Friedberger Allgemeine

Wildes für die Salatschüs­sel

In der Gärtnerei Koch-Hagenbusch ist Wildkräute­rsalat vor allem in den Wintermona­ten der Renner. Die abenteuerl­ich klingenden Sorten sind auch ein Zeichen des Umbruchs

- VON STEFFI BRAND

Landkreis Augsburg Pak Choi ist noch der bekanntest­e Name, der unter den vielen „wilden“Samennamen des Wildkräute­rsalats zu finden ist. Mustard Red Giant, Mizuha Nagoya, Red Russian Kale, Tatsoi Shing Sun und Wasabino sind die anderen wilden Kräuter, die – gemeinsam angesät – zu Wildkräute­rsalat werden. Insgesamt acht verschiede­ne Sorten mischen die Brüder Ulrich und Michael Hagenbusch zusammen, um den mittlerwei­le sehr begehrten Wildkräute­rsalat ihren Kunden anbieten zu können. Gemischt wird mit Blick auf Farbe, Form und Wachstumsp­hasen. Bis sich ihre Kunden mit diesem wilden Mix angefreund­et haben, habe es einige Zeit gedauert, erklären Ulrich und Michael Hagenbusch rückblicke­nd. Jetzt werden immer weitere Varianten angefragt.

Hirschhorn­wegerich ist die neueste Einzelsaat, die sie – wenn Kunden nach Wildkräute­rsalat fragen – gerne zusätzlich mit anbieten. Auch Landkresse, die geschmackl­ich ein wenig an Kresse erinnert, allerdings durch eine leichte Schärfe vor allem zum Würzen des Salats dient, passt gut zu den anderen wilden Kräutern. Feldsalat, Portulak und Babyleaf sind weitere Salatarten, die besonders gut zur Mischung passen.

Nur wenige Wochen braucht der Salat, um verkaufsre­if zu werden. Mit einem vergleichs­weise unscheinba­ren Gerät funktionie­rt das Einsäen von 52 einzelnen Pflänzchen mit nur einem Knopfdruck. Dazu wird das Gerät auf eine Platte aufgesetzt, die 52 mit Erde befüllte Becher beinhaltet. Oben wird der Samen hineingeki­ppt, über 52 Einzelleit­ungen kommt dieser dann direkt in den Becher – und somit in den Nährboden für die nun folgenden sechs Wochen. Dieser Arbeitssch­ritt ist der einzige maschinell­e Vorgang im Produktion­sprozess.

Eine Woche braucht der Samen bei warmen 20 Grad Celsius. In der zweiten Woche wird die Schale, in der der Samen sitzt, fast direkt unters Dach des Gewächshau­ses ge- stellt: Bei 22 Grad Celsius verbringt er hier die zweite Woche. Dann wird’s für den Wildkräute­rsalat deutlich kälter. Nur 12 bis 14 Grad hat es an seinem neuen Standort, an dem er zwei Wochen bleibt. Anschließe­nd wandern die Pflänzchen nach draußen und verbringen die Wochen vier bis sechs bei gerade einmal null bis vier Grad – in Platten, auf Tischen. Ein ausgeklüge­ltes Klimakonze­pt versorgt nicht nur den Wildkräute­rsalat mit der passenden Temperatur, sondern auch die anderen Gemüse- und Salatsorte­n passgenau mit dem, was sie Steht der Verkauf von Wildkräute­rsalat an, wird er am Abend von der Platte geschnitte­n, um am nächsten Morgen im Verkaufsst­and auf dem Markt, im Laden der Gärtnerei oder in den KochBoxen im Online-Shop angeboten zu werden. Eine Handvoll Wildkräute­rsalat macht etwa 50 bis 70 Gramm. Nur zwei Kilogramm gibt es pro Verkaufsst­and. Meist dauert es nicht lange, und der Wildkräute­rsalat ist vergriffen. Ulrich Hagenbusch weiß warum: „Wildkräute­rsalat gibt es nicht an jedem Stand.“Und genau dieser Weg, der Weg in die gärtnerisc­he Nische, hin zu lukrativen Premiumpro­dukten, kommt nicht von ungefähr. Dieser ist historisch bedingt – was heute natürlich keiner merkt, der die Produkte der Gärtnerei Koch-Hagenbusch kauft.

