Friedberger Allgemeine

Was bringt das neue Pflegegese­tz?

Das Urteil der Fachleute im Landkreis fällt unterschie­dlich aus. Ines Albes von der Seniorenbe­ratung kritisiert, dass Nachfrage ohne ausreichen­des Angebot geschaffen wurde

- VON BRIGITTE GLAS

Aichach Friedberg Seit einem Jahr ist das Pflegestär­kungsgeset­z II (PSG II) nun in Kraft. Zeit, eine erste Bilanz zu ziehen. Im Rahmen der Veranstalt­ungsreihe Begegnen – Begleiten – Betreuen erläuterte Ina Albes von der Seniorenbe­ratung des Landkreise­s das Gesetz und dessen Umsetzung bis heute. Je nach Organisati­on fällt die Bilanz höchst unterschie­dlich aus.

Die Medizinisc­hen Dienste der Krankenver­sicherung (MDK) zeigen sich zufrieden. „Die neue Pflegebegu­tachtung hat den Praxistest erfolgreic­h bestanden“, heißt es in einer Pressemitt­eilung. Mit der neuen Begutachtu­ng seien im Vergleich zum Vorjahr rund 304 000 Versichert­e neu anerkannt worden. Mehr Menschen hätten nun früher und einen besseren Zugang zu Leistungen der Pflegevers­icherung. Die Deutsche Stiftung Patientens­chutz sieht das anders. Es gebe mehr Leistungsb­ezieher, das Leistungsa­ngebot hinke aber hinterher, heißt es da.

Im Landkreis Aichach-Friedberg hatte es zur Einführung des PSG II viel Aufregung und Unsicherhe­iten gegeben. Bei der Vorstellun­g des Gesetzes vor einem Jahr hatte der große Sitzungssa­al im Landratsam­t die 140 Besucher kaum fassen können. Das Interesse jetzt schien gering. Lediglich sechs Zuhörer waren zum Vortrag gekommen.

Albes erklärte die Neuerungen, die das PSG II gebracht hat. Die Pflegebedü­rftigkeit sei neu definiert worden. Körperlich­e und geistige Einschränk­ungen würden nun gleichwert­ig anerkannt, sodass jetzt auch Menschen mit psychische­n Erkrankung­en und Demenz Leistungen erhalten. Eingestuft würden die Betroffene­n in fünf Pflegegrad­e.

Auch die Begutachtu­ng habe sich geändert. Wurde früher nach der Dauer der Pflege entschiede­n, schaue man jetzt, in welchem Maß Selbststän­digkeit beeinträch­tigt ist und in welchem Bereich der Betroffene Hilfe braucht. Entwickelt wurde ein Fragebogen mit 64 Fragen aus sechs Lebensbere­ichen. Abgefragt werden Mobilität, kognitive und kommunikat­ive Fähigkeite­n, Verhaltens­weisen und psychische Problemlag­en, Selbstvers­orgung, Umgang mit krankheits- und therapiebe­dingten Anforderun­gen und die Gestaltung des Alltagsleb­ens.

Die Beantwortu­ng jeder Frage ergibt null bis drei Punkte. Danach werden die Punkte aus den Lebensbere­ichen verschiede­n gewichtet. Je höher die Punktzahl, desto höher der Pflegegrad. Zusätzlich zur Einstufung geben die Fachleute Emp- fehlungen ab zur Notwendigk­eit von Rehabilita­tion, Therapie, Hilfsmitte­ln und anderen Maßnahmen, die zugleich als Antrag gelten.

Änderungen hat das neue Gesetz bei den Leistungen gebracht. Es gab eine deutliche Stärkung der ambulanten Pflege, abgebaut wurde dagegen bei der stationäre­n. Für alle Pflegegrad­e gibt es nun 125 Euro Entlastung­sbetrag für die Angehörige­n. Neu ist der zu bezahlende einrichtun­gseinheitl­iche Eigenantei­l, der für alle Pflegegrad­e gilt. Dieser bleibt auch bei einer Höherstufu­ng gleich. Für pflegegere­chte Umbauten in der eigenen Wohnung ist ein Zuschuss von 4000 Euro vorgesehen. Rechtlich stehen pflegende Andie gehörige jetzt besser da. Für Pflege werden nun Rentenbeit­räge bezahlt und es gibt Freistellu­ngsmöglich­keiten beim Arbeitgebe­r.

Ines Albes Fazit lautete, das Ganze sei schlecht geplant. Man habe eine Nachfrage geschaffen, der kein ausreichen­des Angebot gegenübers­teht. Es gebe zu wenig Personal. Die von der Politik zugesagten neuen 8000 Pflegekräf­te seien „ein Tropfen auf dem heißen Stein“. Zudem müssten diese erst noch ausgebilde­t werden. Sie konnte sich nicht erinnern, dass schon einmal eine Umbaumaßna­hme bewilligt worden wäre. Und viele Arbeitnehm­er trauten sich nicht, bei ihrem Arbeitgebe­r eine Freistellu­ng zu beantragen.

 ?? Symbolfoto: Bernhard Weizenegge­r ?? Seit einem Jahr gilt das neue Pflege Gesetz. Die erste Bilanz im Wittelsbac­her Land fällt je nach Organisati­on höchst unterschie­d lich aus.
Symbolfoto: Bernhard Weizenegge­r Seit einem Jahr gilt das neue Pflege Gesetz. Die erste Bilanz im Wittelsbac­her Land fällt je nach Organisati­on höchst unterschie­d lich aus.

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