Angeklagter lebte wohl Tötungsfantasien aus
Ein junger Mann stach seiner Ex-Freundin in den Hals. Die Staatsanwaltschaft fordert nun eine lange Haftstrafe
Reißerisch formuliert könnte Sebastian S., der seit Mitte Januar vor dem Landgericht steht, im Blutrausch gehandelt haben. Wie anders ist es zu verstehen, dass ein junger Mann der Frau, mit der er gerade Sex gehabt hatte, als sie eingeschlafen war ein Messer in den Hals sticht? Er wollte, wie er später den Kripobeamten selbst sagte, Blut spritzen sehen, zusehen, wie ein Mensch vor seinen Augen unter hohem Blutverlust stirbt.
Doch im Prozess stellt sich die Frage, ob der 25-Jährige tatsächlich völlig bei Sinnen war, als er zur Polizei ging und sich selbst belastete. Denn er hat nachweislich jahrelang exzessiv synthetische Drogen wie Kräutermischungen geraucht, die Folgen sind ihm körperlich anzumerken. Den Kripobeamten hatte er freimütig von seinen Tötungsfantasien erzählt. Das Opfer hatte Glück. Der Stich verfehlte knapp die Hauptschlagader, die 22 Jahre alte Frau überlebte verletzt.
Zum Abschluss der Beweisaufnahme wurden gestern die Plädoyers gehalten. Für die Staatsanwaltschaft war es eindeutig ein Mordversuch. Anders sieht es Strafverteidiger Jörg Seubert. Seiner Ansicht nach ist sein Mandant nur der Körperverletzung sowie zweier gestandener Brandstiftungen schuldig. Staatsanwältin Martina Neuhierl beantragte, Sebastian S. zu 13 Jahren Haft zu verurteilen. Anklägerin wie Anwalt halten es für notwendig, dass der 25-Jährige, sobald er einen Teil seiner Strafe verbüßt hat, zur Therapie in eine Suchtklinik eingewiesen wird.
Der 25-Jährige, ein schlaksiger Mann, hat nach Überzeugung der Anklägerin nach einem festen Drehbuch gehandelt. Ungewöhnlich, dass er kein Motiv hatte, ausgerechnet seine Ex-Freundin zu töten, einzig, dass äußere Umstände ihm die Tat erleichterten. Es hätte „jeden x-beliebigen Menschen“treffen können, sagte Neuhierl in ihrem Plädoyer. Sebastian S. hatte der Polizei erzählt, er sei viele Male mit einem offenen Klappmesser in der Hand herumspaziert, in der Absicht, einen Menschen zu töten. Im letzten Moment habe er sich jedoch nicht getraut. Eine Darstellung, der Sebastian S. vor Gericht widersprach. Er habe vor dem Gang zur Polizei angeblich eine Kräutermischung geraucht und sich daher als „brutalen“Täter dargestellt. Was ihm Staatsanwältin Neuhierl nicht glaubt. Sie warf ihm vor, zu lügen.
Als kein Blut spritzte, die Frau schreiend erwachte, habe die Tat für ihn keinen Sinn mehr gemacht, ist die Anklägerin überzeugt. Denn Sebastian S. wäre es leichtgefallen, ein zweites Mal zuzustechen oder die Frau zu erwürgen. Doch das habe nicht seinem „Drehbuch“entsprochen. Stattdessen hat er, wie Claudia K. (Name geändert) dem Gericht schilderte, ihr sogar geholfen die Wunde zu verbinden. Ihr ExFreund erzählte ihr, sie habe sich im Schlaf gewälzt und sich dabei in sein Messer gelegt, das ihm aus der Hosentasche gerutscht sei. Was Claudi K. ihm zunächst glaubte, sich wieder hinlegte und am nächsten Tag zur Arbeit ging. Da ihre Wunde stark schmerzte, war sie noch am gleichen Tag ins Klinikum gefahren, wo Ärzte sie für fünf Tage dabehielten.
Ihr Ex-Freund war in der Wohnung geblieben. Am Abend nach der Tat versuchte er, das Apartment in Brand zu setzen. Auf eingeschalteten Herdplatten türmte er Kunststoffbehälter, Kontoauszüge, Batterien, Schokolade und Kissen zu einem Berg, legte eine Decke darüber und verließ die Wohnung. Ein Student in der Nachbarwohnung hörte den Signalton des Rauchmelders und alarmierte die Feuerwehr. Sechs Wochen zuvor hatte der im Allgäu lebende Angeklagte bei Kempten eine Feldscheune in Brand gesteckt. Im Anschluss hatte er sich selbst bei der Polizei angezeigt.