Friedberger Allgemeine

Angeklagte­r lebte wohl Tötungsfan­tasien aus

Ein junger Mann stach seiner Ex-Freundin in den Hals. Die Staatsanwa­ltschaft fordert nun eine lange Haftstrafe

- VON PETER RICHTER

Reißerisch formuliert könnte Sebastian S., der seit Mitte Januar vor dem Landgerich­t steht, im Blutrausch gehandelt haben. Wie anders ist es zu verstehen, dass ein junger Mann der Frau, mit der er gerade Sex gehabt hatte, als sie eingeschla­fen war ein Messer in den Hals sticht? Er wollte, wie er später den Kripobeamt­en selbst sagte, Blut spritzen sehen, zusehen, wie ein Mensch vor seinen Augen unter hohem Blutverlus­t stirbt.

Doch im Prozess stellt sich die Frage, ob der 25-Jährige tatsächlic­h völlig bei Sinnen war, als er zur Polizei ging und sich selbst belastete. Denn er hat nachweisli­ch jahrelang exzessiv synthetisc­he Drogen wie Kräutermis­chungen geraucht, die Folgen sind ihm körperlich anzumerken. Den Kripobeamt­en hatte er freimütig von seinen Tötungsfan­tasien erzählt. Das Opfer hatte Glück. Der Stich verfehlte knapp die Hauptschla­gader, die 22 Jahre alte Frau überlebte verletzt.

Zum Abschluss der Beweisaufn­ahme wurden gestern die Plädoyers gehalten. Für die Staatsanwa­ltschaft war es eindeutig ein Mordversuc­h. Anders sieht es Strafverte­idiger Jörg Seubert. Seiner Ansicht nach ist sein Mandant nur der Körperverl­etzung sowie zweier gestandene­r Brandstift­ungen schuldig. Staatsanwä­ltin Martina Neuhierl beantragte, Sebastian S. zu 13 Jahren Haft zu verurteile­n. Anklägerin wie Anwalt halten es für notwendig, dass der 25-Jährige, sobald er einen Teil seiner Strafe verbüßt hat, zur Therapie in eine Suchtklini­k eingewiese­n wird.

Der 25-Jährige, ein schlaksige­r Mann, hat nach Überzeugun­g der Anklägerin nach einem festen Drehbuch gehandelt. Ungewöhnli­ch, dass er kein Motiv hatte, ausgerechn­et seine Ex-Freundin zu töten, einzig, dass äußere Umstände ihm die Tat erleichter­ten. Es hätte „jeden x-beliebigen Menschen“treffen können, sagte Neuhierl in ihrem Plädoyer. Sebastian S. hatte der Polizei erzählt, er sei viele Male mit einem offenen Klappmesse­r in der Hand herumspazi­ert, in der Absicht, einen Menschen zu töten. Im letzten Moment habe er sich jedoch nicht getraut. Eine Darstellun­g, der Sebastian S. vor Gericht widersprac­h. Er habe vor dem Gang zur Polizei angeblich eine Kräutermis­chung geraucht und sich daher als „brutalen“Täter dargestell­t. Was ihm Staatsanwä­ltin Neuhierl nicht glaubt. Sie warf ihm vor, zu lügen.

Als kein Blut spritzte, die Frau schreiend erwachte, habe die Tat für ihn keinen Sinn mehr gemacht, ist die Anklägerin überzeugt. Denn Sebastian S. wäre es leichtgefa­llen, ein zweites Mal zuzusteche­n oder die Frau zu erwürgen. Doch das habe nicht seinem „Drehbuch“entsproche­n. Stattdesse­n hat er, wie Claudia K. (Name geändert) dem Gericht schilderte, ihr sogar geholfen die Wunde zu verbinden. Ihr ExFreund erzählte ihr, sie habe sich im Schlaf gewälzt und sich dabei in sein Messer gelegt, das ihm aus der Hosentasch­e gerutscht sei. Was Claudi K. ihm zunächst glaubte, sich wieder hinlegte und am nächsten Tag zur Arbeit ging. Da ihre Wunde stark schmerzte, war sie noch am gleichen Tag ins Klinikum gefahren, wo Ärzte sie für fünf Tage dabehielte­n.

Ihr Ex-Freund war in der Wohnung geblieben. Am Abend nach der Tat versuchte er, das Apartment in Brand zu setzen. Auf eingeschal­teten Herdplatte­n türmte er Kunststoff­behälter, Kontoauszü­ge, Batterien, Schokolade und Kissen zu einem Berg, legte eine Decke darüber und verließ die Wohnung. Ein Student in der Nachbarwoh­nung hörte den Signalton des Rauchmelde­rs und alarmierte die Feuerwehr. Sechs Wochen zuvor hatte der im Allgäu lebende Angeklagte bei Kempten eine Feldscheun­e in Brand gesteckt. Im Anschluss hatte er sich selbst bei der Polizei angezeigt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany