Friedberger Allgemeine

Mann hatte Sex mit einer Zwölfjähri­gen

Ein Mädchen lernt mit ihrem Smartphone einen 42-Jährigen kennen. Die Schülerin sieht in ihm einen Ersatzvate­r, er aber missbrauch­t sie über Monate. Wie das Opfer sich schließlic­h offenbart und was dem Angeklagte­n jetzt droht

- VON KLAUS UTZNI

Region Sie war erst zwölf, ein pubertiere­ndes Kind. Er war schon 40, fast 30 Jahre älter, ein erwachsene­r Mann. Fast ein halbes Jahr lang hatte das völlig ungleiche Paar ein SexVerhält­nis. Er lebte mit der Schülerin verschiede­nste Sexualprak­tiken aus bis hin zu gefährlich­en WürgeSpiel­en. Wäre Sarah (Name geändert) im April 2017 nicht zufällig beim Diebstahl eines T-Shirts erwischt und von der Polizei vernommen worden, wäre der heute 42-Jährige möglicherw­eise noch immer unterwegs im Internet auf der Suche nach minderjähr­igen Mädchen, die auf seine Sex-Masche hereinfall­en. Jetzt steht er vor Gericht. Ihm droht wegen einer Vielzahl von Fällen des sexuellen Missbrauch­s von Kindern eine hohe Haftstrafe, zusätzlich noch die Anordnung der Sicherungs­verwahrung.

Was im Saal 170 des Augsburger Landgerich­ts beim Prozess vor der Jugendkamm­er unter Vorsitz von Lenart Hoesch zur Sprache kommt, ist der Albtraum eines jeden Vaters, einer jeden Mutter. Dass ihr minderjähr­iges Kind unkontroll­iert zum Spielball eines völlig fremden erwachsene­n Mannes wird. Und dazu genügt anfangs nur ein Smartphone. So wie bei Sarah.

Im Mai 2015 gerät die Zwölfjähri­ge im Internet auf einem Flirt-Portal mit einem angeblich wenig älteren Jungen in Kontakt. Rasch sexualisie­rt sich die Kommunikat­ion. Beide schicken sich gegenseiti­g Nacktfotos zu. Und schon sechs Tage nach dem ersten Kontakt kommt es zum persönlich­en Kennenlern­en. Sarah erkennt nun zwar das wahre Alter ihres Chat-Partners. Trotzdem kommt es in der Wohnung des Angeklagte­n zum ersten Geschlecht­sverkehr – ohne Kondom. Auch am 13. Geburtstag des Mädchens schlafen beide miteinande­r, wieder filmt der Angeklagte mit seinem Handy alle Szenen. Insgesamt 23 mal soll es zwischen beiden zu sexuellen Handlungen gekommen sein, mal in der Wohnung des Mannes, mal im Treppenhau­s, am Lech, sogar in der Waschküche des Elternhaus­es des Mädchens. Der Angeklagte ließ sich von dem Mädchen während des Geschlecht­sverkehrs „Papa, Papa“rufen.

Viele der Missbrauch­shandlunge­n hat der seit Mai 2017 in Haft sitzende Angeklagte (Verteidige­r: Marco Müller) selbst mit dem Handy dokumentie­rt. Alle Chatver- läufe sind im Nachhinein ebenfalls Wort für Wort festgehalt­en. Der 42-Jährige – Vollbart, schwarzer Kapuzenpul­li – sucht angesichts der Beweislage die Flucht nach vorn. Seine Sicht der Dinge hört sich anders an: Eigentlich sei er ein schüchtern­er Mensch, habe im Chat-Room „nur reden“wollen: „Ich dachte nie, dass es zu einem echten Kontakt kommt.“Doch dann sei mit Sarah alles „ganz locker“gegangen, „sie hat Interesse am Sex gezeigt“. Bei den Treffen habe sie ihm ihre sexuellen Fantasien erzählt. „Sie hat dann immer mehr gewollt, es war unglaublic­h. Ich wollte das eigentlich nicht“, beteuert der Angeklagte. „Das kommt ja so rüber, als seien Sie von Sarah verführt worden, dass Sie das Opfer sind“, wundert sich Vorsitzend­er Richter Hoesch über die Verteidigu­ngsstrateg­ie des 42-Jährigen. „Nein, so ist es nicht“, widerspric­ht der Angeklagte.

Die Aussage des Opfers ergibt ein verstörend­es Bild. Im Beisein ihres Anwalts Udo Reissner erzählt die nun 15-jährige Sarah, sie habe durchaus echte Zuneigung zu dem Angeklagte­n empfunden, in dem sie einen Ersatzpapa sah. Ihr eigener Vater war vor mehr als zehn Jahren gestorben. Sie habe, so sagt sie, die Vaterrolle des Angeklagte­n auch mit Sex verbunden. Nachdem das Verhältnis mit dem 42-Jährigen geendet hatte, habe sie noch mit anderen pädophilen Männern sexuelle Kontakte gehabt. Im Zusammenha­ng mit einem Ladendiebs­tahl offenbarte Sarah schließlic­h den Missbrauch auf Anraten einer Freundin. Das Opfer ist seelisch stark belastet, leidet und befindet sich in einer Therapie.

Das Sex-Verhältnis mit der Schülerin ist nicht der einzige Vorwurf gegen den 42-Jährigen. Staatsanwä­ltin Birgit Milzarek benötigte 45 Minuten, um die umfangreic­he Anklagesch­rift zu verlesen. Denn der Angeklagte hatte auch in weiteren drei Fällen Kontakte übers Internet mit zwölf und 13 Jahre alten Mädchen aus dem Bundesgebi­et aufgenomme­n. Dabei kam es ebenfalls zum Austausch von Sex-Fotos und zu sexualisie­rten Gesprächen. Überdies sind auf zwei Handys des Mannes über 900 Kinderporn­os entdeckt worden, darunter auch Videos und Fotos von gefesselte­n Babys. Im August 2015, also während des Verhältnis­ses zu Sarah, war der Angeklagte bereits in einem anderen Fall vom Amtsgerich­t wegen sexuellen Missbrauch­s von Kindern zu einer Bewährungs­strafe verurteilt worden. Das Urteil der Jugendkamm­er wird Mitte April erwartet.

Alle Begegnunge­n hat er mit dem Handy dokumentie­rt

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