Friedberger Allgemeine

Der aufreizend gelassene Automanage­r

Bernd Pischetsri­eder blieb immer ruhig, selbst als er mit dem Rücken zur Wand stand. Welche Rolle seine Familie und ein Weinberg dabei spielen

- Stefan Stahl

Das Leben ist gemein. Da kann ein Mensch wie Bernd Pischetsri­eder fleißig sein, Maschinenb­au-Ingenieur werden, es nach 20 Jahren bei BMW zum Chef des Konzerns bringen und später Boss des VW-Imperiums werden. Am Ende bleibt bei vielen aber nur ein Ereignis hängen: Denn 1995 zerlegte der Bayer als oberster BMWLenker einen McLaren F1 auf einer Landstraße in der Nähe des Chiemsees. Der damals auf 1,5 Millionen D-Mark taxierte 627 PS starke Sportwagen soll sich mehrfach überschlag­en haben. Doch der fortan auch schon mal „Beulen-Paul“genannte Pischetsri­eder und seine Frau wurden nur leicht verletzt.

Wie überhaupt auffällt: In dem an Aufs und Abs reichen Leben des Managers hallen vor allem die Niederlage­n nach, was ungerecht ist, denn die deutsche Wirtschaft hat dem Mann, der morgen 70 Jahre alt wird, viel zu verdanken. Unter seiner Führung investiert­e BMW kräftig in den USA und setzte in Spartanbur­g auf ein Werk, das heute vor Dingolfing das größte im Reich des Autobauers ist. So wurde BMW auch ein amerikanis­ches Unternehme­n, ein Vorzug in Zeiten Trump’scher Abschottun­gspolitik.

Und dass der Konzern mit Mini-Autos viele junge Kunden und vor allem Frauen für sich gewinnen konnte, ist auf den Wagemut Pischetsri­eders zurückzufü­hren. Schließlic­h übernahm BMW nach seinem Willen mehrheitli­ch den britischen Autobauer Rover und damit die Marke Mini. Während sich Ersteres zu einem wirtschaft­lichen Desaster entwickelt­e und dem Manager den Chefposten bei BMW kosten sollte, entpuppte sich Zweiteres als Segen für die Münchner.

Das ist eben die Pischetsri­ederDialek­tik, die sich bei VW fortsetzte. So fahndete Ferdinand Piëch als einstiger Volkswagen-Chef in dem ihm eigenen Humor nach einem Nachfolger für die Konzernspi­tze, der besser als er selbst sein sollte. Wer den hageren Österreich­er kennt, weiß natürlich, dass Piëch sich für den größten Autokenner aller Zeiten hält. Daher konnte der gemütlich wirkende Bartträger und Zigarrenra­ucher Pischetsri­eder an seiner Seite nur scheitern, auch wenn er für den Konzern richtige Entscheidu­ngen wie den Ausbau des Van- und SUVSegment­s getroffen hat. Dennoch entzog ihm Piëch seine Gunst und trat nach. Er habe sich in Pischetsri­eder getäuscht, meinte er. Der Geschmähte blieb wie zu Rover-Zeiten aufreizend gelassen. Ein entspannte­rer Spitzenman­ager lässt sich in der Autoindust­rie schwer finden. Der Münchner Pischetsri­eder mag die innere Ruhe aus seiner Familie als Kraftquell­e, aber auch aus Hobbys wie dem Angeln und dem Weinbau schöpfen.

In der Südsteierm­ark, einer der Seele wohltuende­n Region, besitzt er einen Weinberg. Langweilig wird ihm nicht: Pischetsri­eder sammelt Oldtimer und ist seit 2014 als Daimler-Aufsichtsr­at für den dritten Autokonzer­n tätig.

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Foto: Sven Simon

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