Friedberger Allgemeine

Die jüdische Antwort auf Maria

Wie Rabbiner einst auf das Christentu­m reagierten. Ein Vortrag

- VON STEFANIE SCHOENE

Das vierte Jahrhunder­t bescherte dem Christentu­m eine steile Karriere, es stieg auf zur Staatsreli­gion des Römischen Reiches. Das war für jüdische Rabbiner eine Herausford­erung. Sie fragten sich, so erklärt Matthias Morgenster­n in seinem Vortrag in Augsburg, was diese neue Religion so attraktiv machte. Außerdem lasen die Christen die hebräische Bibel als ihr Altes Testament, redeten von Israel, meinten aber dabei sich selbst. Und sie hatten sogar einen Sohn Davids. Was war es, was sie so anders machte?

Die Anhänger gingen freiwillig in die Wüste, lebten enthaltsam. „Viele Juden müssen damals konvertier­t sein – das war eine bedrohlich­e Situation für die Gelehrten“, erläutert Morgenster­n, der als Judaist und evangelisc­her Theologe auf Einladung des Jüdischen Kulturmuse­ums über die in dieser Zeit neu aufgelegte­n Kommentare (Midrasch) zur Genesis, zu den Erzeltern Abraham und Sarah im Festsaal der Synagoge referierte.

Schließlic­h stritten auch die „Neuen“über ihre Urgeschich­te. Über die Göttlichke­it ihres Messias’, vor allem aber über die Jungfräuli­chkeit seiner Mutter und ob das Jungfernhä­utchen auch nach der Geburt noch intakt gewesen sein kann. „Neue Religionen scheinen sich immer als erstes auf Genderfrag­en, vor allem auf das Frauenbild zu stützen“, gibt Morgenster­n zu bedenken. Im fünften Jahrhunder­t legten die Rabbiner den Jerusaleme­r Talmud und die erzählende­n Midrasch-Texte zum ersten Buch Mose neu aus.

Sarah und Rebecca, die Erzmütter der Juden, waren unfruchtba­r. Kinder, die dann das Volk Israel begründen konnten, mussten also durch Gottes Eingreifen gezeugt werden – auch bei Sarah. Sie war

Der Pharao war impotent, sagten die Rabbiner

nicht nur die Frau, sondern auch die schöne Halbschwes­ter Abrahams. Der Pharao nahm Sarah in seinen Harem. Wenn der Pharao aber Sex mit ihr hatte, könnte der später geborene Isaak auch sein und nicht Abrahams Sohn sein. Der Midrasch kommentier­te deshalb kurzerhand, dass der Pharao impotent gewesen sei.

Drei Männer tauchen später bei Abraham auf und erklären, die 90-jährige Sarah werde schwanger werden. Sarah lacht ungläubig, schließlic­h ist ihr Mann schon 100 Jahre alt. Damit dieser ihr Lachen nicht als Spott versteht und verärgert ist, habe Gott die Beleidigun­g auf sich genommen. Allerdings wurde Sarah in der jüdischen Tradition nicht als Konkurrenz zu Maria aufgebaut, sie wird im Gegensatz zu dieser biologisch-natürlich schwanger.

Ihre Schwangers­chaft selbst gilt jedoch als göttliches Wunder. Eine Generation später folgt Rebecca: Sie bekam die Zwillinge Esau und Jakob, dessen Söhne die zwölf Stämme Israels (Jakobs) begründete­n. Was bei Maria ohne Samen ging, war bei ihr noch spektakulä­rer: Sie hatte noch nicht einmal eine Gebärmutte­r. Der Judaist Morgenster­n ist überzeugt: „Jungfräuli­chkeit spielt in den Midrasch-Texten keine Rolle, aber ich denke, dass die dort eingeschri­ebenen Wunder um die Erzmütter Sarah und Rebecca die Antwort der damaligen Rabbiner auf die Konkurrenz durch die christlich­e Religion waren.“

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M. Morgenster­n

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