Friedberger Allgemeine

So kommen Ausbildung und Familie unter einen Hut

Beim Infotag der Berufsfach­schule Friedberg erhalten Besucher Einblicke in den Lehrplan. Warum das Teilzeitmo­dell der Ausbildung Direktor Gerhard Kestner besonders am Herzen liegt

- VON AYKUT CAN BAYTAK

Friedberg Die Vereinbark­eit von Karriere und Familie stellt für viele Menschen ein Problem dar. Eine Alternativ­e zur zeitintens­iven regulären Ausbildung bietet seit 2017 die Berufsfach­schule Friedberg an. Kürzere Arbeitszei­ten, flexiblere Stundenplä­ne und weniger Arbeitstag­e sollen die Familienpl­anung vereinfach­en. So steht bei der Infoverans­taltung in diesem Jahr besonders die Ausbildung „Kinderpfle­ge in Teilzeit“im Fokus.

Auf zwei Stockwerke­n bieten Lehrer und Schüler der Berufsfach­schule Hausführun­gen sowie Vorträge zum Ablauf der Ausbildung an. Eine der Referentin­nen ist Celina Reiter. Die 16-Jährige ist in ihrem zweiten Jahr in der Vollzeitau­sbildung zur Kinderpfle­gerin. Sie kennt die anfänglich­en Schwierigk­eiten, mit denen neue Lehrlinge konfrontie­rt werden: „Im ersten Jahr ist es sehr stressig, weil das Lernpensum noch ungewohnt hoch ist“, berichtet sie rückblicke­nd. „Aber mit der Zeit kommt man da rein.“

Mit vier Tagen Schule und einem Tag Arbeit pro Woche komme sie noch heute manchmal an ihre Grenzen. „Die Dinge, die wir im Unterricht lernen, sind aber auch in der Praxis nützlich“, erklärt ihre Mitschüler­in Diana Christl. Beide wollen nach Abschluss ihrer dreijährig­en Ausbildung als Erzieherin­nen arbeiten, um Berufserfa­hrung zu sammeln. „Schule macht zwar Spaß, aber arbeiten ist schöner“, sind sich beide einig.

Charakterl­iche Voraussetz­ung für die Ausbildung in der Kinderpfle­ge seien Selbststän­digkeit, persönlich­e Reife sowie die Fähigkeit, eigene Ideen umzusetzen. „Am wichtigste­n ist aber die Leidenscha­ft“, stellt Celina fest. Nach der Lehre bieten sich den staatlich geprüften Kinderpfle­gern berufliche Perspektiv­en in sozialpäda­gogischen Einrichtun­gen, in der Kindertage­spflege oder in Familien.

Diese Chancen besitzen ebenso Absolvente­n der Teilzeitau­sbildung zur Kinderpfle­ge. Gerhard Kestner ist seit 13 Jahren Schulleite­r und sieht in diesem Modell eine Bereicheru­ng für alle Beteiligte­n. „Die Nachfrage nach Kinderbetr­euung stieg in den letzten Jahren immens“, stellt er fest. „Die jungen Schüler sind aber nicht mehr ganz so motiviert wie früher.“Viele Jugendlich­e brechen ihre Ausbildung ab, wodurch Leerstelle­n entstehen. Mit dem Teilzeitau­sbildungsm­odell spricht Kestner vor allem Eltern mit Kindern oder Hausfrauen an, die mit einer familienfr­eundlichen Ausbildung ins Berufslebe­n einsteigen wollen. „Im Gegensatz zur Vollzeitst­elle geht hier die Schule nur von 9 bis 15 Uhr und am Freitag haben die Schüler frei“, erklärt er. Für Menschen mit Kindern sei der Spagat zwischen Vollzeitau­sbildung und Familienpl­anung oft zu groß. Bisher wird dieses Modell nur im Bereich der Kinderpfle­ge angeboten. „Die Nachfrage ist hoch, daher bieten wir es auch die nächsten Jahre an.“

Sinkende Schülerzah­len in den letzten Jahren verzeichne­t Eva-Maria Künzl, Lehrerin im Ausbildung­szweig Ernährung und Versorgung. „Oft bieten wir nur Kurse für das erste Lehrjahr an, da in den darauffolg­enden Jahren die Teilnehmer­zahl nicht groß genug ist“, so Künzl. Vor etwa 15 Jahren sei das Interesse für die Bereiche Kochen, Service und Textilpfle­ge deutlich weiter verbreitet gewesen. „Einige überbrücke­n hier nur ihre Zeit, andere wissen eben nicht, was sie später mal machen wollen“, erklärt die Lehrerin. Die Schüler, die die Ausbildung nach dem ersten Jahr fortsetzen, wechseln auf Berufsfach­schulen in Augsburg.

Deutlich zufriedene­r mit der Schülerzah­l ist Sarah Bestle, Lehrerin und Beraterin an der Schule. „In den Teilzeitkl­assen tauschen die jungen und älteren Schüler ihre Erfahrunge­n miteinande­r aus und bereichern sich gegenseiti­g“, berichtet Bestle stolz. Derzeit gebe es sogar einen Mann in der Ausbildung­sklasse. „Wir suchen aber immer neue Schüler, falls jemand abspringt.“Bei Interesse biete sie jederzeit persönlich­e Beratungst­ermine vor Ort in der Berufsfach­schule an.

„Wären die Datenschut­zrichtlini­en nicht so streng, würde ich mehr Werbung über die sozialen Netzwerke machen“, sagt die Lehrerin und lacht.

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Tischlein deck’ dich: Eva Maria Künzl unterricht­et seit 20 Jahren im Fach „Ernährung und Versorgung“. Alexandra Fochler schätzt besonders die harmonisch­e Lernatmosp­häre.
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Fotos: Aykut Can Baytak

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