Wenn Frauen die Rolle des Tenors übernehmen
Viele Chöre in der Region kämpfen mit zwei Problemen: Zu wenig Nachwuchs und zu wenig Männer. Das stellt die Ensembles vor Probleme – bis hin zur Auswahl der passenden Stücke
Friedberg Beim Gospelchor Enjoy herrscht Männermangel. Die Schmiechener Sängerinnen und Sänger behelfen sich, indem sie hohe Männerstimmen mit Frauen besetzen. So kann der Mangel an tiefen Stimmen noch ausgeglichen werden. „Ein Chor mit vielen Männerstimmen klingt aber einfach schöner, hat einen volleren Klang“, sagt Doris Hövelmanns. Sie ist Schriftführerin und aktives Mitglied bei Enjoy und beschreibt ein Problem, unter dem viele Chöre leiden. Die Mitgliederzahlen sinken, die Neuzugänge sind meist Sopran- und Altstimmen.
Viele Chöre in der Region bangen um ihre Zukunft. Der Altersdurchschnitt bei den aktiven Mitgliedern der meisten Vereine liegt bei über 60 Jahren. So spricht der Vorsitzende des Kammerchors Friedberg, Walter Ziegler, charmant von einem „nicht gerade niedrigen Durchschnittsalter“. Es gebe beim Kammerchor keine Jugendlichen unter den Aktiven und nur wenige junge Erwachsene. Auch Walter Denscherz von der Chorgemeinschaft Merching fehlt es an jungen Menschen. Die meisten Mitglieder in der Chorgemeinschaft Merching sind älter als 60 Jahre. Und beim Liederkranz Mering gehöre man mit Anfang 50, laut Pressesprecherin Gisela Listl, zu den Jüngeren.
Doris Hövelmanns ist zudem aktives Mitglied im Schmiechener Kirchenchor. Altersbedingte Nachwuchssorgen sieht sie vor allem beim Kirchenchor. Diese seien sogar Existenz bedrohend und nur durch Notlösungen, wie durch Umgestaltung von Arrangements, zu bewerkstelligen. Stichwort Kirchenchöre: Gerade sie haben rückläufige Zahlen. Im Bistum Augsburg ist ihre Zahl um mehr als 200 auf 680 gesunken.
Der Gospelchor Enjoy hat zwar einen beliebten Kinderchor, jedoch würden viele in der Pubertät nicht den Anschluss zum Erwachsenenchor finden. Gründe hierfür sind oftmals die ansteigende Belastung in der Schule, abnehmendes Interesse oder ein einsetzender Stimmbruch.
„Den jungen Menschen gefällt unser Repertoire nicht. Klassische Chormusik von Mendelsohn oder vierstimmige Schlager sind für Jugendliche nicht so attraktiv“, bilanziert Gisela Listl vom Liederkranz Mering. Die Lösung hierfür sieht man beim Gospelchor Enjoy darin, vermehrt Jugendchöre zu gründen. Diese könnten auch eher den Musikgeschmack der Jugendlichen bedienen. Neben dem Alter ist das Verhältnis von Mann und Frau zahlenmäßig problematisch. Das kann auch Doris Hövelmanns bestätigen. Der Gospelchor Enjoy sei mit zurzeit 35 aktiven Teilnehmern an sich gut besetzt. Doch auch dort ist die Besetzung der Tenöre und Bässe sehr schwierig. Es herrsche „Männermangel, wie überall“. Auch die an sich erfreuliche Beliebtheit der Gospelmusik und Neugründungen jener Chöre in der Region, sorge zusätzlich für Anspannung auf dem „Männermarkt“. Für den Männermangel in gemischten Chören gibt es, laut Gisela Listl vom Liederkranz Mering, noch einen weiteren Grund: „Wenn Männer im Chor singen, dann häufig unter sich. Also in Männerchören.“
Im Liederkranz Mering können die Sänger noch regulär vierstimmig auftreten. Die Männer müssten sich aber besonders anstrengen, um das Ungleichgewicht der Stimmen auszugleichen. Und das sei für Laiensänger nicht leicht zu bewerkstelligen. Andere Chöre setzen aufgrund des Mangels an tiefen Stimmen auf Drei- statt Vierstimmigkeit. Was zur Folge hat, dass manche Kompositionen nicht mehr aufgeführt werden können.
Auch der Kammerchor Friedberg hat bei über 50 aktiven Mitgliedern nur 16 Männer zu verzeichnen. Damit sei der Chor, laut Walter Ziegler, auch noch relativ gut aufgestellt. Denn, „es waren schon mal weniger“. Vor ein paar Jahren hätten sie bei der Verteilung von Flyern noch vier neue männliche Mitglieder überzeugen können. Der Männermangel ist, laut Vorsitzendem Ziegler, vor allem damit zu begründen, dass Frauen mehr Lust auf das gemeinsame Singen im Chor hätten. Auch bei der Chorgemeinschaft Merching sind von 47 Mitgliedern nur 11 Männer.
Um aus der Misere zu gelangen, gehen viele Chöre in die Offensive. „Wir veranstalten viele unterschiedliche Konzerte, organisieren Ausflüge und kommen in Merching sehr gut an“, sagt Walter Denscherz von der Chorgemeinschaft Merching. So haben in letzter Zeit auch zwei neue weibliche Mitglieder zur Chorgemeinschaft Merching gefunden. Auch andere Gesangsvereine organisieren Schnuppertage oder spezielle Konzerte. Der Liederkranz Mering hat letztes Jahr mit einer Band kooperiert. Dabei wurden eher ungewöhnliche Titel wie „Sweet Dreams“von den Eurythmics vorgetragen. Zudem hat das Singen im Chor positive Auswirkungen für Körper und Geist. „Es wirkt stimmungsaufhellend, hält gesund und ist gesellig.“, meint Gisela Listl.
Über zu wenig Zuhörer bei Konzerten beklagt sich allerdings niemand. Von einem Mangel an Würdigung ist demnach nicht zu sprechen.