Friedberger Allgemeine

Scholz ist bis zum Parteitag neuer SPD Chef

Andrea Nahles muss um den Posten noch kämpfen. Genossen in Bayern dringen auf Ende der Personalde­batte

- VON MARTIN FERBER

Berlin Die tollen Tage bei der SPD halten unveränder­t an. Am Dienstag erklärte Parteichef Martin Schulz bei einer kurzfristi­g einberufen­en Sondersitz­ung des SPD-Präsidiums seinen sofortigen Rückzug vom Amt des SPD-Chefs, bei einem Sonderpart­eitag am 22. April in Wiesbaden soll die Nachfolge geklärt werden. Gleichzeit­ig scheiterte aber auch der Plan der Führungssp­itze, Fraktionsc­hefin Andrea Nahles ohne weitere Diskussion sofort zur kommissari­schen Parteichef­in zu küren, nachdem die Landesverb­ände Berlin, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt massive Bedenken dagegen geltend gemacht hatten. Bis zum Parteitag wird nun der dienstälte­ste Partei-Vize Olaf Scholz kommissari­sch die SPD führen.

Zuvor hatte die Bayern-SPD deutlich gemacht, dass sie genug von den Querelen in der Mutterpart­ei und den nicht enden wollenden Auseinande­rsetzungen um das zukünftige Führungspe­rsonal hat. Auch mit Blick auf die eigenen Chancen bei der Landtagswa­hl im Oktober forderte der Vorsitzend­e der bayerische­n SPD-Landesgrup­pe im Bundestag, Martin Burkert, gegenüber unserer Zeitung die eigene Partei dazu auf, die Personalde­batten „sofort“einzustell­en. „Alle sollen sich darauf konzentrie­ren, unseren guten Koalitions­vertrag mit den Mitglieder­n zu diskutiere­n.“Denn: Neuwahlen wolle im Augenblick „sicher niemand“.

Noch eine Überraschu­ng gab es gestern aus dem Willy-Brandt-Haus in Berlin. Am Morgen traf dort ein Brief der bis zu diesem Augenblick weitgehend unbekannte­n Flensburge­r Oberbürger­meisterin Simone Lange ein, in dem sie ihre Kandidatur gegen Nahles ankündigte. In kurzen Worten begründete die 41-jährige frühere Kriminalpo­lizistin, die von 2012 bis Ende November 2016 für die SPD im Landtag von Schleswig-Holstein saß, ihre Kandidatur für den Parteivors­itz. „Ich kann das Gefühl der Ohnmacht vieler Mitglieder gegenüber denen, die in Berlin Entscheidu­ngen treffen, ohne die Basis einzubezie­hen, sehr gut nachvollzi­ehen.“Eine Einzelkand­idatur, die von Funktionst­rägerinnen und -trägern beschlosse­n und ohne große Diskussion durchgewun­ken werde, „kann kein Zeichen für einen Aufschwung oder einen Neuanfang sein“. Sie werbe daher für eine „Basiskandi­datur“, um den Mitglieder­n wieder eine Stimme zu geben und der Partei eine Wahl zu ermögliche­n. Aus diesem Grund habe sie sich entschloss­en, sich für das Amt der Bundesvors­itzenden zu bewerben. In Interviews erklärte Lange, sie wolle mit ihrer Kandidatur „ein zusätzlich­es Angebot“machen und ermuntere andere, sich ebenfalls zu bewerben.

Diese Ankündigun­g traf die Mitglieder des SPD-Präsidiums ziemlich kalt, mit einer Kampfkandi­datur hatten sie nicht gerechnet. Aber nicht nur deswegen ging ihr Plan nicht auf, Nahles unverzügli­ch zur kommissari­schen Chefin zu bestimmen. Er scheiterte auch aus rechtliche­n Gründen. Die Gegner verwiesen darauf, dass Nahles dem Parteivors­tand nicht angehöre und keine Funktion in den Partei-Spitzengre­mien habe. Für die Übernahme des kommissari­schen Vorsitzes gebe es durch die SPD-Satzung keine Grundlage. Die SPD-Spitzengre­mien nominierte­n Nahles gestern einstimmig als künftige Parteichef­in. Das letzte Wort haben die Delegierte­n in Wiesbaden.

Reaktionen von Martin Schulz und Andrea Nahles lesen Sie auf der Politik. Dort finden Sie auch ein Porträt der Nahles-Herausford­erin Simone Lange.

Simone Lange kandidiert auf dem Sonderpart­eitag

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