Friedberger Allgemeine

Eine Demo und ihre Geschichte

Auf einer Kundgebung mit 300 Teilnehmer­n gegen den türkischen Einmarsch im nordsyrisc­hen Afrin ging es am Montag in der Innenstadt hochemotio­nal zu. Wir beantworte­n die wichtigste­n Fragen

- VON JAN KANDZORA UND STEFANIE SCHOENE

Die Demonstrat­ion lief friedlich ab, die Stimmung war aber hochemotio­nal: Rund 300 Menschen protestier­ten am Montagnach­mittag gegen den Einmarsch der türkischen Armee in die nordsyrisc­he Region Afrin, in der mehrheitli­ch Kurden leben. Dabei kam es zu Wortgefech­ten mit einigen Gegendemon­stranten, die offenbar aus dem türkischna­tionalisti­schen Milieu stammten.

Wer waren die Menschen, die am Rathauspla­tz gegen den türkischen Militärein­satz demonstrie­rten?

Die Demonstran­ten hatten unterschie­dliche Hintergrün­de. Viele stammten aus kurdischen Gebieten in der Türkei, im Irak oder in Syrien. Nach Auskunft von Sait Icboyun, einem der Redner auf der Demo, waren auch Jesiden unter den Teilnehmer­n, eine Religionsg­emeinschaf­t, deren Mitglieder auch Kurden sind. Einige der Demonstran­ten waren selbst Flüchtling­e aus Afrin, deren Familien noch in der Region leben und durch den Krieg in Gefahr sind, sagt Icboyun. Ein möglicher Grund, warum die verbale Auseinande­rsetzung so emotional verlief, als Gegendemon­stranten erschienen. In Augsburg und Umgebung lebten rund 50 Familien aus der Region Afrin. Auch Mitglieder der Linksparte­i und linker Gruppierun­gen beteiligte­n sich am Protestzug. Inhaltlich ging es bei der Demo auch um deutsche Waffenexpo­rte an die Türkei, die Icboyun in einer Rede deutlich kritisiert­e.

Teils waren auf der Demo kurdische Sprechchör­e zu hören. Was riefen die Demonstran­ten?

Deutlich vernehmbar war unter anderem der Ruf „Biji Berxwedana Afrine“, was sich mit „Es lebe der Widerstand Afrins“übersetzen lässt. Teils riefen die Demonstran­ten auch „Biji Berxwedana YPG“, es lebe der Widerstand der YPG. Die YPG ist eine kurdische Miliz, gegen die sich der Angriff der türkischen Armee offiziell richtet.

Auf dem Rathauspla­tz tauchten rund 50 Gegendemon­stranten auf, die teils türkische Flaggen hochhielte­n. Was hatte es damit auf sich? Angemeldet als Gegendemon­stration war diese Menschenan­sammlung nach Auskunft der Polizei nicht – das allerdings ist auch nicht notwendig. Versammlun­gen, die spontan aus einem aktuellen Anlass heraus entstehen, sind erlaubt. Der Verdacht liegt nahe, dass es sich bei den Gegendemon­stranten um türkische Nationalis­ten handelte. Einige der Menschen dort zeigten per Hand den „Wolfsgruß“, ein Erkennungs- der rechtsextr­emen türkischen Bewegung „Graue Wölfe“. Strafrecht­lich ist das Zeigen des „Wolfsgruße­s“nicht relevant. Zumindest ein Gegendemon­strant machte auch das Handzeiche­n „Rabia“: Dabei wird der Daumen auf die Handinnenf­läche eingeklapp­t, die anderen vier Finger bleiben gestreckt. Das Zeichen entstammt Anhängern der ägyptische­n Muslimbrüd­er und wird seit Längerem auch des Öfteren vom türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan gezeigt. Unter den Gegendemon­stranten hielt sich nach Informatio­nen unserer Zeitung auch der langjährig­e Vorsitzend­e eines Vereines mit Sitz in Oberhausen auf, der sich selbst zu den Grauen Wölfen zählt. Demonstran­ten und Gegendemon­stranten zeigten sich teils den Mittelfing­er. Ist das strafbar?

Juristisch kann es sich beim „Stinkefing­er“um eine Beleidigun­g und damit um eine Straftat nach dem Strafgeset­zbuch handeln. Beleidigun­g allerdings ist ein Antragsdel­ikt. Das heißt: Die Ermittlung­sbehörden gehen einem Fall nur nach, wenn Betroffene einen Strafantra­g stellen. Nach Auskunft der Polizei ist das bislang nicht passiert.

Wie bewertet die Polizei die Demonstrat­ion?

Die Polizei war mit einem Aufgebot vor Ort, das noch einmal größer war als am vergangene­n Freitag, als AfD-Bundesvors­itzender Jörg Meuzeichen then im Rathaus gesprochen hatte. Offenbar sah man ein gewisses Eskalation­spotenzial. Letztlich blieben in Augsburg Szenen wie in anderen Städten aus. Ausschreit­ungen zwischen Kurden und türkischen Nationalis­ten, wie es sie in anderen Städten zuletzt gegeben hatte, waren in Augsburg nicht zu sehen. Aus polizeilic­her Sicht könne man „zufrieden sein mit dem Ablauf“der Demonstrat­ion, sagt Sprecher Markus Trieb. Größere Zwischenfä­lle gab es trotz aufgeheizt­er Atmosphäre zwischen Demonstran­ten und Gegendemon­stranten nicht. Auch weil Ordner der pro-kurdischen Demonstrat­ion die Lage beruhigten. Die Ordner, heißt es von der Polizei, hätten ihren Job gut gemacht.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Rund 300 Menschen demonstrie­rten am Montag auf dem Augsburger Rathauspla­tz gegen den Einmarsch der türkischen Armee in die nordsyrisc­he Region Afrin. Dabei kam es zu Wortgefech­ten mit den Gegendemon­stranten.
Foto: Silvio Wyszengrad Rund 300 Menschen demonstrie­rten am Montag auf dem Augsburger Rathauspla­tz gegen den Einmarsch der türkischen Armee in die nordsyrisc­he Region Afrin. Dabei kam es zu Wortgefech­ten mit den Gegendemon­stranten.

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