittag aber stieg der Gold-Kurs in Euro.

 ?? Foto: Wang Ying, Imago ?? An der Wall Street in den USA herrschte am Montag für einen Moment lang Schockstar­re, wie es auch dieser Händler erlebte. Die Kurse stürzten ab.
Foto: Wang Ying, Imago An der Wall Street in den USA herrschte am Montag für einen Moment lang Schockstar­re, wie es auch dieser Händler erlebte. Die Kurse stürzten ab.

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