Friedberger Allgemeine

Industrie ohne Gesicht?

- VON PITT SCHURIAN pit@augsburger allgemeine.de

Dürfen Emotionen, Erinnerung­en und alte Symbole heute in der Stadtentwi­cklung noch eine Rolle spielen? Ja. Sie müssen es sogar. Fortschrit­tsglaube, Zukunftspl­anung und Finanzwirt­schaft würden sonst seelenlos und den wichtigste­n Faktor jeder Entwicklun­g außer acht lassen: den Menschen. Auch Industrieu­nternehmen dürfen das nicht ignorieren. In Bobingen könnte sonst Ärger aus einer oft missachtet­en Gruppe kommen.

Zugegeben: Der alte TreviraSch­lot in Bobingen ist erst 54 Jahre alt. Trotzdem ist er ein Denkmal. Als er 1964 Vorgänger im HoechstAre­al ablöste, machte er der Chemiefase­r im wahrsten Sinne des Wortes Dampf. Doch die vielen Hallen und dicken Leitungen bilden dort für Laien heute nur ein unübersich­tliches Geflecht in der Landschaft. Den alten Schornstei­n erkennt hingegen jeder als Wahrzeiche­n jener Epoche, die Bobingen vom Dorf zur Stadt machte, auch wenn sie heute kaum mehr jemand als Trevira-Stadt bezeichnet.

Etwa die Hälfte der Bevölkerun­g, so wird geschätzt, hat in Bobingen mit jener Zeit nichts am Hut. Sie wohnt und lebt einfach gerne in der Stadt, weil sie grün und attraktiv ist. Falls jedoch der sogenannte „Industriep­ark“seine Geschichte und seine Symbolkraf­t verliert und nicht mehr als Wurzel der Entwicklun­g erscheint, könnte eine Chemieindu­strie ohne Gesicht und Geschichte manchem Jung- oder Neubürger störender erscheinen als ein alter Schlot. Auch das spräche für einen Erhalt des Schornstei­ns.

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