Lieder und Fingerschnippen in St. Agnes
Verein Live Music Now begeistert im Seniorenzentrum. Er hat ein besonderes Konzept
Mering Rund zwei Dutzend Bewohner des Seniorenzentrums St. Agnes sitzen in dem gemütlichen Café im Erdgeschoss. Gespannt warten sie auf das Klassik-Erlebnis mit Stipendiaten des Augsburger Vereins Live Music Now (LMN).
„Musik heilt, Musik tröstet, Musik bringt Freude“– das war eine prägende Erfahrung des weltberühmten Geigers Yehudi Menuhin. Dieser Gedanke liegt dann auch der von ihm 1977 in Großbritannien gegründeten Organisation LMN zugrunde, die die Überzeugung vermittelt, dass Musik auch Therapie ist. Der Verein entsendet Studierende von Musikhochschulen zu Menschen, die selber nicht zur Klassik kommen können: In Seniorenheime, Krankenhäuser, Schulen für Behinderte, Gefängnisse, psychiatrische Kliniken oder auch Flüchtlingsunterkünfte.
Es ist Hausmusik im edelsten Sinn des Wortes, die den Zuhörern oft neuen Lebensmut schenkt. Maria Bradl, die neue Pflegedienstleiterin von St. Agnes und ihre Assistentin Daniela Eberhardt, begrüßen die drei jungen Musiker der LMN, das Trio „Weischjasel“, und freuen sich, dass so viele Menschen das Konzert genießen. Sabine KühnlCiliberto, die stellvertretend die LMN-Organisation übernommen hat, erzählt, dass auch sie als Flötistin einmal Stipendiatin der LMN gewesen sei und heute als künstlerische Beraterin und Jurorin beim LMN-Verein in Augsburg tätig ist.
Menuhin, der 1916 geborene Geiger und Humanist, hatte in jungen Jahren sehr viel Elend und Grauen erlebt, und entwickelte eine Vision: Musik als Trost für alle, die mühselig und beladen sind. Der Virtuose selber hatte in den vierziger Jahren in Lazaretten und vor Kriegsgefangenen konzertiert. Das Projekt „Live Music Now“startete Menuhin 1977 in London.
Bald kamen europaweit Ableger hinzu, vor 16 Jahren auch in Augsburg. „Bei ihren Auftritten moderieren unsere Stipendiaten sich stets selber“, erklärt Sabine Kühnl-Ciliberto. So erzählt Violinistin Viona Schwaiger auf charmante Weise ein wenig über die Stücke. Sie erklärt den älteren Damen und Herren: „So was spielt man heute in der Disco.“Die Zuhörer sitzen da, klatschen, manche wippen mit den Füßen im Takt.
Während Geige, Cello und Kontrabass erklingen, herrscht aber eine fast schon andächtige Ruhe. Da ist sie wieder, die Macht der Musik. Die drei Musiker haben Liedtexte kopiert und verteilt. Abwechselnd mit den klassischen Stücken erklingen alte Volksweisen wie „Die Gedanken sind frei“. Das Publikum singt mit – anfangs noch verhalten, dann aber mit wachsender Begeisterung. Vor der Türe des Cafés bleiben sogar Pflegekräfte stehen, um zu lauschen.
Kontrabassist Sven Rexhausen setzt sich abschließend ans Klavier und spielt mit seinen Mitmusikern „Fly me to the moon“. Ein Jazzstandard in seiner Vollendung. Auch die Frauen und Männer in St. Agnes scheinen das zu spüren. „Des is schön, was die machen“, klingt es aus den hinteren Reihen. „Deswegen sind wir bei LMN: Wir können den Menschen wirklich etwas geben“, fasst Cellist Dimitris Lampos den Nachmittag zusammen.