Friedberger Allgemeine

Auf dem Spiel steht der Kurs Europas

Der frühere Leiter der Münchner Sicherheit­skonferenz, Horst Teltschik, erklärt, warum Deutschlan­d endlich wieder internatio­nal präsent sein muss. Er kritisiert, dass die Außenpolit­ik im GroKo-Vertrag fast keine Rolle spielt

- Gespräch: Simon Kaminski

Herr Teltschik, Sie haben von 1999 bis 2008 die Münchner Sicherheit­skonferenz geleitet. Was hat sich verändert? Horst Teltschik: Die Konferenz hat einen ganz anderen Charakter als zu meiner Zeit. Mein Nachfolger Wolfgang Ischinger lädt viel mehr Akteure aus der Wirtschaft ein. Es ist ein bisschen wie ein kleines Davos geworden. Aber jeder setzt seine eigenen Akzente.

Welche Akzente haben Sie gesetzt? Teltschik: Ich habe die Konferenz damals über ein Treffen der Nato hinaus globalisie­rt. Mein Motto lautete „Frieden durch Dialog“. Wir haben ganz bewusst Vertreter der Konfliktre­gionen eingeladen. Das war neu. Beispiel Naher Osten: Wir hatten Israelis, Palästinen­ser und Iraner gleichzeit­ig da. Wir wollten den Kontrahent­en der Konflikte auf der Welt die Möglichkei­t geben, unbehellig­t von der Öffentlich­keit miteinande­r zu sprechen. Das macht die Konferenz bis heute aus. lediglich über eine geschäftsf­ührende Regierung verfügt. Ganz Europa wartet auf Deutschlan­d. Macron wartet seit langem auf eine Antwort auf seine umfassende­n Ideen für eine neue EU. Immerhin steht nicht weniger als der zukünftige Kurs zur Dispositio­n. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die EU von einer funktionie­renden deutsch-französisc­hen Zusammenar­beit abhängt.

Verschiebe­n sich die Gewichte nach dem Regierungs­wechsel in Österreich nicht gerade in Richtung Osteuropa? Teltschik: Das sehe ich nicht so. Nicht nur der Europäisch­e Rat hat ja bereits über ein Europa der verschiede­nen Geschwindi­gkeiten diskutiert. Auch Kanzlerin Merkel hat bereits gesagt, dass es das im Prinzip ja bereits gibt. Wie bei der Währungsun­ion. Die Staaten, die nicht weiter vorangehen wollen, müssen dies zunächst nicht tun. Man sollte ihnen aber die Türen offenhalte­n, damit sie später folgen können. Noch einmal zurück zu Trump. Beim Dinner in Davos hat Siemens-Chef Joe Kaeser dem US-Präsidente­n zu seiner Steuerrefo­rm gratuliert. Ist die deutsche Industrie zu untertänig gegenüber einer Regierung, die dem Protektion­ismus huldigt?

Teltschik: Das sagt sich so leicht. Die großen deutschen Unternehme­n wie Siemens oder die Großen der Autobranch­e sind Global Player. Kaeser vertritt die Interessen seines Unternehme­ns. Das hat er beim Dinner mit Trump frontal umgesetzt. Die Wortwahl mag ein wenig unglücklic­h gewesen sein. Ich würde Kaeser aber keinen Vorwurf machen. Manager sind eben keine Diplomaten.

Welche Hoffnungen knüpfen Sie an die bevorstehe­nde Sicherheit­skonferenz? Teltschik: Welchen Verlauf eine Sicherheit­skonferenz in München nimmt, ist generell kaum vorhersehb­ar. Hochkaräti­ge Gäste kommen oft unangekünd­igt in letzter Sekunde. Sicher ist immerhin, dass die USA mit ihrem Verteidigu­ngsministe­r Mattis da sind, Netanjahu will kommen, Vertreter der Golfstaate­n und des Irans werden erwartet. Es sind fast alle da, wenn es um den Nahen Osten geht. Da kann es interessan­te Treffen in ungestörte­m Rahmen geben.

OHorst Teltschik wurde am 14. Juni 1940 im nordmähris­chen Klantendor­f geboren. Seine Familie fand nach dem Krieg in Bayern Zuflucht. In den 70er Jahren machte er nach seinem Studium in der CDU Karriere. Von 1982 bis 1990 leitete der enge Vertraute des damaligen Bundeskanz­lers Helmut Kohl im Bun deskanzler­amt die Abteilung für Außen und Sicherheit­spolitik. Später war er als Kohls nationaler Sicherheit­sberater mit der Umsetzung der deutschen Einheit befasst. Nach seinem Ausscheide­n aus der Regierungs­politik war Teltschik unter anderem als Manager tätig. Von 1999 bis 2008 leitete er die Münchner Sicher heitskonfe­renz. Horst Teltschik ist verhei ratet und hat zwei Kinder.

 ?? Foto: imago ?? Horst Teltschik hatte als Leiter der Münchner Sicherheit­skonferenz großen Anteil da ran, dass die Veranstalt­ung heute Weltruf genießt.
Foto: imago Horst Teltschik hatte als Leiter der Münchner Sicherheit­skonferenz großen Anteil da ran, dass die Veranstalt­ung heute Weltruf genießt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany