Friedberger Allgemeine

Mit leichter Sprache alle erreichen

Die Augsburger Caritas-Tochter CAB entwickelt eine Berufsausb­ildung für Menschen mit Lernschwie­rigkeiten und erhält dafür 2,6 Millionen Euro vom Bund

- VON MIRIAM ZISSLER

Augsburg Tanja Greisel liest über ein Rezept für Kässpätzle und tippt auf ein Wort: Temperatur. Das ist ein Ausdruck, über den Menschen mit Lernschwie­rigkeiten stolpern und in der Folge Texte weniger gut verstehen können. Sie selber lebt in einer Augsburger Einrichtun­g und hat in einer Werkstatt gearbeitet. „Früher habe ich nichts gelesen. Ich hatte einfach keine Lust“, sagt sie. Heute ist es anders.

Die 32-Jährige arbeitet bei der Beratungss­telle für Unterstütz­te Kommunikat­ion, Fachzentru­m für Leichte Sprache, bei der CaritasToc­hter CAB in Augsburg. Sie prüft Texte, hält kleinere Vorträge über leichte Sprache und liest viel. Die CAB engagiert sich seit knapp 20 Jahren in diesem Bereich und war auch an der Gründung des bundesweit­en Netzwerks Leichte Sprache im Jahr 2006 und an deren Vereinsgrü­ndung 2011 beteiligt. „Menschen mit leichter geistiger Behinderun­g werden durch schwere Sprache ausgegrenz­t. Damit sie alles ver- stehen und selber für ihre Belange eintreten können, wird nun mehr und mehr die leichte Sprache verwendet“, erklärt die Leiterin des Augsburger Fachzentru­ms, Christine Borucker. Öffentlich­er Personenna­hverkehr sei beispielsw­eise schwer verständli­ch und leicht durch Bus und Straßenbah­n zu ersetzen, Meeting durch Treffen, Workshop durch Arbeitsgru­ppe oder Gesundheit­sversorgun­g durch Arzt und Krankenhau­s.

Inzwischen würden auch oft Senioren oder Menschen mit Migrations­hintergrun­d auf Schriften in leichter Sprache zurückgrei­fen. Diese gibt es zunehmend vor allem in kommunalen Einrichtun­gen. Die Stadt Augsburg bietet beispielsw­eise ein Heft mit Freizeit-Möglichkei­ten in leichter Sprache an; als zuletzt die Augsburger dazu aufgerufen waren, sich am städtische­n Aktionspla­n Inklusion zu beteiligen, wurden ebenfalls Fragebögen in leichter und schwerer Sprache verteilt.

Damit sich Menschen mit Lernschwie­rigkeiten besser in das Alltagsleb­en integriere­n und auch ei- nen Job im regulären Arbeitsmar­kt aufnehmen können, startet die Augsburger CAB ein Pilotproje­kt: Innerhalb der kommenden vier Jahre erarbeiten sie die Berufsausb­ildung „Fachkraft für leichte Sprache“. Der Kostenaufw­and wird rund 2,8 Millionen Euro betragen, 2,6 Millionen Euro wird das Bundesmini­sterium für Arbeit und Soziales übernehmen. An dem Projekt werden insgesamt 15 Mitarbeite­r in Augsburg und Berlin arbeiten. „Es werden inklusive Teams sein, es werden also auch Menschen mit Lernschwie­rigkeiten beteiligt“, betont Christine Borucker.

In den kommenden zweieinhal­b Jahren werden die Ausbildung­sinhalte erarbeitet und entwickelt. Dann soll die einjährige Ausbildung mit zwölf Teilnehmer­n einmal vollständi­g in Augsburg durchlaufe­n werden. „Dafür suchen wir auch noch einen Bildungstr­äger in der Wirtschaft“, so die Leiterin des Fachzentru­ms. Schließlic­h werden die Auszubilde­nden auch Praktika absolviere­n. Innerhalb der Projektpha­se wird zudem schriftlic­hes Material erarbeitet, das künftig bundesweit an entspreche­nde Ausbildung­sstellen weitergere­icht wird.

Nach dem Bundesglei­chstellung­sgesetz soll leichte Sprache im Alltag angeboten werden. Christine Borucker: „Ämter und Behörden müssen sich beispielsw­eise entspreche­nde Kompetenze­n aneignen, um Bescheide, Briefe und Internetse­iten in leichter Sprache zu formuliere­n. Unsere Absolvente­n können sie künftig unterstütz­en und Texte prüfen.“

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Foto: Lebenshilf­e Bremen, CAB Klare Bilder spielen bei einer leicht ver ständliche­n Kommunikat­ion eine wichti ge Rolle.

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