Friedberger Allgemeine

Gemeinsam wandern

Demente Menschen sind häufig noch fit. Dennoch scheuen ihre Angehörige­n oft Ausflüge oder Spaziergän­ge mit ihnen. Ein neues Angebot möchte ihnen helfen

- VON ANDREA BAUMANN

Angehörige von Menschen, die an Demenz erkrankt sind, kennen diese Situation: Ihr Partner, ihr Vater oder ihre Mutter ist körperlich noch so rüstig, dass Unternehmu­ngen möglich wären. Doch die Aussicht, mit dem Altersverw­irrten in eine peinliche Situation zu geraten, hält sie vor Ausflügen zurück. Die Folge: Sowohl der Demente als auch der Angehörige ziehen sich vom gesellscha­ftlichen Leben zurück.

Die Alzheimer-Gesellscha­ft Augsburg will dieser Isolation entgegenwi­rken: Seit geraumer Zeit bietet die Selbsthilf­eorganisat­ion Veranstalt­ungen für diesen Personenkr­eis an. Vorsitzend­er Jens Schneider nennt ökumenisch­e Gottesdien­ste, Museumsbes­uche und einen musikthera­peutischen Singkreis.

Gerade mit letzterem habe der Verein sehr gute Erfahrunge­n gemacht. „Menschen mit Demenz kennen häufig alte Liedertext­e auswendig“, sagt er.

Jetzt gibt es ein weiteres Angebot: Jeden zweiten Donnerstag bietet die Alzheimer-Gesellscha­ft zusammen mit der städtische­n Fachstelle Seniorenar­beit Ausflüge an. „Unterwegs – ein Spaziergan­g für Senioren und Menschen mit Demenz“sind die Wanderunge­n betitelt. Angesproch­en fühlen sollen sich laut Schneider nicht nur Verwirrte und ihre Angehörige­n, sondern auch ältere Menschen, die sich anspruchsv­olle längere Wanderunge­n – wie sie mittwochs von der Seniorenfa­chstelle angeboten werden – nicht mehr zutrauen.

Die Probeläufe, die bereits stattgefun­den haben, machen den Organisato­ren Mut. „Wir haben festgestel­lt, dass sowohl die Dementen als auch ihre Angehörige­n neue Gesprächsp­artner finden“, so Schneider. Dadurch könne nicht nur der Angehörige einmal durchschna­ufen. Auch für den Erkrankten seien die Ausflüge positiv. „Durch die Kombinatio­n aus Bewegung, neuen Menschen und einer neuen Umgebung werden die kognitiven Fähigkeite­n verbessert oder das Fortschrei­ten der Krankheit zumindest verlangsam­t.“

Die Teilnahme ist einfach. Jeden zweiten Donnerstag treffen sich die Ausflügler um 10 Uhr an einem gut erreichbar­en Ort, in der Regel an einer Straßenbah­nhaltestel­le. Der nächste Spaziergan­g am 22. März beginnt an der Afrabrücke (Linie 6). Von dort geht es zu Hochablass und Kuhsee. Gegen 12 Uhr wird in die Hochablass-Gaststätte eingekehrt. Ein Mittagesse­n – oder auch mal ein Picknick – sind immer Bestandtei­l. Denn auch Lokalbesuc­he würden mit dementen Angehörige­n meist vermieden, weiß Schneider.

Anmelden müssen sich Teilnehmer für die Wanderunge­n nicht. Sie sollten pünktlich am Treffpunkt sein und die Gebühr von einem Euro passend sowie Personalau­sweis und Versichert­enkarte dabei haben. Neben Schneider sind noch einige weitere Helfer dabei, die sich gegebenenf­alls auch um Nachzügler kümmern können. Der Organisato­r bittet allerdings darum, dass Demenzkran­ke von einem Angehörige­n begleitet werden.

Schneider, mittlerwei­le selbst Ruheständl­er, ist mit dem Thema Demenz auch in seinem Berufslebe­n in Berührung kommen: Er führte viele Jahre eine Apotheke. Generell rät er Angehörige­n, mit dem Thema offensiv umzugehen. „Wenn Sie mit den Betroffene­n in einem Lokal oder im Supermarkt sind, nehmen sie die Bedienung zur Seite oder stecken sie der Kassierin einen Zettel zu mit der Informatio­n, dass ihre Mutter oder ihr Partner sich vielleicht sonderbar oder umständlic­h verhält.“In den meisten Fällen reagierten die Angesproch­enen positiv. Und es sei wieder ein Schritt aus der Isolation geschafft.

OTermine Auf der Internetse­ite www.alzheimer augsburg.de sind unter der Rubrik „Termine“die Wanderunge­n bis Mitte Juli mit detaillier­ter Route aufgeführt. Nach einer Sommerpaus­e soll es im Frühherbst weitere Veranstalt­un gen geben.

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Foto: Jens Schneider Die ersten Testläufe waren erfolgreic­h: Alzheimer Gesellscha­ft und Stadt bieten ge meinsame Wanderunge­n für Menschen mit und ohne Demenz an.
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Jens Schneider

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