…und die Kunstpolizisten ermitteln
Debatte Warum Werk und Autor in aller Regel strikt zu trennen sind
Kunstwerke praktisch jeder Sparte drohen derzeit unter die Räder zu geraten. Entweder, weil sie – von einer überschaubaren Gruppe von Menschen – für amoralisch, unethisch oder politisch inkorrekt gehalten werden. Oder, mehr noch befremdend, weil ihre Urheber tatsächlich oder vermeintlich irgendeine Form von Dreck am Stecken haben – und somit angeblich nicht geeignet, ja befugt sind, Kunst unter die Menschen zu bringen. Stattdessen sollen sie geächtet werden.
Natürlich hat diese Säuberungswelle und neue Tugendhaftigkeit Vorläufer in der Geschichte. Selbsternannte Sittenwächter üben sich seit Jahrhunderten in Eingriffen in die Kunstgeschichte. So auch bekamen einst nackte Männer auf den Fresken Michelangelos in der Sixtinischen Kapelle Hosen angepasst. Nicht, weil in ihnen eventuell ein „Sexualobjekt“erblickt worden wäre – das ist heutige Denkungsart und Gesinnungslage –, sondern weil ihre Geschlechtlichkeit als obszön galt. Darüber zumindest ist sogar der Vatikan mittlerweile hinaus.
Heute schalten und walten andere Moralapostel. Ihnen zufolge sind etwa weiße Künstler nicht berechtigt, Apartheid und schwarze Tragik zu behandeln. Und Männer sollen nicht mehr Frauen in Bild und Wort bewundern dürfen – jedenfalls nicht öffentlich. Wer aber dem Künstler jegliches Verlangen, jegliche (Sehn-)Sucht austreiben möchte, der möge dem Menschen auch alle Neigungen austreiben, sich Beachtung – ja Bewunderung – zu wünschen. Das eine ist vom anderen nicht zu trennen – abgesehen davon, dass jede Epoche ihre Sichtweisen selbst neu verhandelt und Kunstwerke deshalb schon aus dokumentarisch-historischen Gründen von Bedeutung sind. Sie zu zensieren, hieße, Geschichte auszuradieren, Debatten und gerade Neu-Bewertungen zu verhindern.
Noch fataler aber sind jene eigenbemächtigten Kunstpolizisten und Kunstrichter, die Werke inkriminieren wollen, weil sich deren Urheber eventuell – oder tatsächlich – juristischer Verfehlungen schuldig gemacht hat. Eine Ästhetik wird so unter Generalverdacht gestellt – bevor noch ein Gericht verhandelt, geschweige denn verurteilt hat.
Aber selbst im Falle, dass ein Künstler sich nicht so verhielt, wie er sich hätte verhalten sollen, selbst in diesem Falle sind wir grundsätzlich doch längst über die Gleichsetzung von Künstler und OEuvre hinaus: Die Opern Richard Wagners boykottieren, weil er sich antisemitisch geäußert hat? Wirkt – bei aller Gefährlichkeit – mittlerweile doch eher drollig. Das Eine tun und auf das Andere deutlich hinweisen, das ist der Weg seiner Rezeption. Wie überall – da darf man sich keinen Illusionen hingeben – gibt es auch unter Künstlern quasi bewunderungswürdige Lumpen, Schufte, Diebe, Mörder. Das heißt wohlgemerkt nicht, dass die Kunst alles darf und alles dürfen sollte. Es gibt Beschränkungen.
Werk und Urheber sind also zu trennen und unterschiedlichen Gerichtsbarkeiten zuzuführen. Wenn andernfalls künftig den Menschen, die eine Verfehlung begangen haben, gleichzeitig alle Verdienste verweigert werden würden, dann müssten wir auch allerlei politische Reformen und die Verwertung von allerlei Erfindungen rückgängig machen. Im Übrigen ist des Merkens würdig, dass in diesen Tagen die Kunst und ihre Urheber stärker unter puritanischer Beobachtung zu stehen scheinen als der Filmindustriezweig, der die Menschen mit Horror und Porno bedient.