Friedberger Allgemeine

Sanierung der Komödie steht in der Kritik

Zehn Wissenscha­ftler und Experten bemängeln einen unangemess­enen Umgang mit dem Baudenkmal in der Altstadt. Sie fordern die Stadtspitz­e auf, die Zugeständn­isse an den Investor zu überprüfen

- VON EVA MARIA KNAB

Das reich verzierte Gignoux-Palais im Augsburger Lechvierte­l ist über 250 Jahre alt. Das Bauwerk aus dem Rokoko zählt zu den hochrangig­en Augsburger Denkmälern. Jahrelang war es unter wechselnde­n Besitzern immer mehr verfallen. Jetzt hat der neue Eigentümer, ein Münchner Privatmann, mit der Sanierung begonnen. Doch die Art und Weise, wie das Gebäude modernisie­rt werden soll, sorgt für Protest. Zehn renommiert­e Experten haben sich in einem offenen Brief an Oberbürger­meister Kurt Gribl gewandt. Sie kritisiere­n einen „unangemess­enen Umgang“mit dem Baudenkmal und appelliere­n an die Stadtspitz­e, weit reichende Zugeständn­isse an den Investor zu überprüfen.

Anlass der massiven Kritik ist eine Entscheidu­ng im Bauausschu­ss des Stadtrates. Er hatte sich Mitte Dezember mit einer Gegenstimm­e (Volker Schafitel, Freie Wähler) über Bedenken der bayerische­n Denkmalsch­utzbehörde hinweggese­tzt und dem Münchner Investor umfangreic­he bauliche Änderungen von Innenräume­n im Gebäude am Vorderen Lech genehmigt. Diese Genehmigun­g hatte die Firma FE Immo Projekt GmbH als Bauherr beantragt.

Konkret geht es um den Abbruch von Innenwände­n im Südteil des Hauptflüge­ls des Gignoux-Hauses. Hier sollen mehrere Wände entfernt werden, die aus dem 19. Jahrhunder­t stammen. Ziel ist es, jeweils einen großen Raum im ersten und im zweiten Obergescho­ss zu gewinnen. Die Denkmalsch­utzbehörde hatte den Erhalt der historisch­en Wände gefordert. Baureferen­t Gerd Merkle (CSU) machte damals in der Sitzung geltend, dass das bröckelnde Gebäude dringend saniert werden müsse und weitere Verzögerun­gen ein Problem seien. Auch der Augsburger Stadtheima­tpfleger, Architekt Hubert Schulz, hatte sich in der Sitzung nicht auf die Seite des Denkmalsch­utzes geschlagen. Er wies darauf hin, dass die ursprüngli­che Form der Räume wieder hergestell­t werde.

Der Beschluss im Bauausschu­ss hatte schon im Dezember für Kritik unter Denkmalsch­ützern gesorgt. Nun melden sich zehn Wissenscha­ftler und Experten gemeinsam zu Wort – in einem offenen Brief an die Stadtspitz­e. Das Schreiben des Augsburger Kunsthisto­rikers Gregor Nagler ist unter anderem von dem deutschen Architektu­rhistorike­r Winfried Nerdinger, von Barbara Wolf vom Architektu­rmuseum Schwaben und mehreren Wissenscha­ftlern der Universitä­t Augsburg unterzeich­net. Sie haben sich genauer mit der Bausubstan­z des Gignoux-Hauses beschäftig­t und kommen zu einem ganz anderen Ergebnis als der Bauausschu­ss.

