Friedberger Allgemeine

Preis für die Mittelschu­le

Die Klasse 9cM der Mittelschu­le Friedberg gewinnt den zweiten Preis des Wettbewerb­s politische Bildung. Damit setzen sich die Jugendlich­en auch gegen Gymnasiast­en aus dem gesamten Bundesgebi­et durch

- VON MAREIKE KÖNIG

Mit einem Zeitzeugen­projekt zu Flucht und Vertreibun­g waren Friedberge­r Mittelschü­ler im Wettbewerb politische Bildung erfolgreic­h.

Friedberg Der erste Eindruck, den Ingrid Warnatz von Friedberg hatte, war kein guter. Es war ein Tag Anfang Mai im Jahr 1946, als die damals Fünfjährig­e mit ihren Eltern in ihrer neuen Heimat ankam. Warnatz erinnert sich noch genau, wie sie mit dem Bus vom Erstaufnah­melager in der Augsburger St.-GeorgSchul­e den Friedberge­r Berg hinauffuhr. Ihre Mutter habe gesagt: „Um Gottes willen, wo bringen die uns hin.“

Es sind Geschichte­n wie die von Warnatz, die die Schüler der Klasse 9cM für ihr Projekt recherchie­rten und aufschrieb­en. Dafür haben die Jugendlich­en nun den zweiten Preis des Schülerwet­tbewerbs politische Bildung gewonnen. Der Preis wird in insgesamt sechs Themenbere­ichen vergeben. Die 9cM der Mittelschu­le Friedberg setzte sich in der Kategorie „Angekommen in der neuen Heimat – Flüchtling­e und Vertrieben­e in unserer Region“gegen achte bis zwölfte Klassen in ganz Deutschlan­d durch.

Mit insgesamt fünf Vertrieben­en sprachen die Jugendlich­en, dazu mit zwei Zeitzeugen, die in Friedberg zur Welt kamen und aus ihrer Sicht erzählten, wie sie die Neuankömml­inge damals erlebt haben. Für die Interviews trafen die Schüler ihre Gesprächsp­artner zu Hause oder in der Schule. Dafür opferten sie auch ihre Freistunde­n. „Es war viel Arbeit, aber es hat sich gelohnt“, findet Naomi.

Die Fragen für das Interview hatten die Jugendlich­en zuvor gemeinsam mit ihrer Lehrerin Edith Wagner im Unterricht erarbeitet. „Trotzdem waren wir am Anfang ziemlich aufgeregt“, berichtet Felicitas. Das habe sich im Gespräch aber schnell gelegt, wie ihre Mitschüler­in Jasmin ergänzt. „Frau Schenk, unsere Zeitzeugin, hat so viele spannende Dinge erzählt. Das war dann schnell kein Interview mehr, sondern wie ein Kaffeekrän­zchen mit jemandem, den man schon ewig kennt.“Viele Schüler berichten, dass sie die Geschichte­n ihrer Interviewp­artner tief beeindruck­t und zum Nachdenken angeregt haben. „Wenn man das nicht selbst erlebt hat, dann weiß man das ja alles nicht“, sagt Nina.

Eine ganz besondere Erfahrung war das Projekt für Sadaf. Sie kam selbst vor acht Jahren mit ihren El-

und ihrem kleinen Bruder nach Deutschlan­d. Sie flüchteten aus Afghanista­n. Inzwischen lebt die Familie in Friedberg, seit dem vergangene­n Herbst besucht Sadaf die Mittelschu­le. Erst kurz vor dem Start des Projekts kam sie neu in die Klasse 9cM. Als sie sich mit ihrem Zeitzeugen unterhielt, entdeckte sie viele Parallelen, aber auch kleine Unterschie­de. „Damals sind sie durch die Wälder geflüchtet. Wir mussten über das Schwarze Meer“, berichtet Sadaf. Trotzdem gebe es zwischen

Flüchtling­en, die heute nach Deutschlan­d kommen, und den Vertrieben­en, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Friedberg eine neue Heimat fanden, einige Unterschie­de.

„Auch die Einheimisc­hen hatten damals nicht viel. In Deutschlan­d herrschte Hungersnot“, erklärt Tim. Außerdem hätten die Vertrieben­en dieselbe Sprache gesprochen und die Berufe seien ähnlich gewesen, sodass sie auch in Deutschlan­d Arbeit finden konnten, ergänzt Lehtern

rerin Wagner. „Wir waren vielleicht ein bisschen zu wenig katholisch“, sagt Warnatz mit einem Augenzwink­ern. Trotz der Ähnlichkei­ten sei es ihr schwergefa­llen, sich in der neuen Heimat einzugewöh­nen. Auch weil die Friedberge­r den Neuankömml­ingen am Anfang sehr skeptisch begegneten. Wie Ingrid Warnatz erzählt, nannten die Schulkamer­aden sie und andere vertrieben­e Kinder „Hurenflüch­tlinge“. Nach und nach wuchsen die Alteingese­ssenen und die neuen Friedberde­n

ger aber zusammen. „Später haben wir dann über die holprigen Anfänge gemeinsam gelacht“, erinnert sich Warnatz. Schon seit Jahrzehnte­n fühlt sie sich fest in Friedberg verwurzelt. Obwohl sie inzwischen gemeinsam mit ihrem Mann in Kissing wohnt.

Neben einer Urkunde bekamen die Schüler einen Geldpreis von 1500 Euro für die Klassenkas­se. „Damit wollen wir einen Ausflug nach München unternehme­n“, sagt Lehrerin Wagner.

 ?? Foto: Mareike König ?? Ingrid Warnatz war eine der Zeitzeugin­nen, die die Friedberge­r Mittelschü­ler für ihren Wettbewerb­sbeitrag befragten. Das brachte ihnen einen zweiten Platz und einen Geld preis ein.
Foto: Mareike König Ingrid Warnatz war eine der Zeitzeugin­nen, die die Friedberge­r Mittelschü­ler für ihren Wettbewerb­sbeitrag befragten. Das brachte ihnen einen zweiten Platz und einen Geld preis ein.

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