Nach Vergewaltigung wollte der Täter sterben
Ein Mann, 35, verging sich an der 15-jährigen Tochter seiner Lebensgefährtin. Danach versuchte er sich das Leben zu nehmen – doch das Seil riss
An jenem Tag im August 2017 trank er ein Bier nach dem anderen, kochte und aß Flusskrebse, die er nachts gefangen hatte. Als spätabends die 15-jährige Tochter seiner Lebensgefährtin nach Hause kam, sah er sich mit ihr den Horrorfilm „Die Frau in Schwarz“an. Und dann, als das Mädchen auf dem Sofa eingeschlafen war, verging er sich zweimal an ihm. Danach plagten den 35-jährigen Mann schwere Schuldgefühle.
Er beschloss, sich das Leben zu nehmen. Am Ilsesee bei Königsbrunn band er einen Strick um ein Betonrohr, wollte sich erhängen. Doch das Band riss. Dann fuhr er ziellos nach Österreich, kehrte wieder zurück, ließ das Auto stehen, irrte drei Tage lang – teils mit einem Fahrrad – kreuz und quer durch ernährte sich von Äpfeln und Birnen, die er klaute, trank Wasser aus Flüssen, schlief unter Brücken, ehe er in Viechtach im Bayerischen Wald festgenommen wurde. „Ich hasse mich, weil es passiert ist“, sagt er jetzt in einem Prozess vor dem Jugendschutzgericht unter Vorsitz von Angela Reuber.
Gleich zu Beginn bietet die Vorsitzende Richterin dem Angeklagten nach entsprechenden Vorgesprächen mit allen Prozessbeteiligten einen Deal an: Bei einem ausführlichen Geständnis, wenn das Opfer nicht gehört werden müsse, könne er mit einer Haftstrafe von etwa drei Jahren rechnen. Damit ist der 35-Jährige einverstanden.
Relativ detailreich kann er den Ablauf des Tattages schildern. Doch als es um die Tat selbst geht, will er sich nicht mehr genau erinnern können. „Es war wie in einem schlech- Traum“, behauptet er. Und: „Es war so, wie es in der Anklage steht.“Erst nach und nach nennt er Einzelheiten.
Warum das alles passiert sei, wisse er selbst nicht. „Ich war doch wie ein Vater zu ihr.“Auf eine Vernehmung des Opfers verzichtet das Gericht. Die Vorsitzende Richterin verliest dafür die Vernehmung des Mädchens vor der Kripo. Dort schildert die heute 16-Jährige, wie sie eingeschlafen sei, dann durch ein „komisches Gefühl“im Unterleib aufgewacht war. Vor lauter Angst stellte sie sich schlafend. „Ich wusste nicht, was ich tun sollte, habe mich nicht mehr bewegt, die Augen geschlossen gehalten.“Am folgenden Tag habe der Lebensgefährte ihrer Mutter so getan, als sei nichts passiert.
Die 16-Jährige offenbarte sich schließlich ihrem Onkel. Dann verBayern, schwand der 35-Jährige, um sich das Leben zu nehmen. Seine Verteidigerin Mandana Mauss hat mit dem Anwalt des Opfers, Andreas Thomalla, die Zahlung eines Schmerzensgeldes von 5000 Euro vereinbart – einen sogenannten Täter-Opfer-Ausgleich, der strafmildernd wirkt. Auch in der Untersuchungshaft hat der Angeklagte Freitodgedanken geäußert, eine Zeit lang das Essen verweigert. Seine Verteidigerin sagt: „Er fühlt sich schuldig. Er will sich selbst bestrafen, will in der Haft an sich arbeiten.“Obwohl der 35-Jährige zur Tatzeit, folgt man seinen Angaben, etwa zwei Promille im Blut hatte, sieht der Gutachter Professor Albrecht Stein keine Alten koholabhängigkeit im juristischen Sinn, die eine Therapie in einer geschlossenen Entzugsanstalt rechtfertigen würde.
Staatsanwältin Alexandra Krug fordert schließlich wegen Vergewaltigung, Missbrauchs einer Schutzbefohlenen und Körperverletzung eine Haftstrafe von drei Jahren und zwei Monaten, die Verteidigerin hält zweieinhalb Jahre für angemessen. Das Schöffengericht verhängt drei Jahre Haft.
Richterin Angela Reuber ordnet den Angeklagten in der Urteilsbegründung nicht als „typischen Kriminellen“ein. Aber: „Er hat durch Alkohol die Selbstkontrolle komplett verloren, das familiäre Zusammenleben, das Vertrauen des Mädchens und seiner Lebensgefährtin massiv zerstört.“Das Opfer leide noch heute unter der Tat, so die Richterin.
Das Opfer leidet noch heute