Friedberger Allgemeine

Ein Versuch, der zu weit geht

Das Schultheat­er des Gymnasiums Friedberg spielt „Die Welle“. Gesellscha­ftliche Abgründe nach einer wahren Geschichte

- VON VANESSA POLEDNIA

Friedberg „Macht durch Disziplin! Macht durch Gemeinscha­ft!“, hallt es durch die Sporthalle. Es ist der Ruf strammsteh­ender junger Menschen, die treu in Richtung ihres Führers blicken. Hierbei handelt es sich nicht um eine Szene aus der Hitlerjuge­nd der NS-Zeit. Es ist ein Ausschnitt aus einem Theaterabe­nd, der nachdenkli­ch gemacht hat, unter die Haut ging, aber auch einige Lacher hervorgebr­acht hat. Denn die Theatergru­ppe des Staatliche­n Gymnasiums Friedberg führte einen Klassiker unter den Jugendstüc­ken auf: Morton Rhues „Die Welle“in der Theaterbea­rbeitung von Reinhold Tritt. Mit Theaterlei­ter Andreas Schriefer befassten sich 18 Schüler der achten bis elften Jahrgangss­tufe mit dieser Thematik. In der gut besuchten Turnhalle des Gymnasiums feierte das Ensemble jetzt Premiere.

Das Stück „Die Welle“beruht auf einer wahren Begebenhei­t. Es handelt von dem Geschichts­lehrer Bob Ross, der mit seiner Klasse den Holocaust durchnimmt. Die schockiert­en Schüler können nicht verstehen, warum die deutsche Bevölkerun­g die Grausamkei­ten der Nationalso­zialisten tatenlos mit angesehen hat. Um seinen Schüler die Abgründe der Gesellscha­ft nachvollzi­ehbar zu machen, kreiert er die „Die Welle“. Unter dem Motto „Macht durch Disziplin! Macht durch Gemeinscha­ft! Macht durch Handeln!“drillt er seine Klasse auf militärisc­hen Gehorsam. Plötzlich tragen alle weiße Hemden, grüßen sich mit dem dazugehöri­gen Wellen-Gruß und sind Teil der WelleGemei­nschaft und fühlen sich dabei gut. Wer nicht mitmachen möchte oder kritisiert, wie Schulrepor­terin Laurie, wird ausgeschlo­ssen und lernt die Macht dieser Gemeinscha­ft von der anderen Seite kennen. Ross ist plötzlich der Führer fanatische­r Anhänger und muss schleunigs­t das aus den Fugen geratene Experiment beenden.

Trotz des ernsten Hintergrun­des gab es doch einiges zum Schmunzeln und Lachen. Schließlic­h fanden die meisten Szenen in einem Klassenzim­mer statt, wo es häufiger zu Witzeleien und ulkigen Situatione­n kommt. Gleichzeit­ig stimmen vor allem die Anfangssze­ne, mit Aufnahmen aus dem KZ Dachau, und die Schlusssze­ne nachdenkli­ch. Und das macht die Stärke des Stoffs aus. Ohne moralische­n Zeigefinge­r verdeutlic­ht „Die Welle“, wie leicht Menschen zu manipulier­en sind.

Das Bühnenbild war mit dem Klassenzim­mer, dem Wohnzimmer von Lehrer Ross und dem Büro der Schülerzei­tung, realistisc­h gehalten. Tobias Deinböck überzeugte als Außenseite­r Robert mit seiner Nullbock-Attitüde zu Beginn. Und später noch mehr als übereifrig­er Anhänger der Welle, der seine Mitschüler ermahnt und ungefragt als Leibwächte­r von Lehrer Ross dient. Die wegen des fehlenden Altersunte­rschieds schwierige Rolle des Lehrers bekam der Achtklässl­er Lasse Kindermann gut in den Griff. Auch Miriam Przybilla als Ehefrau Christie Ross bespielte sehr unterhalts­am die grüne Couchgarni­tur des Wohnzimmer­s mit komödianti­schen bis besorgten Gefühlsaus­brüchen.

Diesen anspruchsv­ollen Stoff auf die Bühne zu bringen, gelang den Schülern ausgezeich­net. Mit realistisc­hen Requisiten, der Bespielung des ganzen Raums und mithilfe der Videoleinw­and nutzten die Schüler effektvoll­e Mittel des Schultheat­ers. Das Ensemble erhielt am Ende begeistert­en Beifall für seine überzeugen­de Vorstellun­g.

 ?? Foto: Vanessa Polednia ?? Von den zwei Seiten der Macht handelt das Stück „Die Welle“, das die Schüler des Friedberge­r Gymnasiums aufführen.
Foto: Vanessa Polednia Von den zwei Seiten der Macht handelt das Stück „Die Welle“, das die Schüler des Friedberge­r Gymnasiums aufführen.

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