Die nettesten Busfahrer der Welt
Wo ist der Olympiareporter am kürzesten anzutreffen? Die Frage war leicht. Im Bett, die Tage sind lang. Bis zwei Uhr nachts kann locker noch am letzten Text gefeilt werden, in der Heimat ist es erst 18 Uhr. Nach dem Skispringen kamen die Kollegen um halb vier Uhr morgens ins Mediendorf zurück.
Wo sitzt der Südkorea-Journalist am längsten? Am Auslauf der Sprungschanze, im Zielraum der Biathlonanlage oder auf der Tribüne des Eisstadions? Falsch, falsch, falsch. Der Begriff Olympiafahrer ist wörtlich zu nehmen. Im Bus sitzen die Reporter von morgens bis abends, zumindest gefühlt.
Busfahren zählt zum OlympiaAlltag und ist doch abenteuerlich. Die Chauffeure, die den Medientross durch die Provinz Gangwon rund um Pyeongchang kutschieren, sind so freundlich wie alle Einwohner Südkoreas, auch wenn die Kims und Jongs und Lees nur selten verstehen, was die komische Langnase sagt. Das Problem: Die Schnittmengen von schwäbischem und südkoreanischem Englisch gehen gegen null. Macht aber nichts, denn der nette Fahrer nickt immer freundlich, kauderwelscht irgendwas und lächelt von einem Ohr bis zum anderen. Die Unart ist den Manfreds und Karres der heimischen Verkehrsbetriebe völlig fremd.
So viel Zuvorkommenheit irritiert den Pyeongchang-Fahrer derart, dass er bereitwillig in den Bus steigt und bisweilen am falschen Ziel strandet. Ist aber nicht weiter tragisch, denn während der Rückfahrt informieren riesige Flachbildschirme oberhalb der Frontscheibe über die jeweilige Medaillenvergabe, die man gerade verpasst. Laufen keine Wettbewerbe, stellt der Südkorea-Neuling mit Erschrecken fest, dass die Kochshow-Epidemie längst auf Asien übergegriffen hat. Gebratener Kabeljau an Seetang und Kimchi – wird gleich nach der Heimkehr ausprobiert. Die Familie freut sich bestimmt über frischen Wind in der Küche.
Ein Rätsel geben die koreanischen Kutscher allerdings auf. Der Fahrgast wundert sich, warum nicht mindestens acht Piloten aus diesem Land in der Formel 1 fahren. Die freundlichen Herren brettern in einem Affenzahn über die staubigen Asphaltpisten. Selbst Sebastian Vettel könnte sich ein paar Tricks abkupfern, wie man im tosenden Bergwind sein Gefährt in der Spur hält. Bei Olympia sind nicht nur die größten Sportler, sondern auch die besten und nettesten Busfahrer der Welt am Start.