Ein Sog aus Angst und Hoffnung
„True Warriors“erzählt eindrucksvoll, wie afghanische Künstler nach einem Selbstmordanschlag weiterleben. Die Regisseure haben auch eine politische Botschaft
Es soll ein unterhaltsamer Abend werden am 11. Dezember 2014. Im französischen Kulturzentrum in Kabul ist alles bereit für eine Theatervorstellung. Auf der Bühne steht eine afghanische Schauspieltruppe, die in ihrem Stück zeigen möchte, wie Menschen mit der Nachricht eines Anschlags umgehen. Dann passiert das Unfassbare: Nach wenigen Minuten sprengt sich im Kulturzentrum ein Selbstmordattentäter in die Luft, es gibt zwei Tote und viele Verletzte. Viele Besucher berichten hinterher, sie haben den Knall zunächst als besonders realistischen Teil der Inszenierung empfunden.
Was steckt hinter der Nachricht eines Anschlags? Wie leben die Menschen weiter, die ein solches Erlebnis hinter sich haben? Diesen Fragen wollen die deutschen Regisseure Niklas Schenck und Ronja von Wurmb-Seibel in ihrem Dokumentarfilm „True Warriors“auf den Grund gehen.
Schenck erinnert sich genau daran, wie er und seine Frau Ronja, eine Reporterin bei der von der Nachricht des Selbstmordanschlags erfahren haben. Sie waren auf der Rückreise von Afghanistan nach Deutschland, haben zuvor in Kabul ein Jahr für Recherchen gelebt. „Wir kannten Leute, die zu der Vorführung gegangen sind“, erzählt der 35-jährige Schenck. Obwohl das Paar Afghanistan verbunden ist, fühlten sie sich plötzlich weit weg: „Wir hätten die Nachricht über den Anschlag auch in der Tagesschau gucken können.“Die beiden began- nen, die Bekannten, die vor Ort waren, abzutelefonieren. Schnell stellten sie fest: Jeder hatte eine andere Geschichte zu erzählen. Da gab es die, die mit Sarkasmus versuchten, ihre Erlebnisse zu verarbeiten. Andere waren voller Wut, Angst, wollten weg aus Afghanistan. So entstand die Idee, in einem Film die Zeugen zu Wort kommen zu lassen.
„True Warriors“verzichtet fast komplett auf szenische Aufnahmen, Videos aus der Nacht des Anschlags werden nur dosiert eingesetzt, Blut sieht der Zuschauer keines. „Für uns war die direkte Ansprache der Protagonisten die beste Möglichkeit für den Zuschauer, sich näher zu fühlen“, sagt Schenck. Er soll die Erzählungen in seinen Kontext einordnen, sich nicht durch „reißerische oder plumpe Bilder“verstört fühlen. Das macht es dem Zuschauer anfangs nicht leicht, einen Zugang zum Film zu finden. Die Personen wechseln häufig. Wer sich einlässt, wird eingenommen von einem Gefühl von Angst, Unsicherheit und Wut.
Der Film zeigt auch, was die Schauspieler und Besucher aus dem Erlebnis gemacht haben. Manche sind aus Trotz in Kabul geblieben, wollen weiter als Künstler arbeiten. Andere sind in Deutschland, fünf von ihnen haben ein Stipendium bei einem Theater-Projekt in Weimar bekommen. „Deswegen haben wir momentan viel Kontakt zu den Schauspielern“, sagt Schenck.
Bei den Vorführungen des Films in Deutschland möchten er und seine Frau eine Botschaft transportieren. „Wer sagt, Afghanistan ist sicher, lügt.“Das Ehepaar hat mittlerweile einen 18-jährigen Pflegesohn aus Afghanistan und beschäftigt sich intensiv mit der Sicherheitslage vor Ort. Die Regisseure wollen politisch etwas bewegen: Der Film wird im Entwicklungsministerium gezeigt, der Wehrbeauftragte der Bundeswehr soll den Film in verschiedenen Ausschüssen unterbringen. Denn seit dem NATO-Abzug aus Afghanistan sei die Sicherheitslage „dramatisch schlechter geworden“, sagt Schenck.
Dass trotzdem seit Dezember 2016 Menschen, wie zunächst der Augsburger Künstler Ahmad Shakib Pouya, wieder nach Afghanistan in die Perspektivlosigkeit abgeschoben werden, macht Schenck wütend. Trotzdem versucht er, seine Erinnerungen nicht auf die angespannte Situation vor Ort zu beschränken: „Afghanistan ist einfach ein wunderschönes Land.“
OVorführung Der Dokumentarfilm „True Warriors“wird Samstag,
10. März, um 19 Uhr mit deutschen Untertiteln im Grand Hotel Cosmopolis in Augsburg gezeigt. Die beiden Regisseure sind zu Gast.