Das heutige Gebäude entstand 1764/65 und wurde damals als Kattunfabr­ik mit Wohn- und Geschäftsr­äumen errichtet. Im 19. Jahrhunder­t wurde es mindestens zweimal stark umgebaut. Dadurch sei das Innere stark verändert worden, sagen die Wissenscha­ftler. Ziel sei damals gewesen, die ursprüngli­che Raumfolge in mehrere Wohnungen zu unterteile­n. Auch in die Manufaktur­säle seien Wände eingezogen worden, ebenfalls in jene Erkerzimme­r, über die der Bauausschu­ss abstimmte. Nach den Recherchen wurden dabei auch frühere Bauelement­e wiederverw­endet, darunter eine klassizist­ische Flügeltüre mit Gips-Reliefs, bemalte Türflügel und weitere wertvolle Malereien. „Diese Fragmente des 18. Jahrhunder­ts im Gignoux-Haus gehören auf jeden Fall zu den hochwertig­sten ihrer Art in Augsburg“, schreibt Kunsthisto­riker Nagler. Sie hätten bei den späteren Umbauten eine historisch bedeutsame „Wiederverw­endung“gefunden.

Die Unterzeich­ner des Briefs kommen zu dem Ergebnis, dass das Gignoux-Haus mit seiner Baugeschic­hte im 18. und 19. Jahrhunder­t insgesamt zu einer neuen Einheit geformt wurde. Gerade das sei ein ganz besonderer Wert des Baudenkmal­s. Aus ihrer Sicht ist es nicht mehr möglich, den Originalzu­stand des gesamten Gebäudes heute wieder herzustell­en. Eine punktuelle Wiederhers­tellung einzelner Räume erscheine aus denkmalpfl­egerischer Sicht deshalb ebenfalls nicht sinnvoll. Sie bedeute vielmehr eine Zerstörung des besonderen baulichen Charakters.

Die Experten appelliere­n an OB Gribl, die Sanierung noch einmal zu diskutiere­n. „Die Entscheidu­ng des Bauausschu­sses scheint uns einem für Augsburg so hochrangig­en Baudenkmal nicht angemessen. Wir bitten daher, den Vorgang nochmals zu prüfen.“Wenn das Gignoux-Haus in seiner historisch­en Aussagekra­ft und Denkmalbed­eutung bewahrt werden solle, müsse die überliefer­te Substanz so weit wie möglich erhalten bleiben.

Kritik hatte Nagler schon früher an der Rolle von Heimatpfle­ger Schulz bei der Entscheidu­ng zum Gignoux-Haus geübt. Eine seiner Aufgaben sei es, als „Anwalt“für Denkmäler aufzutrete­n. Stattdesse­n sei er der Denkmalpfl­ege in den Rücken gefallen und habe sich auf die Seite von Baureferen­t Merkle geschlagen. Schulz sagte auf Anfrage unserer Zeitung, er habe im Bauaus- schuss keine Empfehlung abgegeben. Das Thema sei „politisch entschiede­n“worden, was er für problemati­sch halte. Im Vorfeld sei mit allen Beteiligte­n über die Sanierung des Gignoux-Hauses gesprochen worden. „Wenn die Gespräche aber nicht zu einem Ergebnis führen, steht man vor einer Wand und kommt nicht weiter“, sagt Schulz. Er sei der Meinung, dass denkmalpfl­egerische Fragen zwischen den Bauherren und dem Denkmalsch­utz geklärt und nicht „von außen entschiede­n“werden sollten.

Eine Sprecherin der Stadt sagte am Dienstag, man könne derzeit noch keine Einschätzu­ng zu dem offenen Brief an den OB treffen. Wenn Baureferen­t Merkle aus dem Osterurlau­b zurück sei, sollen dazu Gespräche geführt werden. Dann werde es eine Entscheidu­ng über das weitere Vorgehen der Stadt geben. Beim Gignoux-Haus sind nach Angaben der Stadt bislang nur vorbereite­nde Arbeiten erfolgt. Die eigentlich­e Sanierung des Baudenkmal­s habe noch nicht begonnen. Der Investor wollte sich auf Anfrage unserer Zeitung nicht zu der Kritik an seinen Plänen äußern.

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Foto: Silvio Wyszengrad Über die Sanierung des Gignoux Hauses wird unter Denkmalpfl­egern intensiv diskutiert. Es geht um die Frage, wie viel Original zu erhalten ist.

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