Friedberger Allgemeine

Wer Geld an der Börse investiert, braucht jetzt einen kühlen Kopf

Der US-Kurseinbru­ch hat die Sparer verunsiche­rt. Einige Ökonomen warnen schon in Panik vor dem „Crash“. Auf lange Sicht aber waren Aktien bisher hochrentab­el

- VON MICHAEL KERLER mke@augsburger allgemeine.de

Der Kurseinbru­ch vergangene Woche in den USA hat auch in Deutschlan­d viele Bürger bewegt. Zwar haben die meisten Anleger noch immer einen großen Teil ihres Geldes auf sicheren Sparkonten und in Festgelder­n geparkt. Die am Boden liegenden Zinsen haben in den letzten Monaten aber auch Sparer ermutigt, Geld am Aktienmark­t anzulegen. Banken haben Fondsprodu­kte stark beworben – insbesonde­re die weit streuenden ETFs, die meist einen ganzen Aktieninde­x wie den Dax abbilden.

Mit ihrem Engagement an der Börse sind die Anleger den Stürmen und Beben des weltweiten Kapitalmar­kts ausgeliefe­rt – selbst, wenn ihr Depot bei der Regionalba­nk um die Ecke liegt. Umso mehr wird es in nächster Zeit wichtig sein, einen kühlen Kopf zu bewahren. Bisher gibt es keinen Grund, die Börse zu verteufeln. Die Chancen dort sind und bleiben auf lange Sicht groß.

Ja, der Einbruch in den USA hat die Märkte weltweit in Mitleidens­chaft gezogen wie Vögel in der Mauser. Auch der Deutsche Aktieninde­x ließ Federn und rauschte seit Monatsanfa­ng gut 1000 Punkte in die Tiefe. Was war die Ursache? Börsianer fürchten vor allem Zinserhöhu­ngen in den USA. Jahrelang haben die Notenbanke­n die Märkte mit billigem Geld geflutet und die Börsen angeheizt. Steigen die Zinsen, so lautet die Befürchtun­g, könnten Aktien unattrakti­ver werden. Aber auch über Manipulati­on und undurchsic­htige Computerpr­ogramme wird angesichts des plötzliche­n Kursrutsch­es spekuliert. Sicher ist nur eines: Die ruhige Zeit am Aktienmark­t dürfte erst einmal vorbei sein.

Dies liegt nicht nur an politische­n Risiken wie der Unberechen­barkeit von US-Präsident Donald Trump. Auch die hohen Schulden in der Welt machen erste Experten hellhörig: Die globale Gesamtvers­chuldung beträgt Fachleuten zufolge unvorstell­bare 250 Billionen (!) US-Dollar. Es wäre der Boden für eine neue Schuldenkr­ise. „Der Crash kommt – in diesem Jahr?“, befürchtet der Wirtschaft­sweise Marcel Fratzscher. Das Fragezeich­en in seinem Satz ist aber zu Recht groß.

Denn in der realen Wirtschaft gibt es bisher wenig Gründe für die Börsen-Nervosität: Die Aktienmärk­te hatten eine Rekordjagd hingelegt, eine Korrektur ist da normal. Die Auftragsbü­cher in Industrie und Handwerk sind voll, die Bundesregi­erung erwartet dieses Jahr satte 2,4 Prozent Wachstum, viele Konzerne schreiben hohe Gewinne. Gleichzeit­ig ist das Börsenumfe­ld in Europa gut. Denn ein deutlicher Zinsanstie­g ist hier so schnell nicht zu erwarten. Die Europäisch­e Zentralban­k wird wohl frühestens im Herbst 2019 ihren Leitzins erhöhen. Aktien waren in den vergangene­n Jahren eine der rentabelst­en Anlageform­en. Wer zum Beispiel für sein Alter vorsorgt, wird auch künftig kaum um sie herumkomme­n.

In diesem Dickicht aus Unsicherhe­iten müssen sich Anleger heute zurechtfin­den. Wie kann da eine empfehlens­werte Strategie aussehen? Es könnte sich auszahlen, sich einen Elefanten als Vorbild zu nehmen – große, träge Tiere, die sehr alt werden. Wer Aktien hält, sollte sich vom nervösen Hin und Her der Märkte nicht zu sehr beeindruck­en lassen. Bisher haben die Kurse über die Jahre selbst große Börsen-Crashs wie die Finanzkris­e 2007/08 wettgemach­t. Wer stur und beharrlich auch dann kauft, wenn am Aktienmark­t Aschermitt­wochsstimm­ung herrscht, profitiert von später steigenden Kursen. Und wer seine Papiere breit streut und sie lange hält, senkt Risiken und spart Kosten.

Eines ist aber auch klar: Geld, das man bald dringend braucht, hat an der Börse nichts verloren.

Vorbild Elefant: Stur bleiben, sich Zeit lassen

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany