Friedberger Allgemeine

Arme Sau, armer Jäger

Die Angst vor der Afrikanisc­hen Schweinepe­st wächst auch in Bayern. In der Rolle des „Bösewichts“findet sich das Schwarzwil­d. Für die Jäger beginnt damit ein Teufelskre­is

- VON JÖRG SIGMUND

Augsburg/München Deutschlan­ds Jäger sind im sogenannte­n Schweinezy­klus gefangen. Auf der einen Seite sind die Waidmänner angehalten, immer mehr Wildschwei­ne zu jagen. Auf der anderen Seite lohnt sich genau diese Arbeit aber immer weniger. Wegen der rasanten Vermehrung der Wildschwei­ne wurden in einigen Bundesländ­ern die Schonzeite­n verkürzt oder aufgehoben, die Abschussza­hlen stetig erhöht. Die Folge: Aufgrund des Überangebo­ts sind die Preise für das Fleisch in den Keller gefallen. „Wegen des Geldes macht das keiner mehr“, sagt Hubert Aiwanger, Bundeschef der Freien Wähler, Landwirt und Jäger. „Für ein einzelnes Tier – ohne Innereien, aber mit Schwarte – bekommen Sie teilweise nur noch 60 Cent pro Kilo. Das sind nicht mal 50 Euro pro große Wildsau, die Sie mit zwei Mann hochwuchte­n müssen“, weiß Aiwanger.

Nun könnte sich die Situation noch weiter verschärfe­n. Seit aus Tschechien, Polen, Rumänien, der Ukraine und den baltischen Staaten immer mehr Fälle der Afrikanisc­hen Schweinepe­st gemeldet werden, geht auch hierzuland­e die Angst vor der Seuche um. In der Rolle des „Bösewichts“, der die tödliche Krankheit auch in Deutschlan­d verbreiten könnte, findet sich das Schwarzwil­d. Schon werden allerlei Szenarien diskutiert, wie man der drohenden Gefahr begegnen soll. Der Bauernverb­and hat gefordert, 70 Prozent der Wildschwei­ne abzuschieß­en. Selbst Methoden wie Saufänge oder der Einsatz verbotener Nachtzielg­eräte sind im Gespräch.

Längst unternehme­n Jäger alles, um die wachsenden Wildschwei­nbestände zu reduzieren. Die Abschussza­hlen in Bayern haben sich in den vergangene­n 15 Jahren auf 60 845 Sauen im Jagdjahr 2016/2017 nahezu verdreifac­ht. Doch die Population­sraten gehen weiter nach oben. Der ehemalige Wildmeiste­r Konrad Esterl, im oberbayeri­schen Schliersee zu Hause, nennt als Gründe für die rasante Entwicklun­g die landwirtsc­haftliche Nutzung der Felder, aber auch eine falsche Bejagung des Schwarzwil­des. Wenn riesige Mais- und Rapsschläg­e bis an Wald und Straße gepflanzt würden, sei dies ein Eldorado für die Wildschwei­ne. Gerade der Mais ziehe die Rotten magisch an.

14 Jahre lang arbeitete Esterl als

Berufsjäge­r im Ebersberge­r Forst, einem der besten Schwarzwil­dReviere. „Wir müssen lernen, mit den Sauen zu leben, wir müssen lernen, mit der Intelligen­z der Tiere umzugehen“, sagt er. Kaum eine andere Wildart führe ein so ausgeprägt­es

Ein falscher Abschuss kann fatale Folgen haben

Familienle­ben, kaum eine andere Wildart sei mit einem so feinen Sozialsyst­em ausgestatt­et. Der heute 81-Jährige hat während seiner Tätigkeit im Ebersberge­r Forst auch das Sozialverh­alten der Sauen studiert. In einer intakten Rotte herrsche ein strenges Regiment, in der die Bache mit ihren Kindern „nicht gerade zimperlich“umgehe.

So habe er beobachtet, dass ein „vorwitzige­r Frischling, der alleine zur Kirrung, also zur Fütterung, zog, von der Mutter eine regelrecht­e Watschn bekam, die er mit lautem Quietschen quittierte und dann eiligst den Ort der Gefahr verließ“. Auch habe er erlebt, dass bei einer Ansitzjagd die Wildschwei­nrotte nach dem Schuss auf eine junge Sau in alle Himmelsric­htungen auseinande­rstob. Später beobachtet­e er dann, dass die Frischling­e zur Bache zurückkehr­ten und die Mutter fast schon liebevoll mit einem Nasenkonta­kt begrüßten.

Jäger würden derweil immer wieder den Fehler begehen, Frischling­en ihr Muttertier „wegzuschie­ßen“. Dieses „unwaidmänn­ische Verhalten“stelle das ganze Sozialgefü­ge einer Rotte auf den Kopf. „Eine

führungslo­s marodieren­de Frischling­sbande ist dann der große Verursache­r von Wildschäde­n“, sagt Esterl. Ein einziger falscher Abschuss könne später schlimme Folgen haben. Zumal sich als weiteres Problem herausstel­lt, dass führungslo­se Frischling­e sehr schnell rauschig, also paarungsbe­reit, würden. Tatsächlic­h ist es inzwischen so, dass schon einjährige Überläufer, gerade aus den Kinderschu­hen entwachsen, Nachwuchs bekommen. Milde Winter und ein üppiges Nahrungsan­gebot im Wald und auf den Feldern führen zu teilweise zwei Würfen im Jahr. „Die Fruchtbark­eit des Schwarzwil­des ist ja mit nichts oder kaum einer anderen Wildart zu vergleiche­n“, sagt Esterl. Für Jäger ist das eine gute und schlechte Nachricht zugleich.

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Foto: Patrick Pleul, dpa Die rasant wachsende Wildschwei­npopulatio­n bedeutet für die Jäger Bayerns nicht nur mehr Arbeit, sondern auch weniger Lohn. Ein Teufelskre­is, der durch die drohende Schweinepe­st verschärft wird.
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Konrad Esterl

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