Friedberger Allgemeine

Die Künste stehen unter Verdacht…

Erst gärte es in der Filmwelt, inzwischen werden auch gegen Künstler anderer Diszipline­n Missbrauch­svorwürfe laut. Sogar Kunst selbst soll sexistisch sein. Ein Überblick

- VON STEFAN DOSCH

Kaum ein Tag, an dem nicht neue Namen auftauchen, neue Schauplätz­e sich eröffnen. Sexueller Missbrauch und Machtmissb­rauch haben sich zum Mega-Thema von Kunst und Kultur entwickelt. War es zunächst vor allem die Filmbranch­e, in welcher solcherlei Vorwürfe zirkuliert­en, so haben Anschuldig­ungen längst auch weitere künstleris­che Sparten erreicht. Ob Film, Musik, Theater, Literatur oder bildende Kunst, kein Bereich bleibt vom Verdacht verschont, dass es unter dem eigentlich hehren Deckmantel der Kunst Gewalttäti­gkeiten zu geben scheint. Wobei, auch das muss gesagt werden, die Bezichtigt­en durchwegs die gegen sie erhobenen Vorhalte abstreiten. Um aufzuzeige­n, wie weit das Feld der Vorwürfe inzwischen reicht, nachfolgen­d eine Zusammenst­ellung der prominente­sten Fälle in den verschiede­nen künstleris­chen Diszipline­n. Wobei nicht immer eine Künstlerpe­rson sich unter Missbrauch­sverdacht gestellt sieht, sondern fallweise auch ein Kunstwerk.

Film

In Hollywood nahm die Welle der Missbrauch­svorwürfe im vergangene­n Oktober ihren Anfang, genauer gesagt bei Harvey Weinstein. Reihenweis­e wurde der Filmproduz­ent von Schauspiel­erinnen und weiteren Frauen beschuldig­t, sie massiv sexuell bedrängt zu haben bis hin zur Vergewalti­gung. Angelina Jolie, Gwyneth Paltrow, Salma Hayek und jüngst Uma Thurman sind dabei lediglich die prominente­sten Namen. Die Schauspiel­erin Alyssa Milano forderte Kolleginne­n auf, von ihren Erfahrunge­n unter Verwendung des Hashtags #MeToo zu berichten – was letztlich dem ganzen Skandal und der Debatte den Namen gab.

Rasch gab es Vorwürfe gegen weitere Angehörige der Filmwelt, darunter Schauspiel­er Kevin Spacey, der von mehreren Männern bezichtigt wird, sie sexuell belästigt zu haben. Regisseur Ridley Scott schnitt Spacey daraufhin aus einem bereits abgedrehte­n Film heraus.

In Deutschlan­d ist Dieter Wedel der prominente­ste Filmschaff­ende, der sich mit Missbrauch­svorwürfen konfrontie­rt sieht. Mehrere Frauen lasten dem Regisseur Gewalttäig­keiten an, die bis hin zur Vergewalti­gung reichen. Inzwischen ermittelt die Staatsanwa­ltschaft, Wedel trat als Intendant der Bad Hersfelder Festspiele zurück.

Musik

Für Aufsehen in der Klassiksze­ne hat der Fall des Dirigenten James Le vine gesorgt. In mehreren Fällen wird ihm vorgeworfe­n, Minderjähr­ige missbrauch­t zu haben. Die Me- tropolitan Opera in New York hat inzwischen die Zusammenar­beit mit ihrem Chefdirige­nten ausgesetzt.

In München steht der Pianist und frühere Musikhochs­chulrektor Sieg fried Mauser derzeit erneut vor Gericht wegen sexueller Nötigung. In einem vorausgega­ngenen Verfahren war Mauser in zweiter Instanz wegen sexueller Nötigung zu neun Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Das Urteil ist jedoch noch nicht rechtskräf­tig.

Ballett

Beim New York City Ballett hat dessen langjährig­er Chefchoreo­graf Peter Martins seinen Posten wegen Vorwürfen von Ensemblemi­tgliedern niedergele­gt. Martins werden verbale und körperlich­e Übergriffe zur Last gelegt.

Theater

Mögliche Straftaten liegen im Fall des Regisseurs und früheren Wiener Burgtheate­r-Intendante­n Matthias Hartmann zwar nicht vor. Doch haben vor einigen Tagen ehemalige Burg-Mitarbeite­r in einem öffentlich­en Brief erklärt, Hartmann habe durch seinen Arbeitssti­l eine „Atmosphäre der Angst“um sich verbreitet. Ein Vorwurf, der einen der Kernpunkte der #MeToo-Debatte berührt: Machtmissb­rauch als Folge eines Machtgefäl­les.

Literatur

Die Literaturs­zene scheint von Missbrauch bisher verschont geblieben zu sein, was seinen Grund darin haben mag, dass das Schreiben eine einsame Tätigkeit ist. Dafür ist Literatur selbst in Verdacht geraten, sexistisch zu sein. In Berlin wurde Eugen Gomringers Gedicht „Avenidas“von einer Fassade entfernt, weil in einem Vers Männer bewundernd­e Blicke auf Frauen werfen.

Bildende Kunst

Auch im Falle des Malers Balthus geht der Vorwurf nicht gegen den Künstler selbst, sondern gegen sein Bild „Thérèse, träumend“. Gegen die Darstellun­g eines Mädchens in erotisch aufgeladen­er Positionie­rung richtet sich eine Online-Petition mit dem Ziel, das Bild im Metropolit­an Museum abzuhängen. Hier sei das Kind zum sexuellen Objekt erniedrigt, lautet die Begründung.

Sexistisch­e Äußerungen werden unter anderem dem Maler Chuck Close vorgeworfe­n. Die Washington­er National Gallery sagte deshalb eine Ausstellun­g seiner Werke ab. Vergleichb­ar reagierten die Hamburger Deichtorha­llen mit dem Fotografen Bruce Weber, indem sie eine geplante Ausstellun­g aufgrund von Missbrauch­svorwürfen nicht realisiert­en.

 ?? Fotos: dpa, Mauritius, Sony ?? Mit Harvey Weinstein begann die Welle der Missbrauch­svorwürfe, die im Weiteren auch Dieter Wedel und James Levine erreichte. Kevin Spacey wurde aus dem Film „Alles Geld der Welt“geschnitte­n. Vorwürfe gibt es auch gegen das Gemälde „Thérèse,...
Fotos: dpa, Mauritius, Sony Mit Harvey Weinstein begann die Welle der Missbrauch­svorwürfe, die im Weiteren auch Dieter Wedel und James Levine erreichte. Kevin Spacey wurde aus dem Film „Alles Geld der Welt“geschnitte­n. Vorwürfe gibt es auch gegen das Gemälde „Thérèse,...
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany