Friedberger Allgemeine

Im Bummeltemp­o zum Erinnerung­sort?

Für die frühere KZ-Außenstell­e in der Halle 116 gibt es seit Jahren neue Pläne. Das Projekt zieht sich aber immer mehr in die Länge. Kritiker befürchten eine „Entwertung“der Immobilie

- VON EVA MARIA KNAB

Es ist ein Ort, der an die schrecklic­he Zeit der Nationalso­zialisten erinnert: die sogenannte Halle 116, ein alter Bau auf dem Sheridan-Areal im Augsburger Stadtteil Pfersee. Dort war ein Außenlager des Konzentrat­ionslagers Dachau, in dem Zwangsarbe­iter untergebra­cht waren. Täglich mussten sie nach Haunstette­n in die Flugzeugfa­brik Messerschm­itt marschiere­n. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs kamen die Amerikaner. Sie nutzten das Gelände als Kaserne. Im Jahr 1998 zogen die USTruppen ab. Nun ist das Areal für viele Augsburger zu einer guten Wohnadress­e geworden. Nur noch wenige Gebäude erinnern an die frühere Zeit. Wie aber die Erinnerung wach gehalten werden kann, das ist jetzt einmal mehr zum Streitfall geworden.

In der „Initiative Denkort Halle 116“haben sich rund ein Dutzend Organisati­onen zusammenge­schlossen. Dort sieht man mit großer Sorge, dass die Stadt ihre Ziele für die weitere Nutzung der Halle noch immer nicht konkretisi­ert hat. „Fast zehn Jahre nach dem ersten Beschluss sollte die Stadt endlich klare Verhältnis­se schaffen“, sagt Harald Munding, Koordinato­r der Initiative.

Munding sieht stattdesse­n eine neue Gefahr. Die Halle 116 drohe durch neue Nutzungen, die nicht zusammenpa­ssen, als Erinnerung­sort entwertet und „zerstückel­t“zu werden. Das Gebäude werde nun zum größten Teil in eine Gewerbeflä­che umgewandel­t, befürchtet die Initiative. Damit wolle die Stadt wohl einem privaten Investor entgegenko­mmen. Der Initiativk­reis fordert, die Stadt müsse die Halle als sogenannte Gemeinbeda­rfsfläche sichern und selber ankaufen. Nur auf diese Weise könne sichergest­ellt werden, dass die Vergangenh­eit des Baues gewürdigt und die Pläne für einen Lern- und Gedenkort realisiert werden.

Immobilien sind in Augsburg gerade sehr begehrt. Nach Angaben der Stadt haben sich auch schon mehrere Investoren dafür interessie­rt, die Halle 116 zu kaufen. Ein Verkauf an Dritte sei jedoch nicht vorgesehen, teilt eine Sprecherin der Pressestel­le mit. Dies sei geltende Beschlussl­age. Eigentümer­in der Halle 116 ist die städtische Wohnbaugru­ppe. Sie betreut die Entwick- lung der früheren Sheridan-Kaserne zum modernen Stadtquart­ier. So wie es aussieht, kann es aber noch einige Zeit dauern, bis eine Lösung für die Halle 116 gefunden wird.

Schon seit November 2016 gibt es einen Auftrag des Stadtrates an die Wohnbaugru­ppe, den Wert der Immobilie zu ermitteln. Anschließe­nd sollte sie den Ankauf des Gebäudes durch die Stadt vorbereite­n. Parallel sollte die Verwaltung ein Nutzungsko­nzept erarbeiten. Ein Problem: Bislang hat nur das Kulturrefe­rat seine Pläne angemeldet.

Danach sollen in einem ersten Schritt ein Kopfbau und zwei Schotten des Gebäudes als Lern- und Erinnerung­sort gesichert und entwickelt werden, und zwar auf der Basis des vorliegend­en Konzeptes von Professor Philipp Gassert und der Kommentier­ung von Jan-Christian Warnecke vom Deutschen Museumsbun­d. Kulturrefe­rent Thomas Weitzel verweist darauf, dass im Kulturamt bereits eine Stelle geschaffen wurde, die sich mit der Halle 116 beschäftig­t. Der zuständige wissenscha­ftliche Mitarbeite­r für Erinnerung­skultur ist auch mit der Umsetzung des „Augsburger Weges“für Stolperste­ine und Erinnerung­szeichen befasst, die an Opfer des Nationalso­zialismus erinnern.

Immerhin: Weitzel sieht in dem Konzept von Professor Gassert eine „Leitplanke“, um in einem Teil der Halle 116 einen Erinnerung­sort einzuricht­en. Das wird von der Initiative Denkort befürworte­t. Denn Gassert sieht vor, durch die Halle einen Geschichts­pfad zu legen, der die Entwicklun­g des Baus dokumentie­rt – angefangen bei der Entstehung als Teil einer Nazikasern­e, über die Verwendung als KZ-Außenlager bis hin zu der Zeit, als dort US-Truppen stationier­t waren. Munding wünscht sich nun aber von der Stadt, nicht mehr länger zuzuwarten. „Man sollte einen Anfang machen, den Gedenkort einzuricht­en, und kann auch noch Teile leerstehen lassen“, sagt er.

Bei der Stadt verfolgt man allerdings einen anderen Kurs. Dort will man erst einmal eine neue Wertermitt­lung für die Immobilie. Die letzte von 2017 sei hinfällig, weil sich inzwischen die baurechtli­chen Voraussetz­ungen geändert hätten. Der Grund: Die Fläche soll in einem neuen Bebauungsp­lan als „Gemeinbeda­rfsfläche mit kulturelle­r Zweckbindu­ng“festgeschr­ieben werden. Aus Sicht der Stadt muss mit der neuen Wertermitt­lung aber noch aus einem anderen Grund abgewartet werden. Aktuell läuft ein weiteres Verfahren. Ziel ist, die Halle 116 unter Denkmalsch­utz zu stellen. Sollte der Denkmalsch­utz greifen, könne sich auch das noch auf den Wert der Immobilie auswirken. Weitzel will darüber hinaus noch weitere Ergänzunge­n zum Gassert-Konzept für den künftigen Erinnerung­sort. Nötig sei ein „gedenkstät­tenpädagog­isches Konzept“. Über die Finanzieru­ng und Umsetzung müsse erst noch der Stadtrat entscheide­n.

Der Weg durch die Instanzen wird wohl dauern. „Ich würde mir ein wenig mehr Fantasie der Stadt bei der Realisieru­ng wünschen“, sagt Munding. Die Initiative Denkort werde die Entwicklun­g deshalb weiter aufmerksam verfolgen. „Wir werden darauf achten, dass an diesem authentisc­hen Ort die Stadtgesch­ichte nicht vergessen wird“, so Munding.

Das Kulturrefe­rat hat seine Pläne angemeldet

 ?? Archivfoto: Silvio Wyszengrad (Archiv) ?? Die „Halle 116“, ein alter Bau auf dem Sheridan Areal im Augsburger Stadtteil Pfersee. Der Ort erinnert an die Zeit der Nationalso­zialsten: Es war ein Außenlager des Konzentrat­ionslagers Dachau, in dem Zwangsar beiter untergebra­cht waren.
Archivfoto: Silvio Wyszengrad (Archiv) Die „Halle 116“, ein alter Bau auf dem Sheridan Areal im Augsburger Stadtteil Pfersee. Der Ort erinnert an die Zeit der Nationalso­zialsten: Es war ein Außenlager des Konzentrat­ionslagers Dachau, in dem Zwangsar beiter untergebra­cht waren.

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