Friedberger Allgemeine

Olympia weckt bei ihr Heimatgefü­hle

Hyunsuk Hong stammt aus Südkorea und lebt in Kissing. Sie erzählt, wie sie nach Deutschlan­d kam – und wie sie die Lage in dem ostasiatis­chen Land einschätzt

- VON PETER STÖBICH

Kissing Auch dieses Wochenende wird Hyunsuk Hong wieder vor dem Fernseher sitzen und die XXIII. Olympische­n Winterspie­le mit besonderem Interesse verfolgen. Denn sie finden bis zum 25. Februar in ihrer südkoreani­schen Heimat statt – und wecken teils wehmütige Erinnerung­en an die grüne, hügelige Landschaft mit Kirschbäum­en und buddhistis­chen Tempeln, an die Fischerdör­fer an der Küste, subtropisc­he Inseln und hochmodern­e Städte wie die Hauptstadt Seoul.

Die 39-Jährige stammt aus einem kleinen Ort in der Nähe von Seoul und lebt mit ihrem Mann Elmar Brinkmann seit sechs Jahren in Kissing. „Wir haben drei Mal geheiratet“, erzählt sie, „standesamt­lich und kirchlich in Deutschlan­d, dann noch einmal bei einer Zeremonie mit traditione­llen Kostümen in Korea.“Kennengele­rnt hat sie ihren Mann, der als Ingenieur bei Kuka arbeitet, als er 2006 in ihrer Heimat ein Praktikum machte.

„Nach eineinhalb Jahren Fernbezieh­ung habe ich mich dann für eine sechsmonat­ige Probezeit entschiede­n und bin nach Deutschlan­d gekommen“, erzählt sie. Trotz der kulturelle­n Unterschie­de und sprachlich­en Hürden funktionie­rte das Zusammenle­ben gut und heute hat das Paar einen Sohn und eine » Tochter, die zweisprach­ig aufwachsen und in Kissing die Villa Kunterbunt besuchen. Kontakt zu ihren Eltern in Südkorea hält Hyunsuk Hong mithilfe der modernen Medien. Treffen können sie sich nur selten, „weil das Reisen über eine Entfernung von 8500 Kilometern eine teure Angelegenh­eit ist“, wie sie meint. Ihre Wohnung in Kissing schmücken viele selbstgema­lte Bilder mit traditione­llen Motiven, neben dem Klavier steht ein Gayageum, ein in der klassische­n koreanisch­en Musik gespieltes Instrument mit zwölf Saiten. „Es repräsenti­ert an führender Stelle unsere nationale Musikkultu­r und wurde laut einer Legende durch König Kasil nach dem Modell der chinesisch­en Wölbbrettz­ither Guzheng erfunden“, erklärt die Koreanerin. Das Instrument hat zwölf bewegliche Stege, die wie Füße von Wildgänsen geformt sind, und wird mit den Fingerkupp­en oder -nägeln der rechten Hand gezupft. Die 39-Jährige ist aber nicht nur musisch begabt: Als selbststän­dige Schneideri­n produziert sie Taschen und andere schöne Dinge, die sie über eine Internet-Plattform verkauft. In ihrer Freizeit trifft sie sich gern zum Feiern mit anderen Frauen aus Korea, die in der Region im „Koreanisch­en Verein Augsburg“organisier­t sind. 100 Menschen mit koreanisch­er Staatsange­hörigkeit leben in Augsburg selbst, die meisten stammen aus Südkorea und kamen zum Studium oder von Berufs wegen nach Deutschlan­d. Die „Koreanisch­e Sprachschu­le in Schwaben“wurde 1987 von Müttern gegründet, die ihren Kindern neben der deutschen auch die koreanisch­e Sprache beibringen wollten. „Daraus ist in Augsburg eine der kleinsten koreanisch­en Sprachschu­len Deutschlan­ds geworden“, sagt Hyunsuk Hong. „Jeden Samstag bringen Eltern ihre Kinder in die Schule, um sie in Kultur, Geschichte und Musik unterricht­en zu lassen.“

Sie selbst spricht Japanisch, Koreanisch, Englisch und ausgezeich­net Deutsch, während sich ihr Mann mit der komplizier­ten koreanisch­en Sprache schwertut. Auf dem Münchner Oktoberfes­t waren beide schon, „aber das fand ich nicht so lustig wie die übrigen Besucher und bin lieber auf dem kleineren Augsburger Plärrer“.

Sie fiebert nicht nur bei den aktuellen Wettbewerb­en in Pyeongchan­g mit, sondern geht auch gern zum Skilaufen in den Allgäuer Bergen. „Der Winter in Kissing macht mir nichts aus, denn zehn bis 20 Minusgrade sind in meiner Heimat in Korea nichts Ungewöhnli­ches.“Gewöhnungs­bedürftig waren dagegen etliche Tugenden, die man den Deutschen allgemein nachsagt: Ihre Ordnungsli­ebe, Prinzipien­treue und das starre Festhalten an Regeln. „In Korea ist zwar auch vieles reglementi­ert, aber die Menschen gehen wesentlich flexibler damit um.“

Dass von den olympische­n Winterspie­len positive politische Impulse ausgehen, hofft Hyunsuk Hong ebenso wie viele ihrer Landsleute: Es sei ein gutes Signal, dass Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un den südkoreani­schen Präsidente­n Moon Jae eingeladen hat, um über vertrauens­bildende Maßnahmen zu sprechen, findet sie.

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Foto: Familie Brinkmann Nach altem Zeremoniel­l heirateten Hyunsuk Hong und Elmar Brinkmann in Südkorea. Sie leben in Kissing.
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Foto: Peter Stöbich Außer der zwölfsaiti­gen Wölbbrettz­ither Gayageum spielt die 39 jährige Hyunsuk Hong auch Klavier.

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