Die jüdische Antwort auf Maria
Wie Rabbiner einst auf das Christentum reagierten. Ein Vortrag
Das vierte Jahrhundert bescherte dem Christentum eine steile Karriere, es stieg auf zur Staatsreligion des Römischen Reiches. Das war für jüdische Rabbiner eine Herausforderung. Sie fragten sich, so erklärt Matthias Morgenstern in seinem Vortrag in Augsburg, was diese neue Religion so attraktiv machte. Außerdem lasen die Christen die hebräische Bibel als ihr Altes Testament, redeten von Israel, meinten aber dabei sich selbst. Und sie hatten sogar einen Sohn Davids. Was war es, was sie so anders machte?
Die Anhänger gingen freiwillig in die Wüste, lebten enthaltsam. „Viele Juden müssen damals konvertiert sein – das war eine bedrohliche Situation für die Gelehrten“, erläutert Morgenstern, der als Judaist und evangelischer Theologe auf Einladung des Jüdischen Kulturmuseums über die in dieser Zeit neu aufgelegten Kommentare (Midrasch) zur Genesis, zu den Erzeltern Abraham und Sarah im Festsaal der Synagoge referierte.
Schließlich stritten auch die „Neuen“über ihre Urgeschichte. Über die Göttlichkeit ihres Messias’, vor allem aber über die Jungfräulichkeit seiner Mutter und ob das Jungfernhäutchen auch nach der Geburt noch intakt gewesen sein kann. „Neue Religionen scheinen sich immer als erstes auf Genderfragen, vor allem auf das Frauenbild zu stützen“, gibt Morgenstern zu bedenken. Im fünften Jahrhundert legten die Rabbiner den Jerusalemer Talmud und die erzählenden Midrasch-Texte zum ersten Buch Mose neu aus.
Sarah und Rebecca, die Erzmütter der Juden, waren unfruchtbar. Kinder, die dann das Volk Israel begründen konnten, mussten also durch Gottes Eingreifen gezeugt werden – auch bei Sarah. Sie war
Der Pharao war impotent, sagten die Rabbiner
nicht nur die Frau, sondern auch die schöne Halbschwester Abrahams. Der Pharao nahm Sarah in seinen Harem. Wenn der Pharao aber Sex mit ihr hatte, könnte der später geborene Isaak auch sein und nicht Abrahams Sohn sein. Der Midrasch kommentierte deshalb kurzerhand, dass der Pharao impotent gewesen sei.
Drei Männer tauchen später bei Abraham auf und erklären, die 90-jährige Sarah werde schwanger werden. Sarah lacht ungläubig, schließlich ist ihr Mann schon 100 Jahre alt. Damit dieser ihr Lachen nicht als Spott versteht und verärgert ist, habe Gott die Beleidigung auf sich genommen. Allerdings wurde Sarah in der jüdischen Tradition nicht als Konkurrenz zu Maria aufgebaut, sie wird im Gegensatz zu dieser biologisch-natürlich schwanger.
Ihre Schwangerschaft selbst gilt jedoch als göttliches Wunder. Eine Generation später folgt Rebecca: Sie bekam die Zwillinge Esau und Jakob, dessen Söhne die zwölf Stämme Israels (Jakobs) begründeten. Was bei Maria ohne Samen ging, war bei ihr noch spektakulärer: Sie hatte noch nicht einmal eine Gebärmutter. Der Judaist Morgenstern ist überzeugt: „Jungfräulichkeit spielt in den Midrasch-Texten keine Rolle, aber ich denke, dass die dort eingeschriebenen Wunder um die Erzmütter Sarah und Rebecca die Antwort der damaligen Rabbiner auf die Konkurrenz durch die christliche Religion waren.“