Diese Grafiken sollten für alle erschwinglich sein
Das Grafische Kabinett zeigt, wie Kunstvermittlung im 19. Jahrhundert funktioniert hat
Wie Kunstvermittlung vor 100 Jahren aussah, kann man im Augenblick in der Sonderausstellung „Grafik für alle“im Grafischen Kabinett der Augsburger Kunstsammlungen nachvollziehen. Dort geht es zurück ins ausklingende 19. Jahrhundert, genauer nach Wien. In der Kunstmetropole hatte sich eine Gesellschaft für vervielfältigende Kunst gegründet, die es sich zum Ziel gesetzt hatte, ihren Mitgliedern einen erschwinglichen Zugang zu Druckgrafiken aus dem deutschsprachigen Raum zu verschaffen. In einer eigenen Zeitschrift und in Jahresgaben wurde den Vereinsmitgliedern ein breiter Querschnitt der Druckkunst vorgestellt. Einziges Kriterium war, dass die Arbeiten zeitgenössisch waren. Der Verein wollte auf diese Weise auch das Verständnis für moderne Kunst fördern.
Das Grafische Kabinett zeigt einen Ausschnitt des Bestands, der dem Museum von dem Münchner Galeristen Helmut Klewan geschenkt worden ist. Mit neuen Maschinen gelang es dem Verein, Reproduktionen von Druckgrafiken anzufertigen, die fast an die Qualität von Originalen heranreichte. In der Zeitschrift und in den Jahresgaben setzte sich die Gesellschaft bei der Auswahl der Künstler keine Beschränkungen. Von naiver Kunst bis zum Symbolismus, vom Impressionismus bis zum Jugendstil, vom Expressionismus bis zum Japonismus finden sich die verschiedenen Strömungen. Das schlägt sich in der Ausstellung nieder. Um der Vielfalt zu begegnen, sind zum Beispiel Landschaftsbilder und Tierbilder nebeneinander ausgewählt worden. Adolf Weber-Schelds (1892 – 1961) Rehe (eine Reproduktion nach einem Holzschnitt) erinnern stark an Franz Marc.
Anders geht Norbertine Bresslern-Roth mit dem Sujet um. Die Künstlerin war nicht nur eine der ersten Frauen, die Kunst studierten, sondern auch eine Vorreiterin des Linolschnitts, den Bresslern-Roth in den 1920er Jahren für sich entdeckte. Ihr „Kampf“zwischen einer Krake und einem Hummer ist auch ein Kampf von zwei Farbflächen, von Rot und Schwarz.
In der Ausstellung sind die Hintergründe zu den Künstlern und Arbeiten detailliert beschrieben. Mehr als 50 Jahre gab die Gesellschaft für vervielfältigende Kunst in Wien, ihre Zeitschrift Die Graphischen
Künste heraus. Im Zug der wirtschaftlichen Krisen der 1920er Jahre fanden sich immer weniger Käufer und Sammler von moderner Kunst, 1933 wurde das Erscheinen eingestellt. Im Grafischen Kabinett lebt sie nun bis Juni auf. Ausstellung „Grafik für alle“ist im Grafischen Kabinett im Höhmannhaus (Maximilianstraße in Augsburg) bis 17. Juni zu sehen. Die Öffnungszeiten sind Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr. Der Eintritt ist frei.