Ein Jahrhundert Pallottiner
Pater Wilfried Kunz recherchiert seit Jahren zur Geschichte seines Ordens und legt in Kürze das komplette Werk vor. Auch Zirkuspatres finden darin ihren Platz
Friedberg Zehn Jahre lang war er Wallfahrtsdirektor von Herrgottsruh in Friedberg, 2011 kam Pater Wilfrid Kunz nach Mering und ist seitdem zur seelsorglichen Mithilfe und zur Betreuung der Schwestern in Theresienkloster eingesetzt. In seiner Freizeit arbeitet er seit vielen
Jahren an der Geschichte der Pallottiner in Deutschland. Das Werk in acht Bänden mit 3000 Seiten wird in Kürze erscheinen. „Es ist praktisch fertig, aber ich bin immer wieder am Korrigieren und Ergänzen“, sagt Pater Kunz. „Noch im Frühjahr soll es in gedruckter Version vorliegen und jeder kann und darf damit arbeiten.“Für die Pallottiner hat das Erscheinen des Werkes große Bedeutung.
„Jede Gemeinschaft braucht ein gutes Archiv, um die Erinnerung zu bewahren. Man versteht sein Heute nur, wenn man das Gestern kennt“, heißt es in der Jubiläumsausgabe der Zeitschrift Kürzlich feierten die Pallottiner ihr 125-jähriges Wirken in Deutschland. Für die Jubiläumschronik lieferte Kunz wertvolle Bausteine, denn seit 2005 betreut er das Archiv im Provinzialat in Friedberg und ist für Anfragen von auswärts in Bezug auf die Geschichte der Provinz zuständig. „Er ist ein wandelndes Lexikon der Pallottiner-Geschichte“, lauten die lo- benden Worte der Mitbrüder. Aus der Feder von Wilfried Kunz stammt auch die dreibändige Geschichte der ehemaligen Südprovinz und 2001 verfasste er die Geschichte der Pallottiner zu Salzburg und transkribierte die Melcher-Chronik von 1870 bis 1890. Dank seiner Beiträge werden Pallottiner schnell fündig, wenn sie sich fragen: Wie und warum war das damals so?
Geschichte gebe die Identität und den Mut zum Handeln heute. „In meiner Zeit als Wallfahrtsdirektor hatte ich wenig Muße für Archivarbeit und Recherchen, denn es war die Phase der Renovierungs- und Umbaumaßnahmen von Herrgottsruh. Und da waren die Tage gefüllt mit Besprechungen und Terminen“, erinnert sich Kunz. In Mering nimmt er sich nun täglich zwei bis drei Stunden Zeit und beschäftigt sich in seinem Arbeitszimmer im Benefiziatenhaus mit der Geschichte der Pallottiner.
Nach wie vor führt ihm die langjährige Haushälterin der Pallottiner, Marlene König den Haushalt. Als Recherchegrundlage für sein groß angelegtes Werk nahm Kunz neben den Schriften im Pallottinerarchiv die sogenannten Totenbriefe im Gedenken an verstorbene Patres zur Hand, las Rundbriefe der Provinz aus den 1920er und 30er Jahren sowie Briefe und Rundschreiben aus der Gemeinschaft der Pallottiner weltweit, die teilweise auch in Englisch oder Latein verfasst sind. „Da bin ich immer wieder auf sehr interessante Dinge gestoßen“, erklärt Wilfried Kunz, der in diesem Jahr seinen 75. Geburtstag feiert und im kommenden Jahr sein goldenes Priesterjubiläum begehen wird.
Zunächst gingen die Pallottiner als Missionare in die Geschichte ein. Sie waren Seelsorger der Auswanderer. So fand auch der erste junge Deutsche Ämilian Kirner, der im Verkauf von Schwarzwälder Uhren tätig ist, zu den Pallottinern. Wie Pater Wilfried Kunz stammte er aus dem Schwarzwald. Ein interessantes Kapitel im mehrbändigen Werk von Pater Kunz ist auch die Sonderseelsorge wie für Zirkus- und Schausteller, die Camping- oder Kurseelsorge sowie die Flughafenseelsorge. „1909 wurde der Kuchen der pallottinischen Welt in vier Teile geteilt. Im Laufe meiner Recherchearbeit habe ich aber die Erkenntnis gewonnen, dass der Trend wieder dahin geht, wo man hergekommen ist“. Vom Tod Vincenz Pallottis an bis 1909 war alles eine Weltgemeinschaft, dann aber erfolgte die Teilung in Provinzen, doch inzwischen werden wieder Teile zusammengeschlossen. Die Verbindung zu den großen Missionen in Indien und Afrika sind eng und die Hilfen zwischenzeitlich beidseitig. „Die Pallottiner waren viele Jahre ein Missionsorden, jetzt sind sie eine Glaubensgemeinschaft, die versucht, mit Unterstützung von Laien Gemeindearbeit zu machen. Inzwischen kommt die Mission zu uns. So ist der Generalober in Rom beispielsweise ein Inder“, erklärt Wilfried Kunz.
Ein Sonderkapitel in Pater Kunz Werk widmet sich dem Priesternachwuchs. „Das Pastoralinstitut in Friedberg führt seit 1961 für die Pallottiner im gesamten deutschen Sprachraum und auch für andere Orden die Jahreskurse zur Einführung in die Pfarrseelsorge für Jungpriester durch. Sie werden meist im Raum Augsburg in den Pfarreien eingesetzt, lange Jahre auch in Mering. Die acht Bände reichen vom Jahr 1909, der Aufteilung der Gesellschaft vom Katholischen Apostolat in vier Provinzen, bis heutzutage mit einer Bestandsaufnahme der Niederlassungen, Pfarreien und Seelsorgedienste.