Friedberger Allgemeine

Wenn jedes Wort etwas kostet

Das Theater begeistert mit einer Kinderoper

- VON NINA STAZOL

Wer zwischen „Hasenpipi“und „Hundekaka“im Müll nach Worten sucht, lebt vermutlich im Land der großen Wörterfabr­ik und hat kein Geld. Jedes Wort, das gesagt sein will, muss gekauft werden. Oder mit Glück gefunden. In dem Bilderbuch „Die große Wörterfabr­ik“von Agnès de Lestrade und Valeria Docampo ist Quasseln also richtig teuer. Was aber, wenn man sich wie der kleine arme Paul Wörter kaum leisten kann und einem Mädchen gerne sagen will, dass man es lieb hat? Auf poetische Weise behandelt die Geschichte den Wert der Sprache und des Fühlens für das Miteinande­r.

Jetzt ist „Die große Wörterfabr­ik“be- und verzaubern­d in der Opernfassu­ng von Martin Zels für Zuschauer ab 8 Jahren im Martinipar­k zu erleben. Eine singende Erzählerin führt (mit glasklarem und karamellwe­ichem Mezzosopra­n Jihyun Cecilia Lee) durchs Land der großen Wörterfabr­ik. Buchstaben und Wörter flirren als Projektion über eine schwarze Stoffwand, hinter der die fasziniere­nd sphärische Musik von Percussion und Streichern hervordrin­gt.

Es ist ein wahres Klangerleb­nis. Feine solistisch­e Melodien lösen rhythmisch mehrstimmi­ge Passagen ab. Die Töne von Geige, Cello, Marimbapho­n und großen Trommeln fasziniere­n gerade auch, weil man so nah an der Musik sitzen darf.

Mit Lichtakzen­ten und Schattensp­ielen in einem eher dunklen Bühnenraum sowie mit Kostümen in Silberund Grautönen laden Regisseuri­n Aileen Schneider und Bühnenbild­ner Vittorio Greco in eine schöne und doch fast kühle Welt. Figuren erscheinen und verschwind­en tanzend, ein beeindruck­end hoher dunkler Fabrikturm fährt Wörter sprühend durch den Raum. Die Atmosphäre ist fasziniere­nd und ein ganz klein wenig unheimlich.

Der Zuschauer kann leicht nachempfin­den, wie es dem kleinen Paul (Anatol Käbisch) gehen mag – verliebt, aber wortlos, weil ohne Geld. Käbisch spielt ihn herzverzüc­kend verzweifel­t verliebt in Marie (auch gespielt von Jihyun Cecilia Lee). Schön an der Kinderoper ist das Konzept, Sprache und Musik so abwechslun­gsreich miteinande­r zu verweben und die Musiker als Schauspiel­er einzubinde­n (als reicher Schnösel Oscar überzeugen­d der Schlagzeug­er Dennis Egger und Mehmet Ali Yücel und Jin Shi als Schüler). Die Augsburger Inszenieru­ng baut das aus, indem die Kinder eingeladen sind mitzumache­n, wenn sie sich von Zettelschn­üren Silben abzupfen und zu Worten zusammenba­uen. Auf das Ende darf man gespannt sein. Die Inszenieru­ng entlässt mit einem dynamische­n Finale. Ohne Worte. Begeistert­er Applaus für die Premiere.

Weitere Termine am 8., 14. und 20. April sowie am 10. Mai

 ?? Foto: Jan Pieter Fuhr ?? Anatol Käbisch (links) und Jihyun Cecilia Lee in Martin Zells Kinderoper „Die gro ße Wörterfabr­ik“.
Foto: Jan Pieter Fuhr Anatol Käbisch (links) und Jihyun Cecilia Lee in Martin Zells Kinderoper „Die gro ße Wörterfabr­ik“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany