Alleinerziehende Mutter findet keine Wohnung
Im Juni muss Sibell Harke mit ihren zwei Töchtern ihr Haus in Kissing verlassen. Doch die 35-Jährige findet nichts Neues. Von ihrer verzweifelten Suche und Vermietern, die 120 Quadratmeter für Singles anpreisen
Kissing Seit einem Jahr ist Sibell Harke aus Kissing bereits auf der Suche nach einer neuen Wohnung. Gefunden hat sie bisher nichts. Dabei drängt die Zeit. Anfang Juni muss die alleinerziehende Mutter mit ihren Töchtern aus dem Haus im Altort ausziehen.
Im Einzugsgebiet der beiden Großstädte München und Augsburg hat sich Kissing in den vergangenen Jahren zu einem äußerst begehrten Wohngebiet entwickelt. Aufgrund der hohen Nachfrage steigen Grundstücks- und Immobilienpreise. Zudem wird es für Mieter immer schwieriger, eine Wohnung zu finden.
Im Mai vergangenen Jahres hatte der Eigentümer das Haus, in dem Harke mit ihren Töchtern zurzeit noch wohnt, verkauft. Zunächst weigerte sich die 35-jährige Mutter, einen Aufhebungsvertrag zu unterschreiben. Doch dann entschied sie nachzugeben. „Ich will ja gar keinen Ärger mit dem Hausbesitzer und dem neuen Käufer“, sagt sie. Die Bedingungen seien sowieso nicht ideal. „Es läuft ständig Wasser in den Keller und die Hauptbeheizung ist mit Holz“, sagt die 35-Jährige. Es gebe zwar auch eine Stromheizung, deren Betrieb sei aber extrem teuer.
Also beschloss Harke, nicht gegen die Kündigung aufzubegehren und sich etwas Neues zu suchen. „Anfangs war ich noch guter Dinge, ich hatte ja noch ein Jahr Zeit. Ich dachte, das reicht.“Dabei täuschte sie sich. Nach unzähligen Anfragen bei Internetportalen, Telefonaten mit Vermietern und Wohnungsbesuchen in Kissing, Mering und der Umgebung hat sie nichts in Aussicht. Dabei habe sie gar keine hohen Ansprüche: Eine Zweizimmerwohnung mit einer Heizung, die nicht mit Strom betrieben wird – dazu einen Keller, um ihre zusätzlichen Sachen unterzubringen.
Seit zehn Jahren wohnt die 35-Jährige inzwischen in Kissing. „Damals war es leichter, etwas zu finden, weil ich einen Mann hatte“, sagt sie. Inzwischen sind die beiden aber geschieden. Harke wohnt mit ihren zwei Töchtern in dem Haus im Altort. Die eine ist fünf Jahre alt und geht in den Kindergarten, die andere acht und besucht die Grundschule in Kissing. Eine dritte Tochter, elf Jahre alt, wohnt beim Vater. „Sie ist aber auch regelmäßig hier“, sagt Harke. Die 35-Jährige erklärt, dass ihre Kinder gerne weiter in der Gemeinde wohnen würden. „Sie fangen gerade an, hier Freundschaften aufzubauen und zu pflegen.“
Harke habe zunächst mit Erschrecken feststellen müssen, dass die Zahl der Wohnungen in ihrem Preissegment extrem begrenzt ist. Die 35-Jährige ist ausgebildete Frisörin. „Da habe ich aber nichts gefunden, wo ich vormittags arbeiten kann.“Nun sei sie im Gartenbau tätig, dreimal die Woche vormittags. Mehr sei nicht möglich, weil sie sich um ihre Kinder kümmern müsse. Da ihr Gehalt nicht zum Leben ausreiche, bezahle die Arbeitsagentur ihre Miete. Im Fall der 35-Jährigen kommt sie für eine Höhe von bis zu 595 Euro auf. Die Wohnung darf dabei nicht mehr als 75 Quadratmeter haben.
Harke sagt, dass ihre Bemühungen, etwas zu bekommen, im vergangenen Jahr sehr enttäuschend verlaufen seien. Viele Vermieter reagierten nicht auf Anfragen im Internet. „Am Telefon sind sie meist freundlich, rufen aber nie zurück.“Sonst sei ihr wieder eine Wohnung mit Elektroheizung angeboten worden. „Das kann ich mir einfach nicht leisten“, sagt sie. Grundsätzlich habe Harke das Gefühl, dass die Vermieter sich alleinstehende Besserverdiener herauspicken. „Eine alleinerziehende Mutter wird dann einfach nicht berücksichtigt.“Die 35-Jährige ärgert sich, wenn sie im Internet Angebote für 120-Quadratmeter-Wohnungen mit dem Vermerk „Für Singles geeignet“findet.
Mit ihren Töchtern redet sie behutsam über die Situation. „Ich kann das nicht verheimlichen und dann plötzlich zu ihnen sagen: Wir müssen nun in einen Container ziehen.“Damit spielt sie auf Notbehausungen an, die Gemeinden für Obdachlose bereitstellen. Die Lage setze der Familie zu. „Eigentlich müsste ich bereits anfangen zu packen. Aber ich habe ja gar kein Ziel“, sagt Harke. In ihrer Not hat sie sich an die Gemeinde gewandt und bis zum Bürgermeister durchgefragt.
Manfred Wolf sagt, dass er sich bemühe, der 35-Jährigen zu helfen. Er habe beispielsweise bei der Wohnbau für den Landkreis angefragt, doch bisher nichts erreichen können. „Es ist sehr schwer, zurzeit etwas zu finden“, sagt er. Der Bürgermeister habe die Erfahrung gemacht, dass freie Wohnungen gar nicht mehr öffentlich ausgeschrieben, sondern im Bekanntenkreis weitervermittelt werden. Schon länger sei er auf der Suche nach Grundstücken, um neue Sozialwohnungen in Kooperation mit der Wohnbau zu schaffen. Die Gemeinde selbst verfüge nicht über Flächen in geeigneter Größe.