Friedberger Allgemeine

„Wir müssen Widerstand leisten“

In Augsburg sprechen die bayerische­n Bischöfe über den Umgang mit Populismus. Für den Bamberger Erzbischof Schick ist klar: Die Kirche muss Position beziehen. Etwa gegenüber der AfD

- Interview: Daniel Wirsching

Herr Erzbischof Schick, was verstehen Sie unter Populismus?

Erzbischof Ludwig Schick: Halbwahrhe­iten oder Unwahrheit­en, die eingesetzt werden, um bestimmte Interessen zu verfolgen.

Ist die AfD für Sie in diesem Sinne eine rechtspopu­listische, ja rechtsradi­kale Partei?

Schick: Pauschalis­ieren führt nicht weiter. Die AfD hat rechtsradi­kale Populisten in ihren Reihen; allzu Rechtsradi­kale schließt sie teilweise auch selber aus. Wir müssen bei der einzelnen Person und ihren Aussagen ansetzen und dann diskutiere­n. Nur so können wir Populismus überwinden.

Der kirchenpol­itische Sprecher der AfD-Bundestags­fraktion, Volker Münz, wurde zum Katholiken­tag in Münster eingeladen, der im Mai stattfinde­t. Eine richtige Entscheidu­ng? Schick: Ja. Die AfD ist eine Partei, die mit 12,6 Prozent in den Bundestag gewählt wurde. Man muss mit ihren Vertretern diskutiere­n, man darf sich aber nicht von ihnen vereinnahm­en lassen. Wir als Kirche müssen unsere Positionen sehr, sehr deutlich äußern. Wir müssen aufpassen, dass AfD-Anhänger unsere Aussagen nicht verdrehen und eventuell als Zustimmung verbuchen.

Alice Weidel, die AfD-Fraktionsv­orsitzende im Bundestag, sagte einmal, die AfD sei „die einzige christlich­e Partei, die es noch gibt“.

Schick: Genau das nenne ich Populismus. Das ist schlicht unwahr, interessen­geleitet und pauschalis­ierend. Das ist AfD-Parteiprop­aganda. Eine Partei, die sich christlich nennt, muss christlich­e Positionen vertreten. Von AfD-Politikern gibt es aber Äußerungen, die nicht mit dem christlich­en Menschenbi­ld vereinbar sind. Etwa wenn Björn Höcke davon spricht, dass die Evolution Afrika und Europa „zwei unterschie­dliche Reprodukti­onsstrateg­ien beschert“habe. Oder wenn André Poggenburg eine ganze Bevölkerun­gsgruppe als „Kümmelhänd­ler“abwertet. Für einen Abgrenzung­sbeschluss der katholisch­en Kirche ist aber die Freisinger Bischofsko­nferenz nicht zuständig. Wie gesagt, ich bin zurückhalt­end. Wir müssen uns mit jedem einzelnen rassistisc­hen Thema und jeder populistis­chen Äußerung beschäftig­en, und das unmissvers­tändlich. stellen. Jeder, der unsere demokratis­che und soziale, rechtsstaa­tliche und humane Gesellscha­ft erhalten will, muss Populisten entgegentr­eten.

Sie hoffen auf einen Dialog und auf Einsicht.

Schick: Natürlich, das ist im christlich­en Menschenbi­ld begründet: Christen glauben, dass der Mensch Vernunft und Einsicht hat und sich bekehren kann. Schick: Solche Kommentare haben mich getroffen. Aber zu meinem Einsatz für Minderheit­en, für Gleichheit, „Einigkeit und Recht und Freiheit“in Deutschlan­d habe ich mehr positive Unterstütz­ung als solche unappetitl­ichen und inakzeptab­len Kommentare erhalten. Das ist auch ein gutes Zeichen für unsere Gesellscha­ft. Mich haben diese Kommentare eher darin bestärkt, noch mehr Widerstand gegen alles, was unsere christlich geprägte Zivilisati­on angreift, zu leisten.

Was müssen CDU/CSU und SPD nun tun, um einem Erstarken der politische­n Ränder entgegenzu­wirken? Schick: Der Koalitions­vertrag bekennt sich klar zu unserem jüdischchr­istlichen Werteverst­ändnis als Grundlage unseres Zusammenle­bens. Das freut mich und lässt hoffen. Dies muss nun aber in der Politik der Großen Koalition in allen Einzelents­cheidungen sichtbar werden.

Der neue Gesundheit­sminister Jens Spahn von der CDU hat kürzlich gesagt: „Niemand müsste in Deutschlan­d hungern, wenn es die Tafeln nicht gäbe“, mit Hartz IV habe „jeder das, was er zum Leben braucht“.

Schick: Diese Äußerung ist von der Wirklichke­it nicht gedeckt und unüberlegt. Hartz IV reicht gerade zum Überleben. Wenn dann zum Beispiel die Waschmasch­ine in einem Hartz-IV-Haushalt kaputtgeht, reicht es schon nicht mehr; von der Rente ganz zu schweigen. Das Grundprobl­em ist doch, dass wir zu viele Menschen in Deutschlan­d haben, die auf Hartz IV und auf Tafeln angewiesen sind. Das muss geändert werden.

Wie genau meinen Sie das?

Schick: Ich erhoffe mir von der Großen Koalition jetzt ganz konkrete Schritte, zum Beispiel eine weitere Erhöhung der Hartz-IV-Sätze; diese steigen nicht entspreche­nd der Lebenshalt­ungskosten. Es muss auch mehr Hilfen geben, um aus Hartz IV herauszuko­mmen.

Und dies wäre eine Politik gegen populistis­che Auswüchse?

Schick: Auch! Es ist aber mehr gefordert. Gerade wir als katholisch­e Kirche müssen Populisten in die Schranken weisen, müssen Widerstand leisten. Als Kirche müssen wir für die Menschenwü­rde, Menschenre­chte und für die Wahrheit über Gott und Mensch einstehen und eine entspreche­nde Politik fordern. Wir werden hier nicht schweigen.

OLudwig Schick ist seit 2002 Bamber ger Erzbischof. Er wurde 1949 in Mar burg geboren, 1975 zum Priester geweiht.

 ?? Foto: Armer, dpa ?? Erzbischof Ludwig Schick kritisiert die AfD deutlich: Wenn Alice Weidel sage, die AfD sei „die einzige christlich­e Partei“, sei das „AfD Parteiprop­aganda“.
Foto: Armer, dpa Erzbischof Ludwig Schick kritisiert die AfD deutlich: Wenn Alice Weidel sage, die AfD sei „die einzige christlich­e Partei“, sei das „AfD Parteiprop­aganda“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany