Was bringt das neue Pflegegesetz?
Das Urteil der Fachleute im Landkreis fällt unterschiedlich aus. Ines Albes von der Seniorenberatung kritisiert, dass Nachfrage ohne ausreichendes Angebot geschaffen wurde
Aichach Friedberg Seit einem Jahr ist das Pflegestärkungsgesetz II (PSG II) nun in Kraft. Zeit, eine erste Bilanz zu ziehen. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe Begegnen – Begleiten – Betreuen erläuterte Ina Albes von der Seniorenberatung des Landkreises das Gesetz und dessen Umsetzung bis heute. Je nach Organisation fällt die Bilanz höchst unterschiedlich aus.
Die Medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK) zeigen sich zufrieden. „Die neue Pflegebegutachtung hat den Praxistest erfolgreich bestanden“, heißt es in einer Pressemitteilung. Mit der neuen Begutachtung seien im Vergleich zum Vorjahr rund 304 000 Versicherte neu anerkannt worden. Mehr Menschen hätten nun früher und einen besseren Zugang zu Leistungen der Pflegeversicherung. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz sieht das anders. Es gebe mehr Leistungsbezieher, das Leistungsangebot hinke aber hinterher, heißt es da.
Im Landkreis Aichach-Friedberg hatte es zur Einführung des PSG II viel Aufregung und Unsicherheiten gegeben. Bei der Vorstellung des Gesetzes vor einem Jahr hatte der große Sitzungssaal im Landratsamt die 140 Besucher kaum fassen können. Das Interesse jetzt schien gering. Lediglich sechs Zuhörer waren zum Vortrag gekommen.
Albes erklärte die Neuerungen, die das PSG II gebracht hat. Die Pflegebedürftigkeit sei neu definiert worden. Körperliche und geistige Einschränkungen würden nun gleichwertig anerkannt, sodass jetzt auch Menschen mit psychischen Erkrankungen und Demenz Leistungen erhalten. Eingestuft würden die Betroffenen in fünf Pflegegrade.
Auch die Begutachtung habe sich geändert. Wurde früher nach der Dauer der Pflege entschieden, schaue man jetzt, in welchem Maß Selbstständigkeit beeinträchtigt ist und in welchem Bereich der Betroffene Hilfe braucht. Entwickelt wurde ein Fragebogen mit 64 Fragen aus sechs Lebensbereichen. Abgefragt werden Mobilität, kognitive und kommunikative Fähigkeiten, Verhaltensweisen und psychische Problemlagen, Selbstversorgung, Umgang mit krankheits- und therapiebedingten Anforderungen und die Gestaltung des Alltagslebens.
Die Beantwortung jeder Frage ergibt null bis drei Punkte. Danach werden die Punkte aus den Lebensbereichen verschieden gewichtet. Je höher die Punktzahl, desto höher der Pflegegrad. Zusätzlich zur Einstufung geben die Fachleute Emp- fehlungen ab zur Notwendigkeit von Rehabilitation, Therapie, Hilfsmitteln und anderen Maßnahmen, die zugleich als Antrag gelten.
Änderungen hat das neue Gesetz bei den Leistungen gebracht. Es gab eine deutliche Stärkung der ambulanten Pflege, abgebaut wurde dagegen bei der stationären. Für alle Pflegegrade gibt es nun 125 Euro Entlastungsbetrag für die Angehörigen. Neu ist der zu bezahlende einrichtungseinheitliche Eigenanteil, der für alle Pflegegrade gilt. Dieser bleibt auch bei einer Höherstufung gleich. Für pflegegerechte Umbauten in der eigenen Wohnung ist ein Zuschuss von 4000 Euro vorgesehen. Rechtlich stehen pflegende Andie gehörige jetzt besser da. Für Pflege werden nun Rentenbeiträge bezahlt und es gibt Freistellungsmöglichkeiten beim Arbeitgeber.
Ines Albes Fazit lautete, das Ganze sei schlecht geplant. Man habe eine Nachfrage geschaffen, der kein ausreichendes Angebot gegenübersteht. Es gebe zu wenig Personal. Die von der Politik zugesagten neuen 8000 Pflegekräfte seien „ein Tropfen auf dem heißen Stein“. Zudem müssten diese erst noch ausgebildet werden. Sie konnte sich nicht erinnern, dass schon einmal eine Umbaumaßnahme bewilligt worden wäre. Und viele Arbeitnehmer trauten sich nicht, bei ihrem Arbeitgeber eine Freistellung zu beantragen.