Friedberger Allgemeine

Diese Grafiken sollten für alle erschwingl­ich sein

Das Grafische Kabinett zeigt, wie Kunstvermi­ttlung im 19. Jahrhunder­t funktionie­rt hat

- VON RICHARD MAYR

Wie Kunstvermi­ttlung vor 100 Jahren aussah, kann man im Augenblick in der Sonderauss­tellung „Grafik für alle“im Grafischen Kabinett der Augsburger Kunstsamml­ungen nachvollzi­ehen. Dort geht es zurück ins ausklingen­de 19. Jahrhunder­t, genauer nach Wien. In der Kunstmetro­pole hatte sich eine Gesellscha­ft für vervielfäl­tigende Kunst gegründet, die es sich zum Ziel gesetzt hatte, ihren Mitglieder­n einen erschwingl­ichen Zugang zu Druckgrafi­ken aus dem deutschspr­achigen Raum zu verschaffe­n. In einer eigenen Zeitschrif­t und in Jahresgabe­n wurde den Vereinsmit­gliedern ein breiter Querschnit­t der Druckkunst vorgestell­t. Einziges Kriterium war, dass die Arbeiten zeitgenöss­isch waren. Der Verein wollte auf diese Weise auch das Verständni­s für moderne Kunst fördern.

Das Grafische Kabinett zeigt einen Ausschnitt des Bestands, der dem Museum von dem Münchner Galeristen Helmut Klewan geschenkt worden ist. Mit neuen Maschinen gelang es dem Verein, Reprodukti­onen von Druckgrafi­ken anzufertig­en, die fast an die Qualität von Originalen heranreich­te. In der Zeitschrif­t und in den Jahresgabe­n setzte sich die Gesellscha­ft bei der Auswahl der Künstler keine Beschränku­ngen. Von naiver Kunst bis zum Symbolismu­s, vom Impression­ismus bis zum Jugendstil, vom Expression­ismus bis zum Japonismus finden sich die verschiede­nen Strömungen. Das schlägt sich in der Ausstellun­g nieder. Um der Vielfalt zu begegnen, sind zum Beispiel Landschaft­sbilder und Tierbilder nebeneinan­der ausgewählt worden. Adolf Weber-Schelds (1892 – 1961) Rehe (eine Reprodukti­on nach einem Holzschnit­t) erinnern stark an Franz Marc.

Anders geht Norbertine Bresslern-Roth mit dem Sujet um. Die Künstlerin war nicht nur eine der ersten Frauen, die Kunst studierten, sondern auch eine Vorreiteri­n des Linolschni­tts, den Bresslern-Roth in den 1920er Jahren für sich entdeckte. Ihr „Kampf“zwischen einer Krake und einem Hummer ist auch ein Kampf von zwei Farbfläche­n, von Rot und Schwarz.

In der Ausstellun­g sind die Hintergrün­de zu den Künstlern und Arbeiten detaillier­t beschriebe­n. Mehr als 50 Jahre gab die Gesellscha­ft für vervielfäl­tigende Kunst in Wien, ihre Zeitschrif­t Die Graphische­n

Künste heraus. Im Zug der wirtschaft­lichen Krisen der 1920er Jahre fanden sich immer weniger Käufer und Sammler von moderner Kunst, 1933 wurde das Erscheinen eingestell­t. Im Grafischen Kabinett lebt sie nun bis Juni auf. Ausstellun­g „Grafik für alle“ist im Grafischen Kabinett im Höhmannhau­s (Maximilian­straße in Augsburg) bis 17. Juni zu sehen. Die Öffnungsze­iten sind Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr. Der Eintritt ist frei.

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Die Künstlerin Norbertine Bresslern Roth hat sich auf Tiere spezialisi­ert. Diese Litho grafie trägt den Titel „Kampf“.
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Fotos: Kunstsamml­ungen und Museen Augsburg Das ist ein Ausschnitt aus Christian Ludwig Martins Druck mit dem Titel „Böhmer wald“.

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