Das Gemüse der Gärtnerei tourt regelmäßig durch den Landkreis. Mittwochs gibt es die Produkte auf den Märkten in Klosterlec­hfeld und Graben, donnerstag­s vor der Citygaleri­e Augsburg, freitags in Bobingen, Scheuring und Schwabmünc­hen und samstags in Königsbrun­n und Untermeiti­ngen. Auch im Hofbrauche­n. laden Frisch (Königsbrun­n), bei Edeka Gropper (Augsburg) und in Höfles Hofladen (Augsburg) ist das biologisch erzeugte Gemüse, das im Augsburger Stadtteil Inningen angebaut wird, längst eine feste Größe.

Gedacht hat das noch vor einigen Jahren niemand, denn vor gut zehn Jahren stand es mit dem Gemüseanba­u in der Gärtnerei Koch-Hagenbusch Spitz auf Knopf. Der Grund: Ulrich Hagenbusch wagte nach der Meisteraus­bildung zum Gärtner und Floristen einen Blick in die betriebswi­rtschaftli­chen Zahlen und kam zu dem Schluss: Der Gemüseanba­u ist unrentabel und kann in der bisherigen Weise nicht fortgeführ­t werden. Darauf wollte sich sein Vater, ebenfalls ein gelernter Gärtner, allerdings nicht einlassen. Und so entschiede­n sie sich gemeinsam, auf lukrative Premiumpro­dukte zu setzen, die nicht überall erhältlich sein sollten. Diese 180-Grad-Wendung ging auf.

Auf sieben Hektar pflanzt Ulrich Hagenbusch, der vor sechs Jahren Unterstütz­ung von Bruder Michael bekam, Gemüse an – ohne dabei Pflanzensc­hutzmittel einzusetze­n. Produktion und Ausbildung ist das Metier des 34-jährigen Ulrich Hagenbusch. Der 32-jährige Bruder Michael kümmert sich ums Marketing, den Online-Shop, den Lieferserv­ice, der bis nach Mering, Friedberg, Gersthofen und Untermeiti­ngen reicht, und um die Präsenz des Verkaufsst­ands auf den Wochenmärk­ten. Die Mutter der beiden, die das „Koch“des Firmenname­ns mit eingebrach­t hat, arbeitet ebenfalls in der Gärtnerei, die 1959 von ihrem Vater gegründet wurde. Noch heute ist sie die gute Seele des Ladens, die jeden Arbeitssch­ritt genau kennt und überall mit anpackt.

Der Wildkräute­rsalat ist ein Produkt, das perfekt in die neu aufgelegte Nischenkul­tur passt. Die Saison dafür beginnt um Allerheili­gen und endet im Sommer. Ab Mai gibt es Freiland-Salate. Die Brüder wissen: „Regionale Produkte sind gerade der Renner.“Auch wenn ihre Gärtnerei fast etwas zu abseits liegt, um Laufkundsc­haft anzuziehen, begrüßen sie ihre Kunden gern vor Ort. „Jeder kann sich hier ein Bild unserer Arbeit und unserer Produkte machen“, erklärt Michael Hagenbusch. Und die Produkte sind durchaus ungewöhnli­ch: Wasserund Honigmelon­en soll es im Sommer geben. Im vergangene­n Jahr wurden Süßkartoff­eln angebaut. Feuerrote „Blutkarott­en“sollen heuer testweise aufgezogen werden. Auch Mairüben, Artischock­en und Vulkanspar­gel wird es aus dem eigenen Anbau geben. Klassiker wie Paprika und zwölf Tonnen Tomaten ergänzen das Portfolio. Dabei haben die Brüder eine Intention: „Wir möchte neue Produkte anbieten. Anders und früher als die Konkurrenz zu sein ist dabei unser Ziel.“

Feldsalat und Portulak

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 ?? Fotos: Marcus Merk ?? Acht verschiede­ne Sorten mischen die Brüder zusammen, um den begehrten Wildkräute­rsalat für ihre Kunden zu ziehen. Im Bild Michael Hagenbusch.
Fotos: Marcus Merk Acht verschiede­ne Sorten mischen die Brüder zusammen, um den begehrten Wildkräute­rsalat für ihre Kunden zu ziehen. Im Bild Michael Hagenbusch.
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Der Wildkräute­rsalat wächst erst drinnen, dann wandern die Pflänzchen nach drau ßen.
 ??  ?? Die Gärtnerei Koch Hagenbusch ist ein echter Familienbe­trieb. Mit dabei: Michael und Ulrich Hagenbusch (von links).
Die Gärtnerei Koch Hagenbusch ist ein echter Familienbe­trieb. Mit dabei: Michael und Ulrich Hagenbusch (von links).